Olpe/Lennestadt. Ein Mann steht vor Gericht, weil er seine Großnichte im Schlaf missbraucht haben soll. Warum er trotzdem nicht ins Gefängnis muss.

Es war ganz knapp für den Angeklagten. Um Haaresbreite hätte er ins Gefängnis gemusst. Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern hatte Staatsanwalt Fabian Glöckner zweieinhalb Jahr Freiheitsstrafe gefordert, die der Mann hätte absitzen müssen. Das Schöffengericht Olpe verhängte am Ende jedoch zwei Jahre Freiheitsstrafe, die höchste Strafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Als Auflagen muss der Angeklagte 150 Sozialstunden erledigen, zudem erteilte ihm Richter Peter Krumm ein Kontaktverbot zu allen Mitgliedern der Familie, in der die Tat geschah.

Laut Anklage sollte der Großonkel zwischen April und 15. Juni vergangenen Jahres in Lennestadt ein achtjähriges Mädchen missbraucht haben. Die Eltern hatten dem Mann erlaubt, auf einer Matratze im Kinderzimmer zu übernachten. In einem Hochbett schlief unten die Achtjährige neben ihrer jungen Schwester. In der Nacht soll der Großonkel dann von der Matratze aufgestanden und zu dem Mädchen gegangen sein. Staatsanwalt Glöckner sagte in der Anklage, dass der Mann das Mädchen im Intimbereich unter den Schlafanzug gefasst habe: „Das Alter war ihm bekannt.“

Vorwürfe bestritten

Der Großonkel wies jede Schuld von sich: „Ich habe da alle zwei Wochen übernachtet, aber ich habe das Kind nie im Leben angepackt. Es ist mir bis heute unklar, wie sie darauf kommt. Wir haben uns immer gut verstanden. Ich habe den beiden Mädchen nur einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wangen gegeben.“

„Die beiden Mädchen haben ein Riesenzimmer. Deshalb haben wir da eine Gästematratze. Wir hatten mit ihm viel Kontakt, wir haben uns super verstanden Er hat öfter bei uns geschlafen“, berichtete die Mutter. Am 15. Juni 2022 sei sie dann stutzig geworden. Erst habe sie sich nichts dabei gedacht, als ihre Tochter gefragt habe, ob sie oben im Hochbett schlafen könnte. Als sie erfuhr, dass der Großonkel die nächste Nacht im leeren Zimmer der Söhne verbringen würde, habe ihre Tochter plötzlich gesagt, dass sie doch unten im Hochbett schlafen wolle: „Ich wollte von ihr wissen, warum sie sich umentschieden hat. Ich habe sie gefragt, was los sei. Sie hat sich komisch verhalten. Es hat gedauert, aber irgendwann hat sie es dann gesagt.“

Zwei Stunden lang habe sie mit ihrer Tochter geredet: „Sie hat erzählt, dass er manchmal abends ans Bett kommt und sie anfasst. Dabei zeigte sie mit der Hand zwischen ihre Beine. Unsere Tochter hat noch nie gelogen. Sie ist niemand, die sich irgendwelche Geschichten aus den Fingern saugt.“

Sie sei dann sofort zu dem Großonkel gegangen: „Ich habe ihm gesagt: Komm, auf, du kannst gehen. Ohne etwas zu sagen hat er sich angezogen. Er hat nicht nachgefragt.“ Am Tag danach erstattete die Mutter Anzeige bei der Polizei.

Glaubhafte Zeugin

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hörte das Gericht das Mädchen als Zeugin. Die Achtjährige schilderte den Missbrauch durch den Großonkel, wie bereits bei der Polizei. „Sie ist voll umfänglich glaubhaft. Das wird bestätigt durch die Mutter. An dem Abend war ihr das Verhalten ihrer Tochter aufgefallen“, meinte Staatsanwalt Glöckner. Für den Angeklagten spreche nichts. Er habe dem Mädchen durch ein Geständnis nicht die Aussage erspart: „Er hat das Vertrauensverhältnis ausgenutzt.“

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Der Verteidiger forderte einen Freispruch: „Mein Mandant ist schockiert über die Vorwürfe, die ihm gemacht werden.“ Die zwei Jahre zur Bewährung seien angemessen, meinte Richter Krumm. Der Angeklagte sei bisher nicht vorbestraft und habe bei der Vernehmung des Mädchens freiwillig den Gerichtssaal verlassen. Allerdings habe er auf der anderen Seite das Vertrauensverhältnis ausgenutzt: „Die Situation, dass er hier übernachten durfte, hat er ausgenutzt.“