Olpe. Vier Menschen sind mit Guy-Fawkes-Masken in einen Supermarkt in Olpe marschiert. Trotzdem: Sie gelten nicht als vermummt, sagt das Gericht.

Mit der Maske in den Supermarkt: Das war im vergangenen April Normalität. Nicht aber die Art der Masken, die vier Menschen trugen, die sich gestern im Olper Amtsgericht wegen eines Verstoßes gegen das Vermummungsverbot zu verantworten hatten. Auf der Anklagebank saßen zwei Frauen aus Attendorn sowie eine Frau und ein Mann aus Olpe. Die Tat, die ihnen vorgeworfen wurden, räumten die beiden Olper Angeklagten unumwunden ein – die Frauen aus Attendorn machten von ihrem Schweigerecht Gebrauch.

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Laut Anklageschrift und von den beiden aussagenden Angeklagten bestätigt, hatten die vier im April vergangenen Jahres gemeinsam auf dem Parkdeck des „Kaufland“-Markts gestanden – komplett verhüllt in weiße Ganzkörper-Schutzanzüge, die mit Aufschriften versehen waren, Schildern um den Hals und sogenannten Guy-Fawkes-Masken auf dem Gesicht. Dies sei eine ungenehmigte Versammlung gewesen, so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft. Angeklagt indes war ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Dem widersprachen die beiden Angeklagten.

Im vergangenen April betraten die Angeklagten komplett vermummt einen Verbrauchermarkt und äußerten auf Zetteln und Plakaten Protest gegen die Corona-Auflagen. Ein Augenzeuge nahm Bilder auf, die er unserer Zeitung zur Verfügung stellte.
Im vergangenen April betraten die Angeklagten komplett vermummt einen Verbrauchermarkt und äußerten auf Zetteln und Plakaten Protest gegen die Corona-Auflagen. Ein Augenzeuge nahm Bilder auf, die er unserer Zeitung zur Verfügung stellte. © Privat

Die Frau aus Olpe erklärte, die Masken seien aus Gründen der „künstlerischen Freiheit“ getragen worden. Es sei auch keine Versammlung gewesen: „Wir wollten einfach nur einkaufen.“ Die bemalten Anzüge und die Schilder, die zudem nicht alle getragen hätten, seien gewählt worden, um andere „zum Nachdenken anzuregen“. „Selbstdenker“ stand unter anderem auf einem der Anzüge, auch ein Verweis auf Websites von Coronaleugnern. Das Ganze, das machten die Verteidiger klar, sei schon eine Art Protest gewesen, und zwar, indem durch Übertreibung die damals geltenden Corona-Schutzvorschriften kritisiert werden sollten. „Wir wollten Aufmerksamkeit“, so der Angeklagte, ein Olper Geschäftsmann.

Nur Augenschlitz war frei

Die drei Polizisten, die seinerzeit von einem Passanten angesprochen worden waren mit dem Hinweis, vier vermummte Menschen stünden auf dem Parkdeck und belästigten Kunden, waren sich in ihren Aussagen einig: Die vier hätten bei ihrem Eintreffen die Masken getragen, die lediglich einen Augenschlitz freigelassen und keine Identifizierung zugelassen hätten. Auf Ansprache hätten alle vier die Masken angehoben, ihre Personalausweise überreicht und eine Identitätsfeststellung möglich gemacht. Das Gespräch sei sehr einsilbig verlaufen, „nicht so polizeifreundlich, wie ich das in Olpe sonst kenne“, so einer der Beamten. Aber für alle drei Ordnungshüter sei der Eindruck klar gewesen, dass dies eine verabredete und nicht angemeldete Versammlung gewesen sei. Im Anschluss an die Kontrolle hätten die vier allerdings tatsächlich den Weg in das Einkaufszentrum eingeschlagen.

Oberamtsanwalt Benjamin Schneider plädierte auf Geldstrafen von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro für alle vier Angeklagten: Für ihn sei klar, dass sie gegen das Vermummungsverbot verstoßen hätten und die Masken getragen hätten, um ihre Identität zu verschleiern. So einkaufen gehen zu wollen, sei vollkommen lebensfremd.

Maske als Protestverstärkung

Rechtsanwalt Stefan Hesse aus Bad Honnef plädierte für seine Mandantin, eine der beiden Attendorner Frauen, die selbst nichts sagten, tat dies aber so gründlich, dass die drei anderen Anwälte sich auf ihn bezogen. Er habe recherchiert: In Deutschland sei noch nie jemand wegen des Tragens der Guy-Fawkes-Maske verurteilt worden. Das Vermummungsverbot greife nicht in derartigen Fällen, wenn Masken praktisch zur Verstärkung der Aussage eines Protests verwendet würden. So dürften auf Tierschutz-Demos Tiermasken getragen werden und auf Anti-Kriegs-Demos Totenkopfmasken. Mit Vermummung sei gemeint, wenn gewaltbereite Demonstranten ihre Gesichter verhüllten, um eine Identifizierung zu verhindern. Das sei im vorliegenden Fall aber keineswegs so gewesen; vielmehr hätten alle vier der Polizei gegenüber sofort die Masken gelüftet und den Abgleich mit ihren Passbildern ermöglicht. Dass es sich bei dem Treffen der vier um eine unangemeldete Versammlung handle, sei unstrittig. Aber auch wenn eine Versammlung bei der Polizei angemeldet werden müsse, stehe die Teilnahme an einer solchen unter der verfassungsgemäß geschützten Versammlungsfreiheit. Die drei weiteren Verteidiger schlossen sich Hesses Plädoyer an; alle vier plädierten auf Freispruch. Dem folgte Vorsitzende Richterin Stephanie Scheepers. Äußerst knapp begründete sie ihr Urteil: Die Maskierung habe in diesem Fall nicht dazu gedient, die Identitäten der vier zu verschleiern, sondern sei als künstlerisches Mittel zu verstehen, den Protest zu verstärken.