Fretter. Bei Maxam in Fretter sind besondere Fahrzeuge im Einsatz, die die Steinbrüche der Region anfahren. Am Steuer sind echte Allrounder gefragt.
Es sind ungewöhnliche Lkw, die täglich in den Hallen der Firma Maxam Deutschland GmbH im Industriegebiet Kalkwerkstraße in Fretter beladen werden und von hier ihre Touren aufnehmen. Die strahlend weißen Lastwagen fallen durch den seltsamen Aufbau auf, außerdem durch gleich mehrere Gefahrgutschilder an den Seiten. Streng genommen sind es auch keine Lastwagen, sondern, wie aufgrund der grünen Nummernschilder zu erkennen, selbstfahrende Arbeitsmaschinen, die für die Firma Maxam unterwegs sind. „Mischladefahrzeug“ ist die genaue Bezeichnung der Vierachser, die von Männern gesteuert werden, die wahre Multitalente sind. Denn sie brauchen nicht nur den für schwere Lkw nötigen Führerschein, sondern auch Zusatzqualifikationen für das Fahren von Gefahrgut und nicht zuletzt den Umgang mit Sprengstoff.
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Denn Maxam ist einer der weltgrößten Sprengstoff-Hersteller und die Mischladefahrzeuge sind eine Besonderheit, die den Einsatz von Sprengstoffen in Steinbrüchen revolutioniert hat. In verschiedenen Tanks an Bord des Lkw sind die Komponenten geladen, die erst vor Ort, im Steinbruch oder auf der Großbaustelle, zu Sprengstoff angemischt werden. Der Haupteinsatz der Fretteraner Fahrzeuge sind Steinbrüche in einem Umkreis von rund anderthalb Fahrstunden. Markus Winter ist einer der Männer, die einen der fünf Mischlader steuern. „Operator mobile Produktion“ ist seine offizielle Bezeichnung, denn er muss viel mehr als das Spezialfahrzeug fahren.
Respekt ist nötig
Üblicherweise sind die Sprenglöcher im Steinbruch schon gebohrt, wenn Winter ankommt. „Riomex“ heißt die Emulsion, die in etwa die Konsistenz von Milchreis hat und die vor Ort angemischt und in die Sprenglöcher gepumpt wird. Da die Emulsion wasserfest ist, eignet sie sich zum Einsatz bei jeder Witterung. Dabei ist das „Riomex“ in seinen Einzelkomponenten selbst zunächst nicht explosionsgefährlich; wer bei Markus Winters Arbeit an den Film „Lohn der Angst“ denkt, in dem wahre Haudegen Lastwagen mit flüssigem Nitroglyzerin steuern, muss komplett umdenken. „Aber Respekt vor dem, was ich fahre, ist schon da, und den muss man sich auch bewahren“, so der 39-Jährige. Gesprengt wird mit „Riomex“, indem eine kleine Menge patronierten Sprengstoffs in der Emulsion zur Detonation gebracht wird. Dieser hat die nötige Energie, um das „Riomex“ seinerseits zu zünden.
Jürgen Gerbe ist Standortleiter von Maxam in Fretter, und dies schon lange. Vorher war er bei Westspreng, davor bei Haniel, und dennoch am selben Standort, denn durch Übernahmen wechselte der Eigentümer des Werks in Fretter, ohne dass sich die Aufgaben grundsätzlich verändert hätten. Er braucht technisch versierte Leute auf den Mischladefahrzeugen: „Das ist schon komplex, was die können müssen.“
Fast alle sind Quereinsteiger
Denn die Mischlader sind Spezialanfertigungen, jedes mit einigen Spezialitäten versehen, und obwohl zum Teil computergesteuert, ist dennoch jede Menge Know-how und Handarbeit angesagt. Da müssen Ventile manuell geöffnet und geschlossen werden, da gilt es, Belüftungen rechtzeitig zu öffnen, bis am Ende die korrekte Mischung aus dem Ladeschlauch ins Bohrloch fließt. Die Fahrzeuge sind so ausgerüstet, dass sie vor Ort fünf verschiedene Sorten Sprengstoff anmischen können, zusätzlich zur dickflüssigen Emulsion können sie es auch rieselfähigen Sprengstoff verblasen. Fast alle Operator sind Seiten- und Quereinsteiger, die dann bei Maxam entsprechend aus- und weitergebildet wurden. Markus Winter beispielsweise ist von Hause aus Zimmermann, hat sich dann zum Mechatroniker ausbilden lassen und danach auf der Sprengschule in Siegen das Nötige erlernt, um für Maxam in den Steinbrüchen der Region im Einsatz zu sein. Das Sprengen selbst erledigt er nicht, das machen die „Sprengmeister“.
Alle fünf Jahre muss er seine Befähigung erneuern und sich stets davon überzeugen, dass die Leute, an die er den Sprengstoff übergibt, ebenfalls die nötige Qualifikation in der Tasche haben. Und wenn dann am Ende 26 Tonnen „Riomex“ in einem Steinbruch in die Sprenglöcher geflossen sind, der Sprengmeister mit der Kurbel den Zündstrom erzeugt, per Knopfdruck eine Millisekunden-Verzögerungssprengung auslöst und dann in wenigen Sekunden mit gewaltigem Getöse und einer weithin sichtbaren Staubwolke eine 200 Meter lange Front aus 160.000 Tonnen Granit zu Boden rutscht, wird deutlich, welche Energie in dem harmlos aussehenden „Milchreis“ steckt.
Weitere Einsatzbereiche
Für Markus Winter ist es ein Traumberuf: „Ich bin eh ein Draußen-Typ, ich komme herum, ich habe jeden Tag woanders zu tun und der Beruf ist so abwechslungsreich, dass die Woche nur so vorbeirast.“ Andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei Maxam in Fretter dafür zuständig, aus angelieferten Rohstoffen den Grundstoff herzustellen. Öle und Ammoniumnitrat sowie 130 Grad heiße Ammoniumnitrat-Schmelze sind die wesentlichen Bestandteile, weitere Sprengmittel und -stoffe werden aus anderen Werken des spanischen Konzerns, etwa aus Polen, angeliefert, sicher gelagert und an die Kunden übergeben. Auffällig: Alle Maxam-Fahrzeuge in Fretter haben nicht OE, sondern BZ für den Landkreis Bautzen auf den Nummernschildern, denn die Deutschland-Zentrale von Maxam sitzt in Gnaschwitz, dem einstigen Sprengstoffzentrum der DDR.
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Der Unternehmens-Pass: Maxam Werk Fretter
- Mitarbeiter: 27 Mitarbeiter (deutschlandweit 160)
- Standorte: fünf Standorte
- Branche: Chemie/Sprengtechnik
- Tarif: Haustarif, IG BCE
- Arbeitszeit: 38,5 Stunden/Woche
- Arbeitsplatz (Operator): flexibel: mobil im Lkw, Baustellen/Steinbrüche, Wagenhalle in Fretter
- Kooperation: nein
- Benefits: 30 Tage Urlaub, Weihnachts- und Urlaubsgeld
- Weiterbildungen: fachgebunden, werden bezahlt
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Maxam Deutschland, Werk Fretter, Kalkwerkstraße 77, 57413 Finnentrop-Fretter, www.maxam-deutschland.com
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