Olpe/Siegen. Das Gericht verurteilt den Angeklagten wegen der Messerattacke im Olper Obdachlosenasyl zu einer langen Haftstrafe. Es war ein versuchter Mord.

Seit einem halben Jahr sitzt der 50-Jährige in der JVA Attendorn in Untersuchungshaft. Nach dem Urteil des Siegener Schwurgerichtes am Donnerstagnachmittag muss er noch lange im Gefängnis bleiben. Wegen versuchten Mordes in der Olper Obdachlosenunterkunft am 15. Oktober 2022 verurteilte ihn die Kammer zu sechs Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe. Staatsanwalt Rainer Hoppmann hatte fünfeinhalb Jahre wegen versuchten Totschlags gefordert, Verteidiger Marcel Tomczak Freispruch, da es Notwehr gewesen sei.

Der Angeklagte sei 1990 mit seiner Familie aus dem Libanon nach Deutschland gekommen, so die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach. Nach zehn Jahren im Asylantenheim in Soest sei er nach Olpe gezogen. „Er lebt hier unter ganz bescheidenen Umständen. Er hat ein ganz spärlich eingerichtetes Zimmer, das er sich mit einem Onkel teilt“, so Dreisbach. Seit zehn Jahren lebt der 50-Jährige in der städtischen Unterkunft am Stachelauer Weg in Olpe. Hier spielte sich auch die Tat ab.

Rückblende. Kurz nach 18 Uhr sei der 45-jährige Mitbewohner mit über zwei Promille Alkohol im Blut ins Obdachlosenheim zurückgekehrt. Er habe sich über die Lautstärke im Zimmer des Angeklagten geärgert und sei hineingegangen, so die Richterin: „Wir können nicht ausschließen, dass er ihn geschlagen hat.“ Der 45-Jährige sei dann zum Zimmer eines anderen Mitbewohners (33) gegangen, um sich eine Flasche Schnaps zu holen.

Fass war übergelaufen

„Der Angeklagte war sehr verärgert. Für ihn war das Fass jetzt übergelaufen. Er nahm ein Messer und ging hinter ihm her. Der Angeklagte wollte ihn zur Rechenschaft ziehen“, sagte Dreisbach. Dabei sei dem Angeklagten bewusst gewesen, dass er nur eine Chance gegen den körperlich weit überlegenen früheren Kickboxer hat, wenn er ihn mit dem Messer überrascht: „Er hat ihn mit dem Messer in den Rücken gestochen. Dabei nahm er in Kauf, dass er getötet wird.“

Der 45-Jährige sei getaumelt: „Der Angeklagte hat ihm dann zahlreiche Stiche in den Oberkörper versetzt. Er hat stark geblutet und lag regungslos auf dem Boden. Der Angeklagte dachte: Das reicht, der stirbt jetzt.“ Der 50-Jährige habe keinerlei Rettungsmaßnahmen eingeleitet. Beim Verlassen des Hauses habe er das Messer in den Briefkasten gelegt. „Er hat noch gesagt, dass er der Prophet sei“, sagte Richterin Dreisbach. Der 45-Jährige sei lebensgefährlich verletzt worden: „Gott sei dank hat er keine inneren Verletzungen erlitten.“

Das Gericht sei wegen Heimtücke zum Mord gekommen, sagte Dreisbach weiter in der Urteilsbegründung: „Das Opfer war beim Stich in den Rücken arg- und wehrlos. Der Angeklagte war allgemein als ruhiger Typ bekannt und hat sich noch nie körperlich gewehrt. Er hat sich alles gefallen lassen. Das Opfer hat nie damit gerechnet, dass der Angeklagte hinter ihm herkommt und ihn sticht.“

Mordmerkmal Heimtücke

Für den Angeklagten sei diese Messerattacke die einzige Chance gewesen gegen den kräftigen Mitbewohner, der ihn in der Vergangenheit auch schon geschlagen hatte, anzukommen, so die Richterin: „Bei einer Auseinandersetzung Mann gegen Mann wäre er auf verlorenem Posten gewesen. Er hat die Situation ausgenutzt. Deshalb haben wir auf Heimtücke erkannt.“

Dem Gericht sei bewusst, dass das aggressive Verhalten des vor allem unter Alkohol in der Unterkunft ausrastenden 45-Jährigen nicht in Ordnung war, sagte Dreisbach: „Es berechtigt aber niemanden, auch nicht den Angeklagten, ihn mit dem Messer anzugreifen. Außer, er steht vor ihm und will ihm eine donnern. Das war aber nicht so.“

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Es sei eine spontane, wesensfremde Tat gewesen, so die Richterin. Bisher habe der Angeklagte keine Aggressionen gezeigt. Er ist nicht vorbestraft. Auf Nachfrage teilte Verteidiger Tomczak mit, dass er Revision einlegen wird. Staatsanwalt Hoppmann verzichtet auf die Einlegung von Rechtsmitteln.