Kreis Olpe. Freitag, 12. Mai, ist der Tag der Pflege. Was Caritas-Pflegedienstleiter Fabian Henzgen zu den großen Problemen der Pflege sagt.

Am Freitag, 12. Mai, ist der Internationale Tag der Pflege. Während die Pflegekräfte in der kritischen Corona-Phase lautstark beklatscht und wertgeschätzt wurden, ist das Interesse der Öffentlichkeit wieder merklich zurückgegangen. Wir hatten die Gelegenheit, anlässlich des Tages der Pflege mit Fabian Henzgen (40) zu sprechen. Er lernte zunächst Altenpfleger, bildete sich weiter und ist heute Pflegedienstleiter des Caritas-Seniorenzentrums im Gerberweg in Olpe.

Frage: Herr Henzgen, macht ein Tag der Pflege überhaupt einen Sinn?

Fabian Henzgen: Das kommt darauf an, wie man ihn nutzt. Vor einigen Jahren haben wir anlässlich dieses Tages mal mit Protestschildern auf dem Marktplatz für unsere Belange demonstriert. Ansonsten läuft er an einem vorbei wie andere Tage auch, die zu allen möglichen Themen ausgerufen werden.

Was hat Sie bewogen, ausgerechnet diesen Beruf zu ergreifen vor dem Hintergrund, dass die Pflege alter Menschen kein prickelndes Image hat?

Da muss ich ein wenig ausholen. Ich wollte eigentlich Schreiner werden, hätte auch eine Ausbildungsstelle gehabt, aber der Schreinermeister hat mit davon abgeraten, weil er dem Beruf schlechte Zukunfts-Chancen gab. Dann war ich erst einmal ein wenig hilflos, habe noch zwei Jahre Höhere Handelsschule im Bereich Wirtschaft und Verwaltung nachgeschoben. Aber auch da habe ich schnell gemerkt, dass es das nicht für mich ist. Die entscheidende Wende war mein neunmonatiger Zivildienst, den ich hier im Gerberweg gemacht habe. Dort habe ich festgestellt, dass viele Vorurteile über den Beruf unbegründet sind. Im Freundeskreis wird man zwar auf die Schippe genommen, aber ich habe gemerkt, dass der Weg der richtige für mich sein würde.

Und nie bereut?

Bis heute nicht. Das ist mein Ding.

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Haben Sie die Ausbildung dann auch bei der Caritas absolviert?

Nein, mein Entschluss war damals zu spontan, hier war kein Platz frei, so dass ich zur Brücke Südwestfalen in die Lehre gegangen bin.

Heute wäre es vermutlich nicht so, dass alle Ausbildungsplätze belegt sein würden?

Nein, es gibt immer wieder Nachzügler, die wir aufnehmen können. Die Ausbildungsplätze alle zu belegen, ist tatsächlich nicht einfach.

Wie viele Auszubildenden sind momentan hier im Gerberweg?

Zehn Azubis, bei 48 Pflegekräften für den stationären Bereich.

Wie viele Menschen werden hier betreut und gepflegt?

Wir haben 83 Betten. Das ist in der Region Standard, so zwischen 80 und 90 Bettenplätze. In größeren Städten gibt es Einrichtungen mit weit über 100 bis zu 200 Bettenplätzen.

Was gehört zum Aufgabenbereich eines Pflegedienstleiters?

Ich bin unter anderem für das komplette Aufnahme-Management zuständig und fürs Personalmanagement. Ich muss entscheiden, je nach dem körperlichen und geistigen Zustand der Bewerber, wer wie einzustufen ist und bei uns aufgenommen werden kann - oder auch nicht. Für stark demente Menschen, die beispielsweise wegen ihrer Orientierungslosigkeit den Drang haben, das Haus unerkannt zu verlassen, haben wir keine entsprechende Station.

Aber Sie wollten doch eigentlich Pfleger sein, jetzt sind Sie Manager?

Ja, genau. Aber ich bin nicht im Büro angekettet, habe weiterhin Kontakt zu den Menschen. Mit den Angehörigen, mit den Mitarbeitern und mit Bewohnern. Aber die Bewohner hautnah pflegen, das fällt nicht mehr in meinen Bereich. Aber auch das bereue ich nicht.

Ist die Pflege sehr alter, gebrechlicher Menschen nicht eine Tortur, körperlich wie seelisch?

Es ist ein schöner Beruf. Anstrengend ja, auch psychisch. Gerade, wenn es sich um Demenzpatienten handelt. Dazu kommen Schicht- und Wochenenddienste.

Haben Sie selbst Angst davor, irgendwann einmal als zu Pflegender ins Altenheim zu müssen?

Ich habe ja viele Jahre in der Pflege gearbeitet und sage ganz klar: Man kann im Altenheim gut alt werden. Viele Menschen haben Vorstellungen von Altenheimen, die nicht der Realität entsprechen. Ich bekomme immer noch Fragen von Angehörigen gestellt wie: ,Kann ich meine Mutter denn besuchen, mit ihr rausgehen und so weiter? Dann sage ich immer: Ein Seniorenhaus ist kein Gefängnis. Die Menschen haben ihr Zimmer, das ist so etwas wie eine kleine Wohnung. Wir geben zwar Strukturen vor, was die Mahlzeiten betrifft, aber was dazwischen geschieht, kann jeder selbst bestimmen. Jeder, der noch dazu in der Lage ist, kann kommen und gehen, wann er oder sie will.

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Sind Altersheime wegen des stark gestiegenen Altersdurchschnitts fast zu Hospizen geworden?

Der Trend geht in diese Richtung. Schaue ich auf meine derzeitige Warteliste, haben wir es vorwiegend mit der Kriegsgeneration zu tun. Menschen der Jahrgänge 1930 und 40, weniger aus den 50-ern. Und nicht wenige aus den 20-ern.

