Oberelspe/Düsseldorf. Der Abgeordnete aus dem Kreis Olpe nach einem Jahr im Landtag über die Erfüllung in seinem neuen Beruf und was er dennoch vermisst.
Seit einem Jahr wird Nordrhein-Westfalen vom Kabinett „Wüst II“ geführt: Nach der Landtagswahl am 15. Mai 2022 bildete sich erstmals in der Geschichte unseres Bundeslandes eine schwarz-grüne Regierungskoalition. Überraschend kurzen Koalitionsverhandlungen folgte ein Koalitionsvertrag, der vor genau zwölf Monaten ausgehandelt wurde.
Mit am Tisch saß damals Dr. Gregor Kaiser, Land- und Forstwirt aus Oberelspe, dessen Abschneiden bei der Wahl dafür sorgte, dass er über einen sicheren Listenplatz einen Sitz im neuen Landtag erhielt. Im Interview blickte er im Gespräch mit unserer Zeitung auf die bewegten zwölf Monate zurück.
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Ein Jahr im Landtag. Hat sich Ihr Leben dadurch verändert?
Gregor Kaiser: Das hat es, und zwar mehr, als ich erwartet hätte. So viel Spaß mir die Arbeit macht, so sehr vermisse ich den Wald und die Freiheit des Selbstständigen. Die Tage der Landtagsabgeordneten sind eng getaktet, und ein wenig vermisse ich die Freiheit, im Alltag selbst zu entscheiden, was man in welcher Reihenfolge angeht.
Haben Sie es bereut, für den Landtag kandidiert zu haben?
Nein, nicht einen Tag. Dazu macht die neue Aufgabe viel zu viel Freude. Es ist eine Erfüllung, an einer solchen Aufgabenfülle arbeiten zu dürfen. Es ist regelrecht schlimm, dass man Terminen absagen muss, weil es einfach nicht passt und man sich nicht teilen kann. Ein Beispiel: die Automotive-Veranstaltung vor einigen Tagen in Olpe, an der ich sehr gerne teilgenommen hätte. Parallel dazu gab es aber eine Veranstaltung im Landtag zu den rechtsextremen Anschlägen in Solingen vor 30 Jahren, zu der ich als Vorsitzender des Integrationsausschuss eingeladen war. Und da an jenem Dienstag weitere Vor-Ort-Veranstaltungen in Düsseldorf waren und mittwochs Plenardebatten anstanden, war es leider nicht möglich, nach Olpe zu kommen. Schon gar nicht mit dem ÖPNV. Und solche Dopplungen gibt es leider fast täglich.
Gibt es etwas, von dem Sie behaupten können, dass es das ohne den Landtagsabgeordneten Dr. Gregor Kaiser nicht oder nicht so geben würde?
Ja, das gibt es in der Tat, und darüber freue ich mich immer noch. Das Sofortprogramm zur Unterstützung von Forstbetriebsgemeinschaften trägt meine Handschrift, das habe ich mit auf den Weg gebracht und möglich gemacht. Es war auch das Thema meiner ersten Landtagsrede im September letzten Jahres. Es ermöglicht, dass die Forstbetriebsgemeinschaften Unterstützung für ihre Geschäftsführung beantragen und sich professionalisieren können.
Wie war das, die erste Rede im Landtag? Für einen erfahrenen Kommunalpolitiker doch eigentlich kalter Kaffee.
Nein, völlig anders als etwa im Lennestädter Rat. Zum einen war ich natürlich aufgeregt, auch wenn es da ein Übereinkommen zwischen den Fraktionen gibt, ein neues Landtagsmitglied bei seiner ersten Rede nicht durch Zwischenrufe oder sowas zu stören. Aber das ist schon eine besondere Atmosphäre, im Zentrum der parlamentarischen Demokratie eines Landes zu sprechen und eine Ehre, das tun zu dürfen.
Aus der Kommunalpolitik in Lennestadt kennen Sie als Grüner die CDU ja eigentlich als geborenen Konkurrenten. Jetzt in Düsseldorf sind Sie nun Koalitionspartner. Ist das sehr ungewohnt?
