Kreis Olpe. Immer weniger Kinder können schwimmen. Auch im Kreis Olpe. Carsten Picker von der DLRG gibt Eltern Tipps, wie sie ihren Kindern helfen können.

Die Zahlen sind alarmierend und erschreckend. Viel zu viele Kinder haben nie schwimmen gelernt und schweben bei einem Sturz ins Wasser in akuter Lebensgefahr. Warum ist das so und was sollten Eltern und Familien tun und beachten, damit es gar nicht erst zu einem solchen Szenario kommt?

Kompetente Antworten zu allen Fragen im Zusammenhang mit dem Thema „Kinderschwimmen“ gibt im Interview Carsten Picker. Der 48-Jährige ist Ehrenvorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Oberhundem, stellvertretender Vorsitzender des DLRG-Bezirk Südsauerlands und selbst viele Jahre in der DLRG-Nachwuchs- und Schwimmausbildung aktiv.

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Carsten Picker ist stellvertretender Bezirksvorsitzender bei der DLRG.
Carsten Picker ist stellvertretender Bezirksvorsitzender bei der DLRG. © Privat

Wie viele Kinder, statistisch gesehen, können heute gar nicht schwimmen?

Carsten Picker: Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage der DLRG können 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren gar nicht schwimmen. Als „sichere Schwimmer“ bezeichnen wir Kinder, die mindestens das Deutsche Schwimmabzeichen in der Stufe Bronze erreicht haben. Aktuell haben 37 Prozent der Jungen und Mädchen im Grundschulalter noch gar kein Schwimmabzeichen erworben – auch nicht das auf’s Schwimmen vorbereitende Seepferdchen. (Quelle: www.dlrg.de/forsa2022, die Red.)

Das sind alarmierende Zahlen, warum ist das so?

Dass immer weniger Kinder schwimmen lernen, liegt sicherlich auch daran, dass Schwimmen und ein Schwimmbadbesuch immer mit Zeitaufwand und teilweise auch längeren Fahrten verbunden ist. Nicht jeder hat ein Bad direkt in der Nähe. Damit sind wir dann beim Thema Bäderschließungen. Gerade die kleinen Lehrschwimmbecken sind in der Vergangenheit vielfach geschlossen worden, da die Kommunen die Kosten nicht tragen können. In den verbliebenen Bädern ist es dann schwierig, Zeiten für Schwimmkurse zu bekommen, da die Nachfrage höher ist als die verfügbaren Wasserflächen. Corona hat dann noch ein Übriges dazu beigetragen, so dass auch die Zahl der ehrenamtlichen Übungsleiter und Schwimmausbilder weniger geworden sind.

Ab wann sollte ein Kind überhaupt schwimmen lernen oder können?

Der aus unserer Sicht beste Zeitpunkt zum Schwimmenlernen ist im Alter von fünf bis sechs Jahren, also zwischen Kindergartenende und Eintritt in die Grundschule. Wünschenswert wäre natürlich, wenn jedes Kind, das eingeschult wird, schon schwimmen könnte. Dies würde auch den Lehrkräften in der Grundschule die Unterrichtsgestaltung sehr erleichtern.

Wie bekommen Eltern für ihr Kind einen Platz im Schwimmkurs?

Durch Informieren am besten direkt vor Ort. Zum Beispiel bei einem Besuch im Schwimmbad nachfragen, sich bei der DLRG, den Schwimmsport-Vereinen oder Schwimmschulen im Kreis Olpe nach aktuellen Angeboten erkundigen.

Wenn ein Kind im Wasser ist bzw. zu viel Wasser geschluckt hat und eventuell sogar schon bewusstlos ist - wie verhalten sich Eltern jetzt richtig?

Hier sollte man sich so verhalten, wie man es im Erste Hilfe Kurs mal gelernt hat. Wenn das Kind eine große Menge Wasser geschluckt hat, kann es auch nach längerer Zeit, wenn das Kind schon aus dem Wasser ist, noch zu Beschwerden kommen. Deshalb sollte der kleine Mensch nach einem solchen Ereignis auf jeden Fall beobachtet werden. In diesem Fall ist auch eine Vorstellung beim Arzt ratsam. Wenn das Kind bewusstlos ist, sollte schnellstens der Notruf abgesetzt werden, die Atmung kontrolliert und gegebenenfalls mit der Herz- Lungen- Wiederbelebung begonnen werden. Für Eltern – egal, ob sie es schon sind oder es werden – empfiehlt sich der Besuch eines speziellen Kurses für Erste Hilfe am Kind.

Es heißt, man sollte ein Kind (im Säuglingsalter) einfach ins Wasser werfen, damit es selbstständig schwimmen lernt. Ist da etwas dran, oder schadet das dem Kind?

