Olpe. Von Moos überwallt, zwei Schienen ragen heraus: Das Relikt eines längst untergegangenen Unternehmens gibt vielen Passanten Rätsel auf.
Oft bleiben Spaziergänger am Rundweg um das Vorstaubecken des Biggesees in Olpe stehen und betrachten interessiert ein Stück Mauerwerk, das Rätsel aufgibt. Die meisten gehen angesichts zweier sehr typisch geformter Stahlprofile davon aus, dass das Bauwerk irgendetwas mit der Eisenbahn zu tun hat, die nur wenige Meter weit entfernt zwischen Olpe und Finnentrop pendelt. Doch die Schienen haben nichts mit Eisenbahn zu tun: Was hier nach und nach verfällt und mit Moos überwuchert wird, ist ein Stück Olper Industriegeschichte. Es ist der letzte Rest eines großen Sägewerks, das viele Jahre lang in Olpe für Brot und Arbeit sorgte. Was hier die Zeit überdauert hat, ist der Kopf einer Kranbahn, durch eine Öffnung in der Mitte ist noch das Zahnrad zu sehen, das einst die Zugkette bewegt hat.
Peter Heuell hieß der Unternehmer, der 1885 das einstige Ronnewinkeler Eisenwerk kaufte und vollständig umbaute. Zunächst produzierte er hier Thomasmehl, einen mineralreichen Dünger, und später Holzwolle, mit der Jahrhundertwende baute er den Betrieb zum Sägewerk um. In Ronnewinkel entstand Schnittholz aller Art, aber auch Hausgeräte und Gartenmöbel wurden hier gebaut, hölzerne Waschmaschinen gehörten zum Produktportfolio, unter anderem die „Universal-Rotations-Waschmaschine Rekord Nr. 8“, die „Hebel-Waschmaschine Matador Nr. 3“ und die „Pendel-Waschmaschine Gloria“: laut Prospekt „das Beste und Vollkommenste was auf dem Markte ist“, sowie diverse Wringmaschinen.
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In großer Menge fertigte Heuell Grubenholz, also Stützen für umliegende Bergwerke, später auch Waggonhölzer für den Bau von Eisenbahnwagen. 1935/36 gehörte Heuell zu den wichtigsten Großlieferanten der Deutschen Reichsbahn. 1957 hatte Heuell 90 Mitarbeiter und war damit das größte Sägewerk im Kreis Olpe. Längst reichten die heimischen Wälder nicht, um Heuells Sägen am Laufen zu halten: Die Firma bezog große Mengen Holz aus Skandinavien und der Sowjetunion. Doch als der Biggesee kam, hieß es für Heuell wie für viele andere Menschen, umzusiedeln. Das Werk fand von 1960 bis 1964 einen neuen Standort: die Trift im nahen Olpe. Dort, wo heute der Obi-Markt steht, entstand ein riesiges, modernes Sägewerk mit Anschluss an die Eisenbahnlinie Olpe-Rothemühle. Die Waggons wurden über die Trift rangiert, ebenso wie die Güter für den Stahlhandel Heller & Köster und den Baustoffhandel von Theo Süttmann. Ab Mitte der 1970er-Jahre jedoch gingen die Umsätze zurück, das Sägewerk wurde 1980 geschlossen, die Firma 1984 liquidiert. Die Gleise, die viele Jahre lang Holz vom und zum Sägewerk gebracht hatten, blieben noch lange im Boden liegen. Die Stadt nutzte die Brache zunächst viele Jahre lang als Ausstellungs- und Messegelände.
Auch Großzirkusse waren froh, so zentral in einer Kreisstadt eine Aufstellfläche zu finden. Mit dem Wunsch der Firma Obi, einen großen Neubau zu errichten, kam der Abschied vom Messegelände; das vom Rüblinghauser Schützenverein ausgerichtete Bundesschützenfest 2013 war die letzte große Veranstaltung auf dem Areal, bevor es der Baumarktkette für ihre Umsiedlung diente. An die Firma Heuell erinnert außer einigen Beständen im Stadtarchiv noch die ehemalige Villa des Unternehmers: Unterhalb des Olper Friedhofs gelegen, ist aus ihr nach langem Leerstand eine Seniorenwohnanlage geworden. Und das kleine Stück Mauer am „Bürgermeisterweg“, das sich bislang noch gegen den kompletten Verfall wehrt.