Olpe. Die Einführung des „Deutschland-Tickets“ wird vom heimischen Zweckverband begrüßt. Warum die Netzfahrkarte den Planern dennoch Sorgen bereitet.
Eigentlich warten alle drauf: Das sogenannte „Deutschland-Ticket“, das bundesweit als Netzfahrkarte für den Nahverkehr kommen soll, wird allgemein als Türöffner für einen umfassenden Ausbau des Bus- und Bahnverkehrs angesehen. Es soll auf Dauer zementieren, was der Testlauf mit dem 9-Euro-Ticket bewiesen hatte: Eine preiswerte Netzfahrkarte kann viele Menschen zum Umstieg in öffentliche Verkehrsmittel bewegen. Dennoch sorgt das geplante, für 49 Euro im Monat veranschlagte Ticket bei den Verkehrsplanern vor Ort für Sorgenfalten. Denn wenn es kommt, bedeutet es für jeden einzelnen Verkehrsanbieter, dass alle eigenen Monats- oder Abokarten, die teurer als 49 Euro sind, ein Fall für den Papierkorb weden. Schließlich würde kein Nutzer beispielsweise im heimischen Zweckverband ein Monatsticket der Preisstufe K3 kaufen, das 66,50 Euro im Monat kostet, ihm aber lediglich laut Preisinfo „Fahrten in die Nachbarkommune durch insgesamt 3 Zonen“ ermöglicht, wenn er für 49 Euro ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket bekommt. Und wieviel von den 49 Euro beim jeweiligen Verkehrsanbieter ankommen, das steht noch in den Sternen.
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Als am Dienstag die Mitglieder der Verbandsversammlung des Zweckverbands Personennahverkehr Westfalen-Süd (Siegen-Wittgenstein/Olpe) im Sitzungssaal des Olper Kreishauses zusammenkamen, drehte sich daher ein Großteil der Gespräche um besagtes Ticket, zumindest indirekt. So beim Beschluss über die Marketingmaßnahmen für 2023. Michael Sittler (SPD) fand: „Das steht alles unter dem Damoklesschwert des 49-Euro-Tickets. Da muss klar sein, wer wieviel vom Kuchen abbekommt. Derzeit bleibt uns nichts anderes als es zu verabschieden, aber da stehen viele Fragezeichen.“ Mit 155.000 Euro soll das Infosystem ausgebaut werden, zudem ist geplant, insbesondere die Nachtbus- und die Schnellbuslinien gezielt zu bewerben.
Als kurz darauf eine Tariferhöhung beschlossen werden sollte, griff Anke Flender (SPD) das Thema erneut auf: „Das 49-Euro-Ticket steht ja vor der Tür, können wir da um fast 5 Prozent anheben?“ Von der ZWS-Geschäftsstelle hieß es, viele Verkehrsverbünde stünden vor derselben Situation, „viele heben die Preise an, manche in zwei Schritten, manche in einem.“ Es gelte, abzuwarten, wie die Verkehrsverbünde finanziell vom 49-Euro-Ticket profitieren. Der Olper Landrat Theo Melcher (CDU), derzeit amtierender Verbandsvorsteher: „Wir fahren hier auf Sicht. Das Ticket wird in ganz NRW zu erheblichen Umbrüchen führen. Wir müssen sehen, was wie finanziert wird und wie die Gewinnverteilung erfolgt.“ Allerdings bat er darum, nicht nur aufs reine Geld zu achten: „Wir brauchen eine Vereinfachung der Ticketlandschaft. Der Erfolg des 9-Euro-Tickets war nicht nur der Preis, sondern auch seine Einfachheit.“ Trotz vieler Unsicherheiten beschlossen die Mitglieder einstimmig, zum 1. August 2023 höhere Preise zu fordern. Dabei gibt es Ausnahmen. Durchschnittlich, so der ZWS, sollen die Preise um 4,8 Prozent steigen, ein Mehrerlös von 1,4 Millionen Euro wird erhofft.
Unter anderem soll in diesem Zug auch eine Tarif-Vereinfachung erfolgen. „Als eine der wesentlichen strukturellen Maßnahmen“ ist eine Zusammenführung von 24-Stunden-Ticket und 9-Uhr-Tagesticket vorgesehen: „Das besser nachgefragte 9-Uhr-Tagesticket soll in diesem Kontext vom Markt genommen und dafür das reguläre 24-Stunden-Ticket mit einem attraktiveren Mischpreis versehen werden. Dies soll dem Zweck dienen, das bestehende Ticketsortiment weiter zu vereinfachen und vor dem Hintergrund der voraussichtlichen Einführung des Deutschlandtickets im Jahr 2023 eine Attraktivitätssteigerung des Bartarifs als Alternative für Gelegenheitskunden zu schaffen“, heißt es in der Beschlussvorlage.