Olpe/Hünsborn/Paderborn. Lorenz Jaeger, dem Namensgeber des Olper Gemeindezentrums, werden „schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch“attestiert.

Zwar erinnert in Olpe der Kurkölner Platz unauslöschbar an die ursprüngliche Zugehörigkeit zum Bistum Köln. Doch bereits seit 1821 ist Olpe Teil des Erzbistums Paderborn. Das geistliche Zentrum des Bistums ist der Hohe Dom zu Paderborn. Dessen Mittelpunkt ist die Krypta, zu der auch die Bischofsgräber gehören. Und genau hier wurde etwas vollzogen, das möglicherweise auch Auswirkungen bis Olpe haben dürfte: Das Bistum selbst hat an zwei Bischofsgräbern eine Informationstafel angebracht. Auf dieser ist zu lesen: „Die hier beigesetzten Erzbischöfe haben während ihrer Amtszeit aus heutiger Sicht schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch begangen. Allzu oft haben sie Schutz und Ansehen der Institution und der Täter über das Leid der Betroffenen gestellt.“

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Eines der beiden so gebrandmarkten Gräber gehört Lorenz Jaeger, der eine enge Bindung nach Olpe hat: Zwar stammt der 1892 geborene Jaeger aus Halle an der Saale, aber nach dem frühen Tod seines Vaters zog die verwitwete Mutter nach Olpe, und als die verarmte Familie das Schulgeld nicht mehr bezahlen konnte, gaben die Olper Franziskanerinnen dem begabten Jungen einen Platz in ihrem Waisenhaus, was ihm den weiteren Besuch der Schule ermöglichte. Jaeger behielt eine enge Bindung nach Olpe, war nach seiner Ernennung zum Erzbischof häufig an der Bigge zu Gast, und daher war es kein Wunder, dass die katholische Kirchengemeinde St. Martinus nach dem Neubau ihres Gemeindezentrums an der Agathastraße 1974 beschloss, es „Lorenz-Jaeger-Haus“ zu nennen. Auch die Gemeinde Wenden ehrte den Geistlichen: In Hünsborn gibt es die nach ihm benannte „Kardinal-Jaeger-Straße“ – ebenso übrigens wie in Paderborn, Dellbrück, Arnsberg, Marsberg und Werl.

Dieses Kunstwerk vor dem Lorenz-Jaeger-Haus erinnert an den nun umstrittenen Namensgeber.
Dieses Kunstwerk vor dem Lorenz-Jaeger-Haus erinnert an den nun umstrittenen Namensgeber. © Jörg Winkel

In einem im Dezember 2021 veröffentlichten Zwischenergebnis einer Studie der Universität Paderborn wird Jaeger wie Degenhardt „gravierendes Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchstätern unter den Geistlichen attestiert. Beschuldigte seien geschützt worden, während Betroffenen gegenüber keine Fürsorge gezeigt worden sei. Verdächtigte oder überführte Kleriker seien immer wieder versetzt worden, und man habe in der Bistumsleitung ,in Kauf genommen, dass sich Dinge wiederholen’. Auf Bewährung verurteilte Täter seien in einigen Fällen entgegen den Vereinbarungen mit Staatsanwaltschaften doch wieder in Gemeinden eingesetzt worden“, fasst es die Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ zusammen.

Zwar liegt bislang nur ein Zwischenbericht, nicht die Endfassung der Studie vor. Dieser jedoch fällt eindeutig genug aus, dass das Bistum die Gräber mit dem entsprechenden Hinweis versieht. Darf dann ein katholisches Gemeindezentrum weiterhin den Namen dieses Mannes tragen? Für Johannes Hammer, Leitender Pfarrer des Pastoralverbunds Olpe/Kirchspiel Drolshagen und Pfarrer der St.-Martinus-Gemeinde, ist die Frage „mehr als berechtigt“. Sowohl der Gesamt-Pfarrgemeinderat des Pastoralen Raums als auch der Kirchenvorstand von St. Martinus hätten sich bereits beide mit dieser Frage beschäftigt, „und das schon mehrfach und seit einer Weile“. Dabei sei schnell klargeworden, dass das nun vorliegende Zwischenergebnis abgewartet werden solle. „Unterm Strich kann ich sagen, dass wir in der August-Sitzung nach der zurzeit laufenden Sommerpause beider Gremien erneut darüber sprechen und dann sicherlich auch eine Entscheidung fällen werden, wie wir mit der Frage umgehen. Wir werden dann die Öffentlichkeit informieren.“ Es gebe in beiden Gremien, dem Gesamt-Pfarrgemeinderat wie im eigentlich zuständigen Kirchenvorstand, klare Tendenzen, aber er wolle der Entscheidung nicht vorgreifen, so Hammer.

In Sachen „Kardinal-Jaeger-Straße“ in Hünsborn kündigte der Wendener Bürgermeister Bernd Clemens auf Anfrage unserer Redaktion an, ebenfalls nach der Sommerpause die kommunalen Gremien der Gemeinde zeitnah mit der Sachlage zu konfrontieren. Diese sind zuständig für die Benennung von Straßen im Gemeindegebiet.

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt die Pressestelle des Erzbistums, die Anregung zur Anbringung der Informationstafel sei vom Betroffenenbeirat im Erzbistum Paderborn gekommen, die Umsetzung gemeinsam vom Metropolitankapitel und dem Vorstand des Betroffenenrates vereinbart worden. In absehbarer Zeit werde die Tafel um einen QR-Code ergänzt, der auf eine „noch zu erarbeitende Internetseite mit weiteren Informationen“ führen werde, die auf der aktuell durchgeführten kirchenhistorischen Missbrauchsstudie für das Erzbistum Paderborn beruhen. „Diese Internetseite wird neben den Versäumnissen der beiden früheren Paderborner Erzbischöfe auch Informationen zu deren Lebensleistung abbilden. Die Vereinbarung zur Hinweistafel betrachtet das Erzbistum Paderborn als Zeichen eines guten Dialoges. Die Umsetzung in einer Kombination der Tafel mit weiterführenden, differenzierten Informationen ist eine angemessene Form der Auseinandersetzung mit dem Fehlverhalten.“

Zum weiteren Umgang mit den früheren Erzbischöfen Lorenz Kardinal Jaeger und Johannes Joachim Kardinal Degenhardt im Hinblick auf Namen von Straßen oder Einrichtungen gibt es seitens des Erzbistums Paderborn derzeit keine Handlungsempfehlung. „Zunächst sollen die Ergebnisse der unabhängigen Aufarbeitungsstudie für die Zeit von 1941 bis 2022 abgewartet werden“, so die Pressestelle. Die Forschungsarbeit an der Universität Paderborn liege in Händen der Historikerinnen Prof. Dr. Nicole Priesching und Dr. des. Christine Hartig. „Die Studienergebnisse werden eine gute Basis für die weitere Auseinandersetzung bieten“, so Pressesprecher Benjamin Krysmann.