Drolshagen/Hünkesohl. Heimatforscher Rudi Alterauge hat einem alten Christuskorpus einen würdigen Platz gesichert. Welch rätselhafte Geschichte dahintersteckt.

Die Geschichte ist mysteriös. Fast ist man versucht, von einem kleinen „Wunder von Drolshagen“ zu sprechen. Auf eben dieses Wunder macht der im Drolshagener Land bestens bekannte Hobby-Heimatforscher Rudi Alterauge aufmerksam. Der 82-jährige ist unter anderem Mitglied der Drolshagener Geschichtswerkstatt, hat aber schon Jahrzehnte ein wachsames Auge auf alles Alte und vor allem auf alles Kirchliche, das droht, in Vergessenheit zu geraten. Jetzt hat er einen über 100 Jahre alten, etwa 15 Zentimeter großen Christuskorpus in Kreuzigungshaltung in der Marienkapelle im Hünkesohl verewigt, damit eine rätselhafte Begebenheit nicht in Vergessenheit gerät. Weitere Hauptrollen spielen in der kuriosen Geschichte neben Alterauge die bekannte Marien-Verehrerin Therese Berg (1861 – 1929) und ein polnischer Forstarbeiter namens Josef. Doch dazu später mehr.

Der Drolshagener Heimatforscher Rudi Alterauge hat für die Jesusfigur mit Hammer und Meißel eine Grauwacke gefertigt.
Der Drolshagener Heimatforscher Rudi Alterauge hat für die Jesusfigur mit Hammer und Meißel eine Grauwacke gefertigt. © Josef Schmidt

Den Korpus aus stark rostigem Metall hat Alterauge vor einigen Monaten auf einer Scheibe aus Grauwacke befestigt und in den Stein eingraviert: „Gefunden bei Forstarbeiten – er war der erste Anlaufpunkt der Beterin von Hünkesohl, Theresia Berg“.

+++ Lesen Sie auch: Junge Frau unterstützt ALS-Forschung mit selbstgemachten Kalendern +++

Rückblende: Im Frühjahr des Vorjahres hatte der Sohn von Rudi Alterauge, Michael Alterauge, der ein forstwirtschaftliches Service-Unternehmen führt, alte Fichten in der Nähe der Waldkapelle Hünkesohl fällen lassen. Mit dabei besagter Josef aus Polen. Kurz nachdem der Forstarbeiter eine gewaltige Fichte, sicherlich älter als 100 Jahre, gefällt hatte und den Stamm entasten wollte, entdeckte er im letzten Moment etwas Metallenes, das er fast eingesägt hätte. Es war der kleine Christuskorpus, der, wie es die Forstleute sagen, „überwallt“, also zugewachsen war.

Ein reiner Zufall, dass der Waldarbeiter offenbar im letzten Moment den Korpus entdeckte und einhielt. Ebenso ein Zufall, dass Rudi Alterauge den Fund mitbekam, wo er in historisch sicheren Händen war. Rudi Alterauge, der sogar schon einmal einen alten, zerschlagenen Kreuzweg ausbuddelte und versuchte, ihn wieder zusammenzusetzen, nahm sich des klerikalen Kleinodes an und setzte seine Idee in die Tat um, dem rostigen Jesus einen würdigen Platz in der Hünkesohl-Kapelle zu geben.

In diese riesige Fichte war die kleine Jesusfigur eingewachsen. Ein polnischer Waldarbeiter entdeckte den metallenen Christuskorpus sozusagen in letzter Sekunde.
In diese riesige Fichte war die kleine Jesusfigur eingewachsen. Ein polnischer Waldarbeiter entdeckte den metallenen Christuskorpus sozusagen in letzter Sekunde. © Josef Schmidt

Dass der Heimatforscher auch Vermutungen anstellte, wie der kleine Jesus in die Fichte geraten sein könnte, liegt nahe. Er ist sich sicher: „Therese Berg hat diesen Jesus an der damals noch jungen Fichte angebracht, und irgendwann ist er in Vergessenheit geraten.“ Nur noch schwer zu recherchieren ist die exakte Höhe, in der der Metallkorpus seinerzeit am Baum befestigt wurde. Michael Alterauge meinte auf unsere Anfrage hin, der Jesus sei in etwa drei Metern Höhe eingewachsen. Als der Baum im Frühjahr 2022 gefällt worden war, hieß es sogar, die Jesus-Figur habe sich im oberen Teil des Baumes befunden.

Die Geschichte von Theres Berg und der Waldkapelle Hünkesohl ist umfangreich festgehalten worden. Jeder Wanderer im Hünkesohl kann sich informieren.
Die Geschichte von Theres Berg und der Waldkapelle Hünkesohl ist umfangreich festgehalten worden. Jeder Wanderer im Hünkesohl kann sich informieren. © Josef Schmidt

Schwer zu glauben. Wir befragten einen Fachmann, Forstingenieur Fred Josef Hansen aus Kirchhundem. Und der versicherte: „In der Höhe, in der der Jesus-Korpus seinerzeit vermutlich mit einem Nagel befestigt worden ist, ist er auch verblieben. Etwas so Befestigtes wächst nicht, wie mancher Laie vermuten würde, mit dem Baum in die Höhe.“ Der Jesus geriet also vermutlich in Brusthöhe in Vergessenheit und wurde mehr als 100 Jahre später in seinem Naturversteck entdeckt. Vom polnischen Waldarbeiter Josef.

Die Geschichte von „Berges Thres“

1861 wurde in Drolshagen Therese Berg geboren. Die fromme Frau fand beim Holz sammeln im Hünkesohl ein kleines zerknittertes Marienbildchen, das sie aufhob, es mit einer Haarnadel an einen Baum heftete und immer wieder dorthin zum Beten zurückkehrte.

Später tauschte sie Bildnis gegen eine Muttergottesstatue - der erste Marienaltar war entstanden. Therese Berg starb 1929 mit 68 Jahren.

Der Drolshagener Soldat August Bone gelobte während des 1. Weltkrieges, wenn er gesund nach Hause komme, würde er die einfache Anlage im Hünkesohl ausbauen und pflegen.

1919 errichtete er mit Helfern aus Birkenstämmen ein kleines Kapellchen mit einem Strohdach. 1934 wurde die Marienstatue durch eine Relieftafel mit der Darstellung der Mater ter admirabilis nach dem Schönstatter Vorbild aufgestellt.


Mitte der 50-er Jahre widmete sich die Kolpingsfamilie einem Neubau in Form einer Blockhütte.

2003 fiel die Kapelle Vandalen zum Opfer, und die Kolpingsfamilie und der St. Clemens Schützenverein mussten den Wiederaufbau in Angriff nehmen.

Rudi Alterauge erinnert in diesem Zusammenhang noch einmal an Therese Berg, die vor allem für die jüngeren Drolshagener eher unbekannt sein dürfte: „Sie verehrte Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts die Gottesmutter Maria, von der sie im Hünkesohl ein zerknittertes Bild gefunden hatte und seither immer wieder hierhin zurückkehrte und betete.“ Und eben auf diesem Fußmarsch, ist Alterauge überzeugt, habe die „Beterin vom Hünkesohl“ den kleinen Jesuskorpus an der Fichte befestigt, die genau auf ihrem Weg gelegen habe.

Was lag jetzt näher, als die Grauwacke mit der kleinen Jesusfigur genau neben der Gedenktafel von Therese Berg zu verewigen? Der Beterin vom Hünkesohl, da besteht kein Zweifel, hätte das gefallen.