Kreis Olpe. Obwohl der Kreis Millionen in den Ausbau der Kindergärten investiert, bleiben die Plätze knapp. Die Gewerkschaft spricht schon vom Notstand.

Überall im Kreis Olpe stehen Kindernamen auf langen Wartelisten. Betreuungsplätze in Kindertagesstätten sind rar gesät. Laut Zahlen des Kreises hätten in Attendorn sofort 22 Kinder Bedarf, in Drolshagen 16, in Finnentrop 45, in Kirchhundem 36, in Lennestadt 45, in Olpe 81 und in der Gemeinde Wenden 49. In Wahrheit sind die Listen der Kindergärten noch viel länger, melden viele Eltern ihren Nachwuchs doch oft zeitgleich in zwei, drei oder vier Einrichtungen an in der Hoffnung, irgendwo eine Zusage zu bekommen. Die Zahlen des Kreises sind um diese Mehrfach-Anmeldungen bereinigt. Summa summarum macht dies 294 Plätze. Tendenz: steigend. Daher fiel am Montag im Kreisausschuss einstimmig die Beschlussempfehlung, weitere 245 Plätze zu schaffen. Der Kreis tut dies, indem er die Träger von Kindertageseinrichtungen großzügig fördert, wenn sie um-, an- oder neu bauen.

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231 der Plätze sollen für Kinder unter drei Jahren, 14 für Ü-3-Kinder reserviert sein. Bei den Planungen geht das Kreisjugendamt inzwischen davon aus, dass für 45 Prozent der U3- und für 100 Prozent der Ü-3-Kinder Kindergartenplätze dasein müssen. Dabei nimmt der Kreis Olpe ordentlich Geld in die Hand: Von 2017 bis 2022 flossen 10,8 Millionen Euro Kreismittel in den Ausbau. 2023 stehen weitere 8 Millionen Euro in den Plänen. Zusätzliche 2,6 Millionen Euro werden 2024 und 2025 fällig.

Kuh noch lange nicht vom Eis

Doch ist damit die Kuh noch lange nicht vom Eis. Landrat Theo Melcher (CDU): „Nach wie vor fehlen Plätze für die Jüngsten in unserer Gesellschaft.“ Die Frage sei aber nicht mehr das Geld, „sondern das Personal“. Es werde immer schwerer, Fachkräfte zu finden, ohne die eine Kinderbetreuung nicht möglich ist. Wolfgang Hesse (CDU) unterstrich die Worte des Landrats: „Wir begrüßen den Ausbau und bedauern, dass es nach wie vor nicht gelingt, jedem zumindest in einer nahe gelegenen Einrichtung einen Platz anzubieten.“ Fred Hansen von den Grünen machte einen Vorschlag: „Das Programm erreicht viel, aber bei weitem nicht das, was wir erreichen müssen. Anderswo werden Interimslösungen etwa durch Container geschaffen, müssen wir da nicht auch dran?“, räumte aber gleich ein: „Wenn es aber am Personal hängt, ist das ja sinnlos.“ Und hier tut sich ein Problemfeld auf, das seine ganze Folgenschwere erst in der nahen Zukunft zeigen wird.

So sieht es auch Michael Stratmann, Geschäftsführer der Kath. Kindertageseinrichtungen Siegerland-Südsauerland gGmbH. „Wenn es noch mehr Kita-Plätze gibt, wird sich die Personalsituation weiter verschärfen.“ Die gemeinnützige GmbH sucht deshalb weiterhin Fachkräfte, trotz intensiver Ausbildung in den vergangenen Jahren. Derzeit hat die Trägergesellschaft aller kirchlichen Kitas im Kreis Olpe eine Kita-Leitung und acht Vollzeitstellen für Erzieherinnen oder Erzieher an verschiedenen Kita-Standorten im Kreis ausgeschrieben und bietet darüber hinaus 20 Plätze für Erzieherinnen oder Erzieher im Anerkennungsjahr an elf Standorten zum 1. August 2023 an, von denen noch einige zu vergeben sind.

Verdienen ab erstem Ausbildungsjahr

Zwar habe sich in den letzten Jahren einiges zum Positiven gewendet, so verdienen angehende Erzieherinnen oder Erzieher in der praxisintegrierten, also dualen Ausbildung (drei Tage Kita, zwei Tage Schule pro Woche) ab dem ersten Ausbildungsjahr mehr Geld als zum Beispiel Industriekaufleute in Ausbildung. Das Grundproblem aber bleibe: „Wir brauchen eine stärkere Lobby für soziale Berufe“, so Michael Stratmann. Nur so ließen sich die Rahmenbedingungen im Kern verändern. Die Arbeitsbelastung für die Erzieherinnen sei zu groß, deshalb würden immer wieder auch Fachkräfte dem Beruf den Rücken kehren.

Michael Schnippering, Gewerkschaftssekretär bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft („Verdi“), bestätigt dies: Immer mehr Druck sorge dafür, dass Erzieherinnen und Erzieher den Kindertagesstätten den Rücken kehrten. „Da ist oft einfach die Batterie leer“, so Schnippering. Jede ausscheidende Fachkraft sorge für weitere Mehrbelastung der verbleibenden Kräfte. Die Situation sei auch in Südwestfalen schon so weit, dass man von einem Notstand sprechen müsse. „Da werben sich die Träger die Erzieherinnen gegenseitig ab.“ Letztlich helfe nur, den Beruf generell attraktiver zu machen, einerseits durch eine höhere und damit für einen so wichtigen Beruf angemessene Bezahlung, zum anderen auch durch mehr Wertschätzung und einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft. „Wir liegen der Landesregierung mit diesen Anliegen schon seit Jahren in den Ohren“, so Schnippering, einiges sei auch erreicht worden, doch geschehen sei insgesamt noch viel zu wenig.