Kreis Olpe. Nezahat Baradari (SPD) spricht sich als Mutter und Ärztin für ein Böllerverbot aus. Und steht damit allerdings allein auf weiter Flur.

„Silvesternacht fordert Verletzte“, titelte diese Zeitung nach dem Jahreswechsel überregional. Im Kreis Olpe gab es gottlob zwar keine Verletzten, jedoch war das Böllerspektakel zum Jahreswechsel auch hier alles andere als harmlos. Wer in der Silvesternacht zwischen 0 und 1 Uhr mit dem Auto unterwegs war, wird froh gewesen sein, sicher am Ziel gelandet zu sein. In den Ortsdurchfahrten, wie zum Beispiel in Bilstein oder Lan­genei, mussten Auto- bzw. Taxifahrer immer wieder anhalten und im Slalom um die zischenden und schießenden „Böllerbatterien“ herumkurven, die mitten auf der Straße standen. Dazwischen torkelnde und tanzende Menschen in Partylaune. Bei der Polizei gingen fünf Beschwerden über den nicht sachgerechten Umgang mit Feuerwerkskörpern ein, zudem erstatteten mehrere Geschädigte in Kirchhundem und Finnentrop Anzeigen, da ihre Fensterscheiben beschädigt wurden.

Pyrotechnik und Alkohol explosive Mischung

Insgesamt erwies sich die Mischung aus Pyrotechnik und Alkohol als „explosiv“.

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Dass die Böller wie in Großstädten auf Polizeibeamte und Rettungskräfte abgeschossen wurden und die Lage eskalierte, hat es im Kreis Olpe noch nicht gegeben, dennoch werden die Rufe, das unkontrollierte Abschießen von Böllern in der Silvesternacht einzudämmen, auch hier lauter.

Verantwortung in Klimakrise

Eine entschiedene Befürworterin für ein Böllerverbot ist Nezahat Baradari. Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Attendorn ist die einzige der von uns Befragten, die klipp und klar ein solches Verbot mittragen würde. „Ich war noch vor Silvester der Meinung, die Menschen brauchen das mal, um nach den ganzen Einschränkungen Abstand zu bekommen. Aber als ich dann gesehen habe, was da in die Luft geschossen wurde und praktisch gleichzeitig unser Bundespräsident nach Brasilien reist, um dort auch unsere Verantwortung in der Klimakrise zu betonen, da ist mir klar geworden, dass wir so nicht weitermachen können.“

Als Ärztin und Mutter

Für ein generelles Böllerverbot: SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari.
Für ein generelles Böllerverbot: SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari. © Bildstelle des Deutschen Bundestages | INGA HAAR

Sie spreche „als Ärztin und Mutter“, wenn sie betone, welche Gefahren vom Silvesterfeuerwerk ausgingen: einerseits direkte, die immer wieder für schwere Verletzungen und sogar Todesopfer verantwortlich seien „und unser Gesundheitssystem unnötig belasten“, andererseits indirekte durch Umweltgifte, „deren katastrophale Folgen wir bei jeder Fahrt durchs Sauerland sehen“ – von den Folgen für Tiere und Kinder durch Lärm ganz zu schweigen. „Eigentlich bin ich niemand, der Verbote fordert, aber hier bin ich inzwischen tatsächlich dafür. Vielleicht sorgt ja die Forschung irgendwann dafür, dass wir Möglichkeiten finden, die schönen Seiten des Feuerwerks genießen zu können, ohne die Gefahren und Belastungen tragen zu müssen.“ Denn eins sei klar: „Luft hat keine Grenzen.“ Wer durch Feuerwerk für Verschmutzung und Belastungen sorge, der toleriere, dass dieser Schmutz auf dem Grund und Boden anderer niedergehe.

