Lennestadt. Cornelius Mester aus Lennestadt hat sein Abitur mit einem unvorstellbaren Notendurchschnitt geschafft. Warum er sich nicht als Überflieger sieht.
Die Zeugnisse sind verteilt, Schüler und Lehrer freuen sich auf die Ferien. Die einen etwas weniger, weil das Zeugnis nicht so ausgefallen ist, wie gewünscht, die anderen etwas mehr, weil überwiegend Einsen und Zweien auf dem berüchtigten Stück Papier stehen. Cornelius Mester (18) aus Halberbracht hätte demnach Grund für weltrekordverdächtige Jubelsprünge. Denn sein Abitur-Notenschnitt von rechnerischen 0,8, den er auf dem Gymnasium Maria Königin in Altenhundem erreichte, ist das, wovon nicht nur Schüler, sondern insgeheim auch deren Eltern und Großeltern träumen. Während des letzten Schultags in NRW hatten wir Gelegenheit, mit dem „Überflieger“, der er gar nicht sein will, zu sprechen. Wobei wir uns darauf verständigen, dass ich als 64-jähriger Senior den Teenager duzen darf.
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Frage: Ein Notenschnitt von 0,8 im Abitur ist für mich kaum vorstellbar. Wie viele Punkte sind das eigentlich?
Cornelius Mester: Ich habe 865 von 900 möglichen Punkten erreicht. 17 Punkte bedeuten laut meiner Recherche einen Unterschied beim Notenschnitt von jeweils 0,1. 823 bis 840 Punkte sind eine 1,0, 841 bis 858 eine 0,9, und 859 bis 876 eine 0,8. Das ist aber inoffiziell, auf meinem Zeugnis steht 1,0.
Und was für ein Notenschnitt wären 900 Punkte?
Nach meinen Berechnungen 0,67.
Die ich nicht anzweifeln werde. Aber die Frage liegt mir auf der Zunge: Hat das schon jemals jemand geschafft?
Vielleicht ja, aber der oder die ist mir nicht bekannt.
Ist Dein Intelligenzquotient schon mal gemessen worden?
In meiner Kindheit war mal so etwas, genau kann ich mich aber nicht erinnern.
Du hast aber keine Klasse übersprungen?
Nein, ich habe eine normale Schullaufbahn durchlaufen.
Wie würdest Du Dich selbst bezeichnen, bist Du eher der büffelnde Streber, oder fällt Dir einfach alles zu?
Ich bin an vielem interessiert. Als Streber würde ich mich nicht einordnen.
Manche Schüler, ich übrigens auch, müssen alles fünfmal lesen, bis sie sich etwas merken können. Fliegt Dir der Stoff zu, und einmal lesen reicht?
In manchen Bereichen fällt es mir schon leicht, mir etwas zu merken. Gerade, wenn mich etwas interessiert.
Kannst Du ein Beispiel nennen?
In Geschichte habe ich mein mündliches Abi gemacht. Dafür konnte ich etwa 170 Daten auswendig.
Ganz spontan ein Beispiel.
Zum Beispiel, dass die Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 war.
Also hast Du ein ungewöhnlich gutes Gedächtnis?
In manchen Bereichen ja.
Hattest Du schon länger den Ehrgeiz, ein erstklassiges Abitur zu schaffen, oder kam das erst später?
Etwa zu Beginn der Oberstufe hatte ich gedacht, eine 1,0 könnte es werden. Aber der große Ehrgeiz hat mich nicht gepackt.
Warst Du schon in der Unterstufe so gut?
Nein, nicht ganz, so im 1,5er oder 1,7er-Bereich. Wenn man so will, bin ich kontinuierlich immer ein bisschen besser geworden.
Da Dir jetzt alle Wege offen stehen, drängt sich die Frage auf: Was für einen Beruf strebst Du an? Andere Abiturienten, die beispielsweise Medizin studieren möchten, würden Dir Dein Abi wohl gerne abkaufen.
Also Medizin wird es nicht. Ich habe mich für ein Duales Studium in Wirtschaftsmathematik entschieden.
Dual bedeutet, auch bei einem Unternehmen. Welches ist das?
Bei den HDI Versicherungen. Die hat ihre Zentrale in Köln, wo ich erstmal drei Monate arbeite. Das Studium findet dann an der Technischen Hochschule im bayerischen Rosenheim statt.
Welches sind Deine Abi-Fächer gewesen?
Mathematik, Physik, Deutsch, und Geschichte mündlich.
Musstest Du viel pauken, oder hast Du ein besonderes Rezept für den Erfolg?
Ich habe die verschiedenen Klausuren aus den vergangenen Jahren angeschaut und recherchiert, welche Themen kommen häufig dran. Darüber hinaus habe ich versucht, mich in die Prüfer reinzudenken. Das hat ziemlich gut geklappt.
Jetzt habe ich Dich ertappt. Du hast Dir die Prüfungsaufgaben vor der Prüfung aus dem Schulministerium gehackt. Die digitale Kompetenz des Ministeriums ist ja bekanntlich überschaubar.
(Laut lachende Antwort): Nein, nein. Ich bin kein Computernerd. Das kriege ich gar nicht hin.
