Attendorn/Siegen. In dem Fall des versteckten Mädchens aus Attendorn gibt es eine Wende. Im Visier der Ermittler steht jetzt eine Ex-Mitarbeiterin des Jugendamtes.
Im Fall um ein jahrelang verstecktes Mädchen aus Attendorn ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt gegen eine ehemalige Jugendamtsmitarbeiterin, die für den Fall zuständig war. Entsprechende Informationen bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen der Deutschen Presse-Agentur.
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Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst allgemein im Jugendamt des Kreises Olpe ermittelt. Inzwischen richtet sich das Verfahren gezielt gegen die Sachbearbeiterin (66), die mittlerweile im Ruhestand ist. Sie steht unter dem Verdacht der Freiheitsberaubung und Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Nach dpa-Informationen soll sie trotz anonymer Briefe und Hinweise keine tieferen Recherchen angestellt haben.
Fast ein Jahr später wieder kontaktiert
„Die Mitarbeiterin ist mittlerweile im Ruhestand. Noch bis Anfang 2022 war sie aber im Amt und für das Verfahren zuständig. Wir ermitteln jetzt, ob und inwieweit sie früher hätte handeln müssen oder können“, sagte Siegens Oberstaatsanwalt Patrick Baron Von Grotthus am Donnerstagnachmittag auf Anfrage dieser Redaktion. Es handele sich aber nur um einen Anfangsverdacht, der sich aus der Zuständigkeit der Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes Olpe ergebe: „Das heißt nicht, dass sie überführt ist oder angeklagt wird.“
Es würden nun weitere umfangreiche Untersuchungen durchgeführt und auch weitere Zeugen gehört. Die Staatsanwaltschaft habe rechtzeitig die Akte des Jugendamtes sichergestellt und ausgewertet, so Von Grotthuss: „Es gibt Geschäftsverteilungspläne, aus denen ersichtlich ist, wer wann zuständig und verantwortlich war. Das Jugendamt hatte selber eingeräumt, dass es Defizite bei der Dokumentation gab.“
Die Ermittlungen hätten ergeben, dass es hinsichtlich des Führens der Akte „nicht ganz so optimal“ gelaufen sei, so der Oberstaatsanwalt. Dinge seien nicht so dokumentiert worden, wie es sein müsse: „Es gibt viele Notizzettel-Vermerke, die man nicht entziffern kann.“
„Da gibt es keinen Anfangsverdacht“
Aufgrund eines anonymen Hinweises habe es im Oktober 2021 ein Telefonat zwischen dem Jugendamt und der Polizei gegeben, so der Oberstaatsanwalt weiter. Es werde aufgeklärt, was in diesem Telefonat gesagt worden sei. Das Gespräch habe aber ein anderer Mitarbeiter des Jugendamtes geführt. Auf Nachfrage sagte Patrick Baron Von Grotthuss, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn nicht ermittelt: „Da gibt es keinen Anfangsverdacht.“ Die damals Achtjährige war erst im September 2022 befreit worden.
Die Ermittlungen gegen die Kindesmutter und die Großeltern würden weiterhin laufen, so Oberstaatsanwalt Von Grotthuss. Die Mutter soll das Kind über Jahre im Haus der Großeltern in Attendorn versteckt haben.
Zur Frage, wie lange die Ermittlungen noch dauern werden, sagte Von Grotthuss: „Das kann man überhaupt nicht absehen. Es gibt noch keine Erklärung des Ergänzungspflegers. Wenn wir da weiter kämen, könnten wir in die Vollen gehen. Dann könnte das Kind begutachtet werden, ärztliche Unterlagen könnten beigezogen werden. Vielleicht könnte das Kind dann auch in Begleitung eines Sachverständigen befragt werden.“
„Das ist eine ganz heikle Nummer“
Derzeit wisse man nicht, ob das Kind überhaupt eine Aussage machen wird, ob es geistig dazu in der Lage sei und ob es das wolle. „Das ist eine ganz heikle Nummer“, meinte der Oberstaatsanwalt. Ihm sei gesagt worden, dass das Kind ängstlich und sehr zurückhaltend sei.
„Es ist nicht einfach, einen Zugang zu dem Kind zu bekommen. Es hat überhaupt keine Erfahrungen mit fremden Menschen. Das ist eine hohe Hürde“, so Patrick Baron Von Grotthuss. Und: „Es fehlen gewisse soziale Kompetenzen. Die kann man nicht von jetzt auf gleich nachholen. Der Ergänzungspfleger braucht Zeit, um einen Zugang zu dem Kind zu bekommen. Das ist keine einfache Geschichte.“
Auf Anfrage dieser Redaktion gab der Kreis Olpe am frühen Donnerstagabend zu den neuen Entwicklungen im Fall des versteckten Mädchens folgende Stellungnahme ab: „Der Sachverhalt ist bekannt, aus der Sicht des Kreises Olpe gibt es keine neuen Erkenntnisse. Die strafrechtliche Bewertung ist Sache der Staatsanwaltschaft.“