Landrat böllert schon lange nicht mehr

Landrat Theo Melcher hält hingegen nichts von einem generellen Böllerverbot: „Ich enthalte mich jeglicher Böllerei schon seit Jahrzehnten, habe aber durchaus Verständnis dafür, wenn manche Mitbürger mit Knallern und Raketen das neue Jahr begrüßen wollen.“ Ein entsprechendes Verbot, mit Blick auf bestimmte Vorfälle wie jetzt in Berlin oder auch in Hagen, halte er für überzogen: „Man trifft damit auch diejenigen, die friedlich und verantwortungsbewusst mit Feuerwerk umgehen.“ Eine Stadt oder Gemeinde könne schon jetzt ein Böllerverbot aussprechen, „aber nur für bestimmte Bereiche, wenn sie ein Gefahrenpotenzial dort stichhaltig identifizieren kann“. Ein generelles Böllerverbot für einen ganzen Kreis oder ein komplettes Stadtgebiet könnten weder Landräte noch Bürgermeister durchsetzen: „Dafür fehlt jede Ermächtigungsgrundlage.“

Feuerwerk nur noch zentral?

Damit trifft er die Meinung von Dr. Gregor Kaiser, Grünen-Landtagsabgeordneter aus Oberelspe. „Zu Silvester gehört Feuerwerk einfach dazu“, so Kaiser, und auch bei anderen großen, festlichen Anlässen sei eine gekonnte pyrotechnische Vorführung ein Ausdruck von Lebensfreude. „Aber solche Dinge wie Chinaböller, also reine Knallkörper, die braucht kein Mensch“, so Kaiser. Dies seien auch die Art Feuerwerkskörper, mit denen gezielt Ärger bereitet werde, die auf Einsatzkräfte oder Obdachlose geworfen würden. Hier könne er sich ein Verbot vorstellen. Ansonsten ist für ihn eine denkbare Lösung, an zentralen Stellen Silvesterfeuerwerk von Fachleuten abbrennen zu lassen, was ein guter Kompromiss sei zwischen Umwelt- und Tierschutz und dem Wunsch nach traditionellem Feuerwerk.

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Auch Thorsten Scheen, Sprecher der Kreispolizeibehörde Olpe, ist dafür, Feuerwerk nur noch in bestimmten gesicherten Bereichen zu erlauben.

Einen konkreten Vorschlag in diese Richtung macht Zaklina Marjanovic, grüne Fraktionschefin im Stadtrat Olpe: „Es wäre zu begrüßen, wenn die Stadt Olpe ein zentrales Feuerwerk organisieren könnte, beispielsweise auf dem Platz hinter dem alten Olper Bahnhof.“

Bestehende Regelung wird begrüßt

Florian Müller, Drolshagener Bundestagsabgeordneter der CDU, sieht die Ursachen nach einem Wunsch für ein Böllerverbot anderswo: „Wir haben insbesondere in Berlin kein Böllerproblem, sondern erleben die Auswüchse einer Parallelgesellschaft. Da braucht es die volle Härte des Rechtsstaats. Die Diskussion über ein Böllerverbot lenkt daher nur vom offensichtlichen Problem ab. Nichtsdestotrotz halte ich es für richtig, dass Kommunen bereits die Möglichkeit haben, an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten zum Schutz von Menschen und Tieren ein Feuerwerksverbot zu verhängen.“ Sein Landtags-Parteifreund Jochen Ritter: „Der Jahreswechsel war der erste seit Beginn der Pandemie mit Feuerwerk, was manche Übertreibung erklären könnte. Daraus würde ich nicht sofort ein flächendeckendes Verbot des Verkaufs von Pyrotechnik ableiten, sondern plädiere dafür, gezielt gegen Exzesse vorzugehen.“ Er habe den Eindruck, dass sich die Einstellung in der Gesellschaft dazu ohnehin im Wandel befinde.

Johannes Vogel (FDP)

Johannes Vogel ist Kreisvorsitzender der FDP und Mitglied des Bundestags: „Wir Freie Demokraten sehen ein generelles Verbot von Silvesterfeuerwerk kritisch. Das Feuerwerk stellt für viele Menschen in unserem Land eine wichtige Tradition zum Jahreswechsel dar. Und bei uns im Sauerland gab es damit ja auch nie Probleme“, so seine Einschätzung. Für ihn reiche aus, dass Städte die Möglichkeit hätten, lokale Feuerwerksverbote auszusprechen. „Klar ist für mich, dass jeder Angriff auf Rettungskräfte wie in Berlin zum Beispiel scharf zu verurteilen ist. Nur eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Täter kann solche Angriffe verhindern.“