Siegen/Olpe. Im Prozess gegen einen 52-Jährigen aus Olpe stand ein Vorfall im Rathaus Olpe im Mittelpunkt. Zwei Frauen schilderten ihre Ängste.

Als die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach den Prozesstag im Landgericht Siegen kurz nach 14 Uhr schloss, hatte Zeuge 28 gerade ausgesagt. In dem Fall eine Zeugin und, was nicht alltäglich ist, eine direkte Prozessbeteiligte, die Olper Bewährungshelferin Anna Klarfeld. Ihre Aussage drehte sich um einen Anklagepunkt, demzufolge der 52-jährige Angeklagte Ende 2020 ein elfjähriges Mädchen tätlich angegriffen haben soll. Richterin Dreisbach wollte von der Bewährungshelferin wissen, ob sie sich an ein darauf folgendes Telefonat mit dem Angeklagten erinnern könne, was diese jedoch verneinte. Sie habe sich damals allerdings schriftlich notiert, dass der Angeklagte das Mädchen und seine Mutter habe ausfindig machen und derart bedrohen wolle, bis die ihre belastenden Aussagen zurücknähmen.

Lückenhafte Erinnerung

Die lückenhafte Erinnerung vieler Zeugen zog sich wie ein Roter Faden durch den zähen 3. Prozesstag, an dem der Zeugen-Marathon fortgesetzt wurde. Zur Erinnerung: Die Erste Große Strafkammer des Landgerichts versucht seit dem 4. Juli die Geschehnisse aufzuarbeiten, die sich laut Anklage seit 2018 in Olpe abgespielt haben. Angeklagt werden über 30 Delikte, von Bedrohung und Beleidigung über Körperverletzung mit Waffengewalt bis hin zur Sachbeschädigung und Nötigung. Allein ein gutes halbes Dutzend Polizeibeamte mussten sich an Vorfälle erinnern, die drei oder vier Jahre zurücklagen. Angesichts ihrer unzähligen Einsätze, so die Frauen und Männer im Polizeidienst, sei das im Detail nicht möglich.

+++Lesen Sie auch: Neue Disko Bierbrunnen in Olpe - Alle Infos im Überblick+++

Den größten Raum nahm am Dienstag aber ein Vorfall aus 2019 ein, der allein aufgrund des Tatortes von öffentlichem Interesse sein dürfte, denn er spielte sich im Olper Rathaus ab. Drei Zeugen wurden befragt: Dem Angeklagten wird vorgeworfen, trotz Hausverbotes im Rathaus ein Gespräch mit Bürgermeister Peter Weber habe erzwingen zu wollen und dessen damalige Sekretärin heftig beleidigt zu haben.

+++Der zweite Prozesstag: Bürgerschreck oder tickende Zeitbombe?+++

Eine 53-jährige Rathaus-Angestellte, die in der gläsernen Pforte des Rathauses arbeitete, schilderte das aufbrausende Auftreten des Angeklagten: „Es wird einem Angst und Bange. Ich war innerlich am Beben.“ Die Sekretärin des Bürgermeisters sei daraufhin die Treppe heruntergekommen und habe versucht, den Angeklagten zu beruhigen. Was genannte Sekretärin, die direkt danach in den Zeugenstand trat, bestätigte. Beide Frauen erklärten zwar, sich nicht mehr an alle Details erinnern zu können, an eine außergewöhnlich heftige und sexuell erniedrigende Beschimpfung und Bedrohung aber schon. Sowohl die Pförtnerin als auch die Chefsekretärin wiederholten den Satz annähernd gleichlautend. Die Frau von der Pforte fügte bestärkend hinzu: „Dieser Satz bleibt mir im Gedächtnis.“

Feuchte Aussprache

Die mittlerweile pensionierte Chefsekretärin erinnerte sich, dass der Angeklagte sie nicht nur heftig beleidigt, sondern ihr auch so nah zu Leibe gerückt sei, dass sie seine „feuchte Aussprache“ abbekommen habe: „Ich habe mich anschließend erst einmal gewaschen“, sagte sie. Obwohl sie zu resolutem Auftreten in der Lage sei, habe das beim Angeklagten an dem Tag nicht gefruchtet. Er habe gesagt: „Ich gehe jetzt zum Bürgermeister“, sie darauf: „Das tun Sie nicht.“ Ihre Aufforderung: „Verlassen Sie jetzt das Rathaus“, habe beim Angeklagten nur schäumende Wut ausgelöst. Ihren Gemütszustand beschrieb sie mit den Worten: „Unangenehmer geht nicht.“ Und das über einen Zeitraum von über zehn Minuten. Zum Glück sei dann ein körperlich kräftiger Mitarbeiter des Olper Ordnungsamtes die Treppe heraufgekommen, der den Angeklagten irgendwie aus dem Rathaus habe bugsieren und ihn nach längerer lautstarker Diskussion habe besänftigen können. Was der Mann, der sich selbst als eine Art „Polizist im Rathaus“ bezeichnete, als Zeuge auch bestätigte.

Rechtsanwalt Andreas Trode übermittelte nach der Aussage der pensionierten Sekretärin: „Mein Mandant hat mich ausdrücklich gebeten, mich in seinem Namen bei Ihnen zu entschuldigen.“