Drolshagen. Enya Jara van der Steen ist 20 Jahre alt und kommt aus Drolshagen-Schürholz. Sie zeigt, dass auch Frauen im Handwerk kräftig anpacken können.
Es vergeht in diesen Wochen und Monaten kaum ein Tag, an dem Politiker oder Handwerks-Funktionäre nicht das Klagelied vom fehlenden Facharbeiter anstimmen. Die Zahl der Sanitär- und Heizungsmonteure, die vor allem für die Energiewende händeringend gesucht werden, wird auf rund 60.000 geschätzt. „Hier ist zumindest eine“, ist man versucht, ihnen ein Fünkchen Hoffnung zu machen. Enya Jara van der Steen heißt sie, ist 20 Jahre alt und hat eine Bilderbuch-Bildungs-Karriere hinter bzw. noch vor sich. Angesichts ihres Werdegangs müssten Arbeitsmarktpolitikern die Freudentränen die ansonsten traurigen Wangen herunter kullern. Denn die junge Frau aus dem kleinen Schürholz beweist, dass beides geht: Abi und Lehre.
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Heizungs- und Sanitärmeister Frank Ackerschott (53), der einen kleinen, für die Sauerländer Provinz typischen Handwerksbetrieb in Sendschotten führt, strahlt übers ganze Gesicht, wenn er auf seinen seltenen Fang angesprochen wird. Selten, weil Frauen in der Sanitär- und Heizungsbranche immer noch eine Ausnahme sind. „In unserer Berufsschulklasse bin ich mit einer Kollegin aus der Gemeinde Kirchhundem die einzige Frau“, lächelt Enya. Dass sie ganz nebenbei zu den Klassenbesten zählt, freut ihren Meister natürlich besonders.
Er selbst darf mit Fug und Recht als „Alter Hase“ in seiner Branche bezeichnet werden. 1987 begann er seine Lehre zum „Zentralheizungs- und Lüftungsbauer“, kurzum das, was im Volksmund auch heute noch als „Klempner“ über die Lippen huscht.
Schnuppertag erster Eindruck
Natürlich brennt die Frage auf den Nägeln, warum eine 19-jährige Frau sich ausgerechnet diesen Männerberuf ausgesucht hat? „Als ich die Sekundarschule Drolshagen besucht habe, fand ein Schnuppertag statt, an dem ein Sanitär- und Heizungsbetrieb mitmachte. Damals war ich 15, merkte aber, dass das für mich ‘was sein könnte. Ich habe schon früher immer gern Handwerkliches gemacht.“
Dass frau im Handwerk mitunter auch mal kräftiger zupacken muss, scheut die 19-Jährige kein bisschen, im Gegenteil: „Auch nicht, wenn es mal ein stattlicher Heizkörper ist.“
Was vielleicht damit zu tun hat, dass Enya van der Steen, die auch niederländische Wurzeln hat, Torfrau beim Rasen-Sportverein Listertal ist.
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Dass sie sich ausgerechnet für Frank Ackerschott und sein bis dahin vierköpfiges Team entschieden hat, hängt mit unterschiedlichen Gründen zusammen: „Das hatte mit Mund-zu-Mund-Propaganda zu tun.“ Zum einen ging der Sohn von Frank Ackerschott auf dieselbe Schule wie Enya, dann fiel ihr beim Vorbeifahren in Sendschotten das große Schild in der Gartenstraße 3 auf. Und der kurze Weg von zu Hause in Schürholz bis zur künftigen Arbeitsstelle spielte auch eine Rolle: „Mit dem Auto bin ich in acht Minuten hier“, grinst die angehende Handwerksgesellin, „da kann man noch ein bisschen länger schlafen.“
26 Männer, zwei Frauen
Heizungs- und Sanitär-Auszubildende Enya van der Steen verdient im ersten Lehrjahr 730 Euro brutto, im zweiten 741 Euro, im dritten 836 und im vierten 893 Euro. Die Ausbildung dauert in der Regel dreieinhalb Jahre.
In ihrem Ausbildungsbetrieb gilt normalerweise die 38-Stundenwoche, los geht es um 7.30 Uhr, Feierabend ist um 16.15 Uhr.
Im aktuellen ersten Ausbildungsjahrgang sind im Kreis Olpe 26 Männer und zwei Frauen vertreten, die zweite Frau ist Julia Oberste-Dommes aus Kirchhundem.
Die genaue Bezeichnung des Lehrberufes lautet Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK). Die Ausbildungszahlen im SHK-Handwerk im Kreis Olpe sind um 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.js
Keine Frage: Der trockene Humor passt zum Sendschotter Betrieb, immerhin ist Meister Frank Ackerschott begeisterter Schalke-Fan, da ist Humor unverzichtbares Element.
Doch zurück zur schulischen Laufbahn der jungen Auszubildenden: Nach der Grundschule in Schreibershof folgte die Sekundarschule mit dem Realschulabschluss und die Frage: Was nun? „Nach der Klasse 10 war ich noch ein wenig unschlüssig und habe gedacht: Mach lieber mal das Abitur.“ Das baute sie dann am Berufskolleg. Statt wie viele andere junge Menschen anschließend den Weg zur Uni zu wählen, folgte die Bewerbung im Handwerk. Wobei Bewerbung fast übertrieben ist: „Eigentlich war es ein Telefonat“, erinnert sich Meister Ackerschott.
„Alle freuen sich auf uns“
Was auch nicht verwundert. Denn die aktuelle Situation in den Baugewerken ist kein Geheimnis: „Geeignete Fachkräfte zu finden, ist ein riesiges Problem, in allen Gewerken.“ Die enorme Nachfrage nach Wärmepumpen, Solarthermie und Photovoltaik habe die Situation zusätzlich verschärft. Was natürlich dazu geführt hat, dass die Wertschätzung gerade für den Heizungsmonteur enorm zugenommen hat. „Alle freuen sich immer, wenn wir kommen“, lacht Enya. Mit ein Grund dafür, dass sie ihren Entschluss nicht bereut hat: „Das hier ist für mich das Richtige.“
Frank Ackerschott macht die besondere Problematik in der Region deutlich: „Gerade hier in der Gegend sind in den vergangenen fünf, sechs Jahren einige hervorragende Fachleute in den Ruhestand gegangen. Die fehlen an allen Ecken und Enden.“ Und das angesichts einer Energiepreisspirale, die die Beratungsaufgabe für das Handwerk nicht einfacher macht. Ackerschott: „Allein die letzte Strompreiserhöhung war ein Schlag ins Gesicht der Wärmepumpen-Umrüster. Die Leute sind momentan total verunsichert.“
Aber das ist schon wieder das nächste Thema.