Kreis Olpe. Die Steuerberater Martin Häner und Gregor du Moulin aus Olpe klären auf, was es mit der neuen Grundsteuer auf sich hat. Wer muss wie viel zahlen?
Das für viele Hausbesitzer Wichtigste direkt zu Beginn: Für die meisten wird die neue Grundsteuer, die erst ab 2025 gelten wird, zwar kein finanzielles Fiasko auslösen, aber sie kann im Geldbeutel spürbar weh tun. Vor allem der bürokratische Aufwand und die Kosten für den Steuerberater sind ärgerlich, wenn nicht überflüssig. Um Licht ins Dunkel zu bringen, baten wir Profis darum, zu helfen: Martin Häner und Gregor du Moulin, beide Steuerberater aus Wenden & Olpe, sind seit Monaten damit beschäftigt, die Grundsteuerformulare für ihre Mandanten zusammenzutragen und ans Finanzamt zu schicken.
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Du Moulin rechnet an seinem eigenen Beispiel vor: „Ich muss für mein Einfamilienhaus in der Gemeinde Wenden nach der Reform (bei unverändertem Hebesatz der Gemeinde) rund 300 Euro Grundsteuer B zahlen, das sind nur ein paar Euro mehr als nach der alten Berechnung.“ Nach den bisher eingereichten und vom Finanzamt zurückgeschickten Bescheiden darf grundsätzlich festgehalten werden: Für ältere Immobilien werden deren Besitzer vermutlich weniger als vorher zahlen müssen, für neuere Häuser eher mehr.
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Frist nicht einzuhalten
Klar ist für die Experten, dass die vom Bundesfinanzministerium vorgegebene Frist für die Grundsteuererklärung erneut verlängert werden müsse. Von Ende Oktober ist sie bereits bis zum 31. Januar 2023 verschoben worden. Das neue Datum sei nur deshalb recht spät veröffentlicht worden, um den Druck auf die Steuerpflichtigen hoch zu halten. Martin Häner: „Uns war von Anfang an klar, dass die Frist verlängert wird. Das war bis Ende Oktober unmöglich zu schaffen. Weder von den Steuerpflichtigen noch von den Steuerberatern.“ Allein im Büro Häner & Partner sehe man sich einem Berg von über 1.000 Grundsteuererklärungen gegenüber. Rund 300 Erklärungen seien bisher ans Finanzamt geschickt worden, etwa 50 Bescheide zurückgekommen.
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Und jetzt? „Wir hoffen, dass die Steuerpflichtigen bis Ostern Zeit haben werden.
Rückblick: „Zunächst wurden die Besitzer von unbebauten Grundstücken, also die Wald- und Wiesenbesitzer, für die Grundsteuer A vom Finanzamt angeschrieben. Danach die Besitzer von Häusern oder Eigentumswohnungen für die Grundsteuer B. Aber danach kam nichts mehr. Alle Unternehmer, die im Besitz von Firmengrundstücken sind, haben keine Post vom Finanzamt erhalten. Da setzt der Staat offenbar voraus, dass die sich selbstständig darum kümmern. Das hat uns überrascht.“
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Martin Häner: „Das betrifft mich selbst, da mir die Immobilie meines Büros in Wenden gehört. Dafür habe ich keine Aufforderung erhalten.“ Da es im Kreis Olpe viele mittelständische Betriebe gebe, die auf eigenem Grund und Boden produzierten, müssten diese auch ohne Aufforderung des Finanzamtes tätig werden.
Wie kam es zur Reform?
Martin Häner blickt noch einmal auf die Entstehungsgeschichte der Steuerreform zurück: „Der Ursprung des Ganzen war ja das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, dass die bisherige Bewertung der Immobilien verfassungswidrig sei, weil seit über 50 Jahren nicht mehr der aktuelle Wert der Immobilien festgestellt wurde. Das hätte eigentlich alle drei, vier Jahre passieren müssen, wurde aber unterlassen, ist seit 1964 nicht mehr geschehen. In Ostdeutschland sogar seit 1935 nicht mehr. Deshalb hat das BVG gesagt, alles muss neu und aktuell bewertet werden.“
Der größte ,Pferdefuß’ der alten Berechnung sei die fehlende Aktualität: „Ein Grundstück in der Kölner City wurde nach alter Regelung fast so bewertet wie eines in der Eifel. Jetzt zählt der tatsächliche Wert, der sich in Köln natürlich vervielfacht hat“, erklärt Häner, „das galt aber auch für das Grundstück in bester Olper Stadtlage, das genauso bewertet wurde, wie das Grundstück in Thieringhausen. Das ist vorbei.“ Im Klartext: Besitzer wertvoller Immobilien werden künftig spürbar mehr Grundsteuer zahlen müssen. Häner und du Moulin sind sich einig: „Natürlich wird es gerechter. Das war ja auch die Grundidee der Verfassungsrichter.“
Grundlage ist künftig also unter anderem der tatsächliche Immobilienwert, der den vorherigen Einheitswert von 1964 (Westen) bzw. 1935 (Osten) ablöst.
Gregor du Moulin: „Beim Ein- oder Mehrfamilienhaus wird die Wohnfläche eingerechnet. Für jede Kommune gibt es zudem Mietniveau-Stufen. Das Haus in der Kölner City hat natürlich ein deutlich höheres Mietniveau als das in Scheiderwald. Dadurch kommt es zu erheblichen regionalen Unterschieden.“ Auch das Baujahr des Hauses werde eingerechnet. Für ältere Gebäude gebe es Abschläge, den sogenannten Altersminderungsabschlag. Konsequenz: Für ältere Häuser müsse im Vergleich weniger Grundsteuer gezahlt werden.
