Drolshagen-Gipperich. Schock im 30-Seelendorf Gipperich in Drolshagen. Nach einem Defekt im Trafo der Bigge Energie blieb alles dunkel. Aber bei weitem nicht nur das.

Das kleine 30-Seelendörfchen Gipperich am Rande der Stadt Drolshagen ist ein idyllisches Plätzchen: Saftig grüne Wiesen, bewaldete Hügel, sehenswertes Fachwerk und hier und da eine urige Scheune - kurzum: ein typisches Sauerländer Minidorf. Doch exakt am Freitag, 2. Juni, um 5.45 Uhr war es mit der Idylle vorbei: „Ich weiß die Uhrzeit noch genau“, sagt Alfons Maiworm, „da ging das Licht aus. Und das Drama nahm seinen Lauf“.

Dorfgespräch

Wie sich später herausstellte, hatte es die Trafostation des heimischen Stromnetzbetreibers Bigge Energie getroffen, die mitten im Dorf auf einem Wiesengrundstück steht, und von der ansonsten vermutlich kaum jemand Notiz nimmt. Seit dem 2. Juni spielt das fast quadratische, kleine Häuschen aber eine Hauptrolle im Dorfgeschehen.

Einige Gippericher haben sich zusammengeschlossen, weil sie alle vom Trafoschaden betroffen sind. Die für sie entscheidende Frage: Wer steht für den Schaden gerade?
Einige Gippericher haben sich zusammengeschlossen, weil sie alle vom Trafoschaden betroffen sind. Die für sie entscheidende Frage: Wer steht für den Schaden gerade? © WP | Josef Schmidt

Ludwig und Beate Krämer, ebenfalls vom Trafo-Schock betroffen, haben die kleine innerdörfliche Protestbewegung in die Hand genommen, unsere Redaktion eingeladen und mehr als ein halbes Dutzend Gippericher in ihren Garten eingeladen. „Wir hatten plötzlich auch keinen Strom“, erinnert sich Beate Krämer, die von Nachbarin Andrea Hundt genau das gleiche Malheur bestätigt bekam. In der dörflichen Whatsapp-Gruppe machte die Meldung vom Stromausfall in Windeseile die Runde. Wobei ein kurzer Stromausfall für niemand ein Grund gewesen wäre, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Aber, so Ludwig Krämer: „In fast jedem Haushalt hat es mehrere Elektrogeräte erwischt.“ Mit „erwischt“ ist gemeint, dass die Überspannung im Netz die Geräte zerstört habe - mit immensen und kostenträchtigen Schäden.

Jede Menge Schäden

Die an diesem Nachmittag zusammengetrommelten Gippericher legen los: „Bei uns hat es den Kühlschrank zerschossen“, sagt ein junger Familienvater, „bei uns auch“, fügt ein weitere Betroffener hinzu. Die weitere Aufzählung: Zwei Kaffeemaschinen, ein Geschirrspüler, ein Wäschetrockner, ein nagelneuer Elektroherd, eine Satellitenanlage, mehrere Fernsehgeräte, die Steuerung einer Wärmepumpe, Lampen, Gefrierschränke, die Steuerung einer Fußbodenheizung, die Elektrik einer Hausklärgrube, ein Dampfgarer und so weiter, und so fort. Ludwig Krämer schätzt die Höhe der Schäden, die natürlich von Haus zu Haus sehr unterschiedlich seien, auf bis zu 4.500 Euro im Einzelfall. Bei sieben Gebäuden mit zehn Haushalten, so die Hochrechnung, sei eine Gesamtschadenssumme von über 25.000 bis 30.000 Euro nicht unrealistisch.

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Bleibt die große Frage: Wer zahlt den Schaden? Wie mehrere Gippericher an diesem Nachmittag berichten, habe eine Anfrage bei der eigenen Hausratversicherung ergeben, dass nur bei einem nachgewiesenen Blitzschlag als Grund für die Überspannung die Schäden an den Elektrogeräten getragen würden. Unsere Rückfrage bei der Provinzial in Drolshagen bestätigt das.

Im Transformator wird die Hochspannung von 10.000 Volt auf 380 bis 400 Volt heruntergeregelt, bevor sie in den Haushalten zur Verfügung steht.
Im Transformator wird die Hochspannung von 10.000 Volt auf 380 bis 400 Volt heruntergeregelt, bevor sie in den Haushalten zur Verfügung steht. © WP | Josef Schmidt

Ludwig Krämer erklärt, er sei wie andere Betroffene im Dorf auch, sicher gewesen, dass die Bigge Energie als Betreiber des Netzes und der Trafostation für den Schaden geradestehen müsse. Doch Anrufe bei der Bigge Energie hätten unbefriedigende Antworten hervorgerufen: „Unsere Chancen, wurde mir gesagt, seien sehr gering“, berichtete Simon Schneider.

Urteil des BGH 2014

Ludwig Krämer weist auf ein höchstrichterliches Urteil hin. Der Bundesgerichtshof habe 2014 entschieden, dass Stromnetzbetreiber eine Produkthaftungspflicht im Sinne des Produkthaftungsgesetzes hätten. Dieses Urteil, so Krämer, greife hier.

Dirk Rumpff (Provinzial Olpe) versprach auf unsere Anfrage hin, er werde später detailliert zu dem komplexen Thema informieren.

Die Bigge Energie habe aber letztlich zugesagt, so Ludwig Krämer, den Fall ihrer eigenen Versicherung, die Provinzial in Münster, vorzulegen. „Diese Mail stammt vom 9. Juni, danach und bis heute haben wir nichts mehr gehört. Schweigen im Walde.“ Krämers Fazit „Von der Bigge Energie hätte ich mir ein anderes Krisen-Management erwartet.“

Ursache noch nicht geklärt

Bigge Energie-Geschäftsführer Ingo Ehrhardt erklärte am Mittwoch auf Anfrage unserer Redaktion, dass die genaue Ursache des Trafoschadens in Gipperich am fraglichen 2. Juni noch nicht ermittelt sei: „Das befindet sich noch in der Prüfung. Wir haben den Fall unserer Versicherung, der Provinzial in Münster, weitergeleitet, viel mehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“ Es gebe viele denkbare Möglichkeiten, was die Ursache betreffe, „ein Blitzschlag“, so Ehrhardt, „war es definitiv nicht.“ Das Ergebnis der Ursachenforschung sei relevant für die Reaktion der Versicherung. „Die wollen natürlich wissen, was die Ursache gewesen ist.“

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Zur Kritik aus Gipperich, nach dem 9. Juni keine Nachricht mehr erhalten zu haben, versicherte Ehrhardt, er habe zwischenzeitlich Rücksprache mit der Provinzial gehalten, und die Kunden würden jetzt zeitnah eine Rückmeldung erhalten. Die Gippericher, so Ehrhardt weiter, hätten sich richtig verhalten, den Schaden umgehend gemeldet. Dass sie ihre Schäden gegenüber dem Netzbetreiber geltend machen wollten, sei eine übliche Vorgehensweise.

Techniker schnell vor Ort

Unbestritten sei, so die Gippericher, dass die Techniker der Bigge Energie, an besagtem Freitag schnell angerückt seien und bestätigt hätten, der Trafo sei defekt. Alfons Maiworm, selbst Elektriker: „Gegen Mittag hat ein Techniker gesagt: Wenn wir alles richtig gemacht haben, dann habt Ihr bald wieder Strom.“ Und das sei auch so geschehen.