Wie alt ist die älteste Bewohnerin, Frauen werden ja meist älter?

Ja, eine 102-jährige Frau.

Und das Durchschnittsalter hier im Haus?

Das dürfte bei etwa 85 liegen. Zwei, drei sind noch keine 70, die drücken das Durchschnittsalter. Grundsätzlich stellen wir fest, dass die Wohndauer abnimmt. Wir haben aber Bewohner, die durchaus fünf bis sechs Jahre hier sind. Im Schnitt sind es zwei bis vier Jahre.

Ich nenne mal Stichworte wie Bezahlung, Image, Fachkräftemangel. Welches ist aus Ihrer Sicht das größte Problem der Pflege?

Das ist leicht zu beantworten. Es ist das schlechte Image. Wenn in den Medien über Pflege berichtet wird, dann wird sie schlecht geredet. Gerade während Corona. Corona hat uns nicht geholfen, wie manch einer glauben mag. Es war nur zu hören: Pflege - auweia, absoluter Personalnotstand, jetzt müssen Doppelschichten von 48 Stunden geschoben werden, die Pflegenden brechen zusammen und so weiter. Und wer soll sich vor einem solchen Horrorszenario für den Pflegeberuf entscheiden?

Was hätte während Corona besser laufen können oder müssen?

Der Wust an Bürokratie war unerträglich. Das Testmanagement war kaum zu bewältigen. Wir sollten geschult werden, haben aber nur ein kurzes Video sehen können, und dann hieß es: Ihr seid jetzt geschulte Tester. Wir mussten alles haarklein dokumentieren. Hinzu kam, dass manche Bewohner ihren Besuch vermissten und dadurch abgebaut haben.

Gab es etwas, dass nicht hätte passieren dürfen?

Als wir während heftiger Corona-Ausfälle unter den Pflegekräften bei den zuständigen Behörden nachfragten, wie wir damit umgehen sollten und den Rat erhielten, im Notfall auch kranke Mitarbeiter zurückzuholen, habe ich mir gedacht: Danke für diesen tollen Ratschlag. Da hätte ich mir auch seitens des Landes etwas anderes vorgestellt. Wir hatten das Gefühl, auf uns alleingestellt zu sein.

Ist der Fachkräftemangel ein Thema, das Ihnen den Schlaf raubt?

Der Fachkräftemangel ist da, und er ist auch spürbar. Und Corona hat den Beruf noch unattraktiver in der Öffentlichkeit aussehen lassen. Ein junger Mensch überlegt es sich dann dreimal, in die Pflege zu gehen. Die aktuelle Situation ist schwierig, aber nicht dramatisch. Wir haben Nachwuchs, Auszubildende sind da, aber es dauert schon mal, bis wir unsere Ausbildungsplätze belegen können. Der Markt ist leergefischt. Ich kann mich an ein Beispiel erinnern aus 2021. Wir schrieben eine Stelle aus, und es dauerte ein ganzes Jahr, bis wir eine einzige Bewerbung auf den Tisch bekamen. Und ich fürchte, das wird sich noch zuspitzen.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird also noch zunehmen?

Ja. Es gibt mittlerweile Wochen, in denen ich fünf bis sechs Anfragen pro Tag bekomme. Das ist nicht die Regel. Noch nicht.

Und wie sieht es bei der Kurzzeitpflege aus?

Die Kurzzeitpflegeplätze, die ich hier anbieten kann, sind teilweise ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht. Gerade für die Sommermonate. Ich habe bereits für 2024 Buchungen. Bei kurzfristigen Plätzen ist es schwierig. Aber das ist oft gar nicht selbst verschuldet. Zum Beispiel, wenn eine Krankenhausentlassung in die Kurzzeitpflege münden muss, weil die Pflege zu Hause so spontan nicht machbar ist. Oftmals stehen Angehörige ratlos vor mir und fragen: Was machen wir denn jetzt? Da bleibt mir nur, Kontaktdaten zu anderen Einrichtungen zu geben. Mitunter bleibt nur für die Angehörigen, Pflegeurlaub zu nehmen und selbst zu pflegen.

Also sollte die Zahl an Kurzzeitpflegeplätzen im Kreis erhöht werden?

Theoretisch ja, aber dann stellt sich wieder die Frage nach den Pflegekräften.

Wie sieht es mit Pflegekräften aus dem Ausland aus - vor allem aus Osteuropa, ich denke an Polen, Rumänien, Bulgarien. Überschwemmen solche Pflegerinnen den hiesigen Markt?

Das kann ich bis jetzt nicht feststellen. Wir haben aktuell ein Projekt mit vier Pflegekräften aus Tunesien. Zwei meiner Kolleginnen sind sogar nach Tunesien geflogen und haben dort Vorstellungsgespräche geführt. Das läuft jetzt seit einigen Monaten, verbunden mit einem Intensiv-Sprachkurs. Aber wir stellen schon fest, dass diese Menschen sehr sprachbegabt sind. Ziel ist es, dass sie abschließend ein Examen machen und dann ihre berufliche Anerkennung bekommen, wie jede andere Pflegefachkraft hierzulande auch.

Zur Person

Fabian Henzgen ist ein Olper Junge, ging dort zur Schule, lernte den Beruf des Altenpflegers bei der Brücke Südwestfalen. Nach Stationen bei der Hospitalgesellschaft und im Wohngut Osterseifen kam er 2015 zur Caritas und wurde 2017 Pflegedienstleiter im Seniorenzentrum im Gerberweg in Olpe. Henzgen ist verheiratet und Vater zweier Kinder.