Kinder einfach ins Wasser werfen war noch nie eine besonders kluge Idee. Das wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gut ausgehen. Also: Auf gar keinen Fall tun.

Was sind die größten Fehler, die Eltern machen können, wenn sie ihrem Kind schwimmen beibringen möchten?

Am besten unterstützen Eltern ihre Kinder, wenn sie mit ihnen regelmäßig ein Schwimmbad besuchen. Dann kennen die Kinder die Umgebung schon einmal, wissen, wie sich das neue Element Wasser anfühlt und verlieren die Angst. Auch in der Badewanne kann man schon mal ein bisschen üben, das Kind abbrausen, vielleicht auch schon mal probieren, das Kind mit dem Gesicht ins Wasser tauchen zu lassen. Beim Schwimmbadbesuch selbst das Kind niemals alleine und aus den Augen lassen. Auch nicht für einen kurzen Moment. Spielen, toben und planschen im Babybecken – gerne mit spritzendem Wasser – sind eine tolle Vorbereitung auf den Schwimmkurs, der dann folgen sollte. Das eigentliche Schwimmen lernen sollte man dann den Übungsleitern und Ausbildern in den Schwimmkursen überlassen. Mit der entsprechenden zuvor genannten Vorbereitung wird der Schwimmkurs dann ziemlich schnell zum Erfolg führen.

Stichwort „Stilles Ertrinken“ - Welche Anzeichen sollten Eltern kennen?

Kinder ertrinken leise. Der Körperschwerpunkt ist auf Grund des im Verhältnis zum Körper großen Kopfes im Brustbereich. Beugt sich also ein Kind über eine Wasserfläche kann es leicht hineinfallen und die noch untrainierte Nackenmuskulatur schafft es nicht den Kopf aus dem Wasser zu heben. Ist der Kopf unter Wasser, verlieren die Kinder die Orientierung und wehren sich nicht gegen das Ertrinken. Sie gehen still unter und rufen nicht um Hilfe. Deshalb sollten Eltern ihre Kinder am und im Wasser niemals aus den Augen lassen.

Ab welcher Klasse findet Schulschwimmen statt und müssen Kinder bis dahin schwimmen können?

Schulschwimmen findet in den Grundschulen meistens ab der 3. Schulklasse statt. Für die Lehrkräfte wäre es eine große Erleichterung, wenn alle Kinder dann schon schwimmen könnten. Das Schwimmen im Rahmen des Schulschwimmens zu erlernen ist aufgrund der knappen Zeiten nicht möglich. Ebenso kommt dort zum Tragen, dass in einer Schulklasse meistens vom Können der Kinder alles dabei ist. Vom Nichtschwimmer mit Angst vor dem Wasser bis hin zu denen, die vielleicht in einem Verein aktiv schwimmen und schon die ersten Schwimmabzeichen besitzen ist da alles in einer Gruppe versammelt. Da kann die Lehrkraft auch mit noch so viel Einsatz nicht mehr allen gerecht werden.

Was kostet ein Schwimmkurs mittlerweile eigentlich?

Das ist stark unterschiedlich und kommt auf den Anbieter, das Schwimmbad und die Kursform an. Als ganz groben Richtwert muss man sicherlich mit etwa 150 Euro für einen Schwimmkurs rechnen.

Worauf sollte man beim Kauf von Schwimmflügel achten? Da sind die Preisunterschiede groß, oder?

Grundsätzlich sollte man darauf achten, dass die Schwimmflügel ein Prüfzeichen aufweisen. Ein GS-Prüfsiegel, welches zum Beispiel vom TÜV vergeben wird und auf den Schwimmflügeln gedruckt ist, ist ein gutes Anhaltszeichen. Generell ist zu beachten, dass die Flügel die Kinder in der Bewegungsfreiheit einschränken und keine Sicherheit gegen Ertrinken bieten, da zwar die Oberarme hoch gehalten werden, das Gesicht aber trotzdem ins Wasser fallen kann. Auch mit Schwimmflügeln sollte man sein Kind nie aus den Augen lassen.

Gibt es weitere Schwimmhilfen, die Sie empfehlen können?

Schwimmhilfen, Auftriebshilfen etc. bieten im Wasser keine wirkliche Sicherheit. Besser ist es, sich mit den Kindern selbst zu beschäftigen, bei Ihnen zu bleiben und mit den Kleinen zusammen die spannende neue Wasserwelt kennen zu lernen. So können sich die Kinder frei bewegen, erleben Auf- und Abtrieb selbst und stellen fest, dass es im Wasser nicht nur vor und zurück, sondern auch mal rauf und runter gehen kann. Und wenn sie dann merken, dass die Erwachsenen aufpassen und nichts passiert, stärkt dies das Vertrauen des Kindes, die Bindung zu den Eltern und erleichtert das Schwimmenlernen später enorm.