Rahrbach. Die Rehaklinik für Kinder und Jugendliche mit Essstörungen in Rahrbach hat jetzt alle Zulassungen. Was die jungen Patienten dort erwartet.

Eigentlich sollte das Gesundheitscamp in Kirchhundem-Rahrbach, die neue Rehaklinik für adipöse Kinder und Jugendliche im früheren Josef-Gockeln-Haus, schon im Frühjahr letzten Jahres eröffnen. Dann zog sich das Zulassungsverfahren lange hin und einige Mitarbeiter verließen das Team, noch bevor es losging. Doch das ist Schnee von gestern. Jetzt sind die ersten jungen Patienten da, um in den nächsten Wochen Kilos zu verlieren und Erkenntnisse über gesunde und nachhaltige Ernährung zu gewinnen.

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Zehn Kinder im Alter von 11 bis 15 Jahren aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachen „wohnen“ nun als erste Patienten in dem komplett sanierten Gebäude. Es ist im Moment die einzige Gruppe in Rahrbach, die nächste soll im Februar folgen. „Wir fangen bewusst mit wenigen Gruppen an“, sagt Dr. Elmar Bergmann, ärztlicher Geschäftsführer, der das Klinikkonzept maßgeblich mitentwickelt hat. Der Klinikbetrieb soll langsam hochgefahren werden, bis Ende des Jahres auf 50 und letztlich bei voller Belegung auf 100 Kinder, damit sich alles gut einspielen kann. Denn auch für die derzeit rund 30 Mitarbeiter sei der Klinikbetrieb neu und spannend.

Zur ersten Gruppe gehört Falko aus NRW: „Es ist gut hier, aber der Terminplan ist ganz schön voll“, sagt der 13-Jährige, dem besonders die Sporttherapie gefällt. Bereits um 8 Uhr in der Früh beginnt das feste Tagesprogramm: Sport, Schulunterricht, Ernährungskunde, psychologische Gespräche, u.a. mit Antiaggressionstraining, etc. Hört sich ziemlich theoretisch an, ist es aber nicht. Sport und Bewegung, dazu gehören auch Spaziergänge oder eine Schnellballschlacht, virtuell gesteuerte Bewegungsspiele in der Mehrzweckhalle, dazu viel „Lernen durch Ausprobieren“. Es wird grundsätzlich gemeinsam frisch gekocht und gegessen.

Die erste Patientengruppe im Gesundheitscamp, teilweise mit Eltern, am großen Tisch des Speisesaals mit der ärztlichen Leiterin Dr. Senta Lauterjung (rechts) und Geschäftsführer Dr. Elmar Bergmann (Vierter von rechts).
Die erste Patientengruppe im Gesundheitscamp, teilweise mit Eltern, am großen Tisch des Speisesaals mit der ärztlichen Leiterin Dr. Senta Lauterjung (rechts) und Geschäftsführer Dr. Elmar Bergmann (Vierter von rechts). © WP | Volker Eberts

„Für Kinder, die sich vorwiegend von Fastfood ernährt haben, ist Kindererbsen-Curry zunächst eine Herausforderung“, so Dr. Bergmann. Manche Kinder hätten in ihrem Leben auch noch nie frischen Fisch gegessen. Aber auch Gulasch mit Kaisergemüse und Spätzle oder die Pita-Tasche mit Gyros stehen auf dem Speiseplan, natürlich fettarm zubereitet und mengenmäßig dosiert. „Die Stimmung in der Gruppe ist gut“, sagt Peter Malburg, Vertreter der Holding in der Geschäftsführung, der früher bei CJD Deutschland tätig war und langjährige Erfahrungen aus der Kinder- und Jugendhilfe mitbringt.

Handys werden eingesammelt

Den ersten Schock, dass die jungen Patienten tagsüber ihre Handys abgeben müssen, hätten die meisten schnell verdaut. „Viele Kinder haben eine elektronische Mediennutzung zuhause von mehr als sechs Stunden am Tag,“ so Malburg. Ein Verhaltensmuster, das es ebenfalls zu ändern gilt. Auch deshalb gibt es an den Wochenenden ein buntes Unterhaltungsprogramm.

Mindestens vier Wochen bleiben die Kinder im Camp. „Wir streben aber sechs Wochen an, weil die stationäre Behandlung erwiesen die bessere Therapie ist“, so Dr. med. Senta Lauterjung. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin ist Ärztliche Leiterin der Klinik. Einige Kinder haben ihre Eltern mitgebracht. Diese durchlaufen ein abgespecktes Programm mit Sport und Ernährungstipps, „damit sie nicht zuhause direkt in die alten Verhaltensmuster zurückfallen. Wir wollen langfristig das Ernährungsverhalten ändern“, so Dr. Bergmann. Deshalb werden die Patientenfamilien nach spätestens einem Jahr kontaktiert, eine Art Erfolgskontrolle. Auch ein wiederholter Aufenthalt in Rahrbach sei möglich, denn „wenn Kinder bei uns fünf bis sechs Kilo verlieren, sind sie noch lange nicht gesund“, so Bergmann.

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„Rehafähig“ für das Gesundheitscamp sind Kinder und Jugendliche, wenn sie mindestens acht Jahre alt sind, lesen und schreiben können. Bei Kindern wird die Gewichtsklassifikation nach dem BMI-Percentil-Wert berechnet: Bei einem Wert über 90 gelten Kinder und Jugendliche als übergewichtig, ab 97 als adipös.

„Es gibt über eine Million betroffene Kinder in Deutschland, aber nur die wenigsten werden in Spezialkliniken wie bei uns behandelt“, so Bergmann, der von dem Erfolg des Konzepts überzeugt ist: „Wir haben ein hochmotiviertes und kompetentes Team und sind von der Deutschen Rentenversicherung und generell von allen Rentenversicherungsträgern in Deutschland jetzt zugelassen und anerkannt.“ Weitere Kliniken, unter anderem in der Eifel und im Bergischen Land, sind im Aufbau oder in Planung.

Infos:

Die Therapie im Gesundheitscamp Rahrbach fußt grundsätzlich auf den vier Säulen Gesunde Ernährung, Sport und Bewegung, Psychologische Betreuung und pädagogischer Alltagstransfer.

Ziel ist die nachhaltige Verhaltensänderung der Patientinnen und Patienten insbesondere bei Speisen und Getränken.

Um den Betreuungsschlüssel mit wachsender Patientenzahl aufrecht zu erhalten sucht die Klinik in Kirchhundem-Rahrbach weiteres Fachpersonal, u.a. Sozialpädagogen und aus dem Bereich Krankenpflege.

Nähere Informationen zu der Gesundheitseinrichtung gibt es unter gesundheitscamp-kirchhundem.de.