Kannst Du Mathe-Pflegefällen denn ein paar Tipps zum Erfolg geben?
Ich habe ja auch schon Nachhilfe in Mathe gegeben und den Schülern gesagt: Schaut Euch Videos an. Es gibt unzählige Youtube-Videos, die die Themen auf unterschiedlichste Art erklären. Gerade in Mathe, in Physik weniger. Dadurch bekommen manche Jugendliche einen anderen Zugang.
Aber Lehrer möchtest Du nicht werden?
Nein, das ist schon mein Vater.
Welches ist denn nun Dein Lieblingsfach?
Normalerweise war das immer Mathematik, aber in den beiden vergangenen Jahren eher Physik. Das lag vor allem an unserem Lehrer, der das grandios rübergebracht hat.
Wer ist das?
Matthias Walter. Er hat den Stoff sehr gut vermittelt. Und wir hatten eine tolle Balance aus Lernen und Spaß, zum Beispiel mit Weihnachtsgrillen und Exkursionen. Dazu kam eine wirklich gute Abiturvorbereitung.
Wir haben vorhin über Deine Vor-Abi-Klausuren gesprochen, hattest Du im Abitur auch in allen Fächern 15 Punkte, also eine Eins plus?
Nicht ganz, in Mathematik nur 14 Punkte.
Und ausgerechnet das studierst Du?
Ja, das passt schon.
Hat ein Superschüler wie Du überhaupt noch irdische Hobbies?
Ja klar, Musik zum Beispiel. Ich spiele Saxophon und Klavier, bin in der Feuerwehr und dem Schützenverein. Mache also das, was andere auch machen.
Warst Du denn schon Jungschützenkönig?
Ich habe es dieses Jahr versucht, aber es hat leider nicht geklappt.
Wer derart gute Noten hat, ist vermutlich auch bei Wettbewerben am Start gewesen?
Ja, in Mathematik. In der Qualifikationsphase 1 (Jahrgangsstufe 11, d. Red.) hatte ich mich auf Schulebene für den Kreiswettbewerb qualifiziert und dort gewonnen. Aber auf Landesebene war die Konkurrenz zu stark. Ich hatte den Eindruck, die kümmern sich 24/7 nur um Mathe. Im Frühjahr habe ich noch einen Sparkassenpreis für soziales Engagement bekommen.
Für was?
Ich war Medienscout und Schulsanitäter auf unserer Schule und zuletzt noch Schülersprecher. Außerhalb der Schule war ich Gruppenleiter bei den Messdienern. Da bin ich auch immer noch dabei. Wir haben eine tolle Gruppe in Meggen, Maumke, Halberbracht, machen auch Aktionen für die Kleinen. Zuletzt waren wir noch im Movie-Park, wo ich als Betreuer geholfen habe.
Von einem vergeistigten Nerd bist Du nach meinem ersten Eindruck weit entfernt. Warum ist das so?
Es sind ja nur Noten. Zahlen. Die sagen nichts über meine Persönlichkeit und über meine Zukunft. Ich habe genau so meine Macken wie andere auch.
Ich hoffe, die Frage ist nicht zu intim. Wenn sich ein Mädchen für Dich interessiert, müsste das auch einen Einser-Schnitt haben?
Cornelius antwortet laut lachend: Nein, nein, es sollte nur nett sein, mit mir klar kommen, und ich mit ihr.
Bist Du ein schwieriger Typ?
Ich glaube nicht. Teilweise vielleicht, aber nicht durchgängig.
Wenn Du mit Deinen Eltern eine Abitur-Erfolgszahlung vereinbart hattest, sind die jetzt bettelarm. Oder hast Du das versäumt?
(Lachend) Daran habe ich vorher gar nicht gedacht, wir hatten nichts dergleichen vereinbart. Meine Eltern könnten mir geben, was sie für richtig halten. Ich freue mich über einen Fünfer genauso wie über 100 Euro.
Welches sind Deine nächsten Ziele?
Ich habe jetzt erstmal den Schritt in die Wirtschaftsmathematik gewagt. Aber es ist durchaus möglich, dass ich in ein, zwei Jahren sage, das ist doch nichts für mich und mache etwas anderes. Ich lasse das jetzt erstmal auf mich zukommen.
Bist Du eher der Typ Fernweh, wirst Du also irgendwann in England oder den USA oder sonstwo aufschlagen?
Eher nein. Ich bin gerne in der Heimat, würde mich freuen, wenn ich mal wieder ins Sauerland zurückkehren könnte. Aber ich bin auch an anderen Ländern interessiert. Vielleicht mach’ ich nächstes Jahr mal eine Reise durch Europa. Vor kurzem habe ich bei einem EU-Gewinnspiel ein Interrail-Ticket gewonnen. An sieben Tagen kann ich dann kostenlos in Europa herum reisen.
Ich würde Dir Irland wärmstens empfehlen.
Mit irischen Schülern hätte ich fast ein Austauschjahr gemacht, aber dann kam Corona dazwischen. Die Iren waren zwar bei uns, aber ich nicht mehr in Irland.
Wenn Du bei der Guten Fee einen Wunsch frei hättest, welcher wäre das?
Ganz einfach, dass meine Familie und meine Freunde gesund bleiben. Das ist das Wichtigste.