Theoretisches Beispiel: Baut der Enkel im Jahr 2023 neben seinen Großeltern ein Wohnhaus, das etwa gleich groß ist und auf einem ähnlich großen Grundstück steht, muss er dennoch mehr Grundsteuer zahlen als die Großeltern. Weil deren Haus im Jahr 1950 oder 1960 gebaut wurde, also mehr Jahre auf dem Buckel hat. Kurioses am Rande: Wer sich ein uraltes Haus gekauft und mehrfach angebaut hat, wird insgesamt nach dem Baujahr des Urhauses bewertet. Solche Hausbesitzer können sich freuen: „Deren Steuermessbetrag ist somit deutlich niedriger als nach altem Recht“, macht Häner deutlich.
Grundsätzliche Kritik
Häner legt Wert auf eine grundsätzlich kritische Allgemeinbewertung: „Die Bundesbehörden hatten seit dem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichtes 2018 bis heute Zeit, sich vorzubereiten. Und jetzt wird den Bürgern ein Wust von Bürokratie aufgebürdet, den sie in wenigen Monaten bewältigen sollen. Und das, obwohl der Staat alle relevanten Informationen schon hat, die in der Erklärung von den Bürgern angegeben werden müssen. Warum muss der Bürger also alle diese Werte noch einmal mitteilen? Das ist für mich völlig unverständlich. Der Staat ist nicht in der Lage, die Informationen zusammen zu führen. Und fast 60.000 Bürger im Kreis Olpe müssen sich abstrampeln und teilweise eine Menge Geld bezahlen, um dem Staat die Informationen zu geben, die er schon hat. Für die Berechnung eines normalen Einfamilienhauses würden Beraterkosten von rund netto 250 Euro fällig, wer drei oder vier Immobilien berechnen lasse, müsse mit 1.000 Euro oder mehr rechnen.
Dass die Steuerberaterbüros trotz der zusätzlichen Einnahmen nicht in Jubel ausbrechen würden, sei nachvollziehbar: „Wir haben noch mit Corona-Auswirkungen eine Menge Arbeit vor uns, jetzt auch durch die Energiekrise und weitere Gesetzesänderungen. Und wir können für die Grundsteuer nicht zusätzliches Personal einstellen, das wir anschließend wieder nach Hause schicken.“
Grenzen der Bürokratie
Mit Blick auf die Grundsteuer A vermutet Häner, dass die Bürokratie bei kleineren Grundstücken an Grenzen stoßen werde: „Wir haben beispielsweise die Erklärung für ein kleines Wiesengrundstück in Möllmicke zu bearbeiten. Da sind 60 Eigentümer dran beteiligt, weil die Besitzverhältnisse im Rahmen der Erbengemeinschaft über mehrere Generationen an immer mehr Nachkommen weitervererbt wurden. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Behörde das im Detail ausrechnet und dann Minibescheide verschickt. Das wäre Irrsinn.“
Selbst für größere unbebaute Wiesen- oder Waldgrundstücke (Grundsteuer A), fügt Gregor du Moulin hinzu, würden eher geringe Grundsteuermessbeträge errechnet: „Ich habe einige solcher Fälle mit Messbeträgen von ein bis zwei Euro gehabt. Da kommen vermutlich eher geringe Grundsteuerbeträge heraus.“
Zwei Beispiele
Zwei konkrete Beispiel einer Durchschnittsimmobilie. Zugrundegelegt ist ein durchschnittliches Einfamilienhaus (Grundsteuer B) im Kreis Olpe.
Beispiel 1:
- Standort: Gemeinde Wenden
- Grundstücksgröße: 570 Quadratmeter
- Wohnfläche: 130 Quadratmeter
- Baujahr: 2020
- Restnutzungsdauer: 78 Jahre (von 80 Jahren für einen Neubau)
- Angesetzter Gebäudewert nach dem potenziellen Jahresmietertrag: rund 240.000 Euro.
- Angesetzter Bodenwert nach Bodenrichtwert NRW: 10.000 Euro.
- Gesamtwert: rund 250.000 Euro.
- Wird multipliziert mit der festgelegten Steuermesszahl von 0,00031.
- Errechneter Grundsteuermessbetrag: 77,50 Euro.
- Beim aktuellen Grundsteuer B-Hebesatz in der Gemeinde Wenden (390 Prozent) zu zahlende Grundsteuer: 77,50 x 390 Prozent: 302 Euro pro Jahr.
- Unterschied zur alten Berechnung: rund 30 bis 40 Euro.
Beispiel 2:
- Standort: Gemeinde Wenden
- Grundstück: rund 300 Quadratmeter.
- Wohnfläche: 120 qm
- Baujahr: 1955
- Bisheriger Grundsteuermessbetrag: 51 Euro.
- Neuer Grundsteuermessbetrag: 34 Euro.
- Bisherige Grundsteuer: 197 Euro.
- Neue Grundsteuer: 132 Euro.
- Bei bisherigen Berechnungen im Büro Häner und Partner liegen die meisten Grundsteuermessbeträge für Wohneigentum etwa zwischen 50 und 90 Euro.