Ja, aber es geht wirklich gut. In vielen Bereichen, etwa in allen drei Ausschüssen, in denen ich aktiv bin, liegen CDU und Grüne bei vielen Themen gar nicht so weit auseinander. Natürlich muss über vieles diskutiert werden, um einen Kompromiss zu erreichen, aber das ist ja die Grundlage einer Koalition, für beide Seiten erträgliche Kompromisse zu finden. Hinzu kommen aber noch die Ministerien und die Landesregierung, die ja auch immer eingebunden sind. Und da ist es manchmal schwieriger, Übereinstimmung zu erzielen. Zwar bin ich manchmal ungeduldig, dass dadurch manche Dinge nur langsam vorangehen, etwa was die Wiederbewaldung angeht, aber dann führe ich lieber anstrengende Verhandlungen und Gespräche, wenn am Ende etwas Gutes dabei herauskommt, als dass es scheitert.
Wie läuft Ihr Hof weiter? Können Sie sich neben dem Landtag noch darum kümmern?
Natürlich treffe ich alle strategischen Entscheidungen weiter, aber aktiv kann ich derzeit nur sehr, sehr selten noch mit anpacken. Ich habe einen Mitarbeiter mit halber Stelle und eine weitere Teilzeitkraft angestellt, die dafür sorgen, dass der Betrieb weiterläuft. Das Mandat im Landtag hat klare Priorität und schluckt schnell 60 Stunden die Woche.
Sie haben zwar den Fraktionsvorsitz im Rat der Stadt Lennestadt niedergelegt, ihr Ratsmandat aber beibehalten. Warum ist Ihnen das wichtig?
Das ist eine sehr gute Grundlage für die Arbeit im Landtag, den Kontakt zur Basis, zur Region zu pflegen. So erfahre ich auf direktem Weg, was den Kommunen auf den Nägeln brennt und kann Impulse aus dem Landtag vor Ort hineingeben.
Wie oft sind Sie in Düsseldorf?
Anders als im Bundestag, haben wir keine Sitzungswochen. Es gibt ein- bis zweimal im Monat zwei- bis dreitägige Plenarsitzung. Dazu kommen Fraktions- und Ausschusssitzungen, Anhörungen und so weiter. Über’s Jahr bin ich ungefähr die halbe Zeit in Düsseldorf und die halbe Zeit in Lennestadt, im Büro in Olpe oder bei Terminen in ganz NRW vor Ort. Dank der heutigen Technik kann man heutzutage viele Termine auch digital wahrnehmen.
Welche Themen wollen Sie unbedingt noch in dieser Wahlperiode umsetzen?
Das sind mehrere. Wo ich mich sehr einbringen werde, das ist das neue Landesforstgesetz. Derzeit warten wir auf den Bund, der das neue Bundeswaldgesetz erarbeitet. Sobald das vorliegt, sind wir dran. Und das ist ein extrem wichtiges Thema, schon wegen der Herausforderungen der Klimakrise. Ein konkretes Projekt wird sein, ein waldökologisches Institut zu schaffen. NRW hat über eine Million Hektar Wald, aber kein solches Institut. Dabei ist es eine große Herausforderung, zu erforschen, wie der Wald die klimatischen Herausforderungen meistern kann.
Dr. Gregor Kaiser, 48 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern, leistete nach dem Abitur 1994 am Gymnasium der Stadt Lennestadt zunächst Zivildienst am örtlichen Krankenhaus und studierte dann Biologie und Sozialwissenschaften in Bonn. Von 2005 bis 2009 absolvierte er ein Promotionsstudium und promovierte an der Uni Kassel. 2007 übernahm er den elterlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, stellte diesen auf biologische Bewirtschaftung um und lebt hauptsächlich von der Produktion von Weihnachtsbäumen. Er ist Kreissprecher des Grünen-Kreisverbands Olpe, Co-Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Grünen und Mitglied im Landesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).