Attendorn. Der Lehrstellenmarkt hat sich komplett verändert. 28 Unternehmen und Behörden gehen daher ganz neue Wege, um Azubis zu gewinnen.
Martin Köper war 1985 ein junger Lehrling und hat wie Tausende Auszubildende vor und nach ihm in der LEWA Attendorn an der Drehbank gestanden, gefeilt und gesägt. An diesem Tag begleiten der Repetaler und seine Frau ihren Sohn Mats in die Lehrwerkstatt am Wassertor. Der 14-Jährige besucht die St.-Ursula-Realschule und weiß noch gar nicht, was er beruflich einmal machen will. Anschließend stehen für die Köpers noch Besuche beim Attendorner Traditionsunternehmen GEDIA (Gebrüder Dingerkus) und den Werthmann-Werkstätten auf dem Programm. Möglich macht das die vom Kreis Olpe veranstaltete 1. „Nacht der Unternehmen“. In allen sieben Kommunen des Kreises öffnen 28 Firmen aus ganz unterschiedlichen Branchen sowie Verwaltungen ihre Tore – vom Handwerksbetrieb über den Dienstleistungsbereich hin bis zu großen Industrieunternehmen. „Der Fachkräftemangel ist in vielen Bereichen deutlich spürbar. Bei uns im Kreis Olpe kommen rein statistisch 2,5 Stellen auf einen Auszubildenden“, sagt Beate Hasenau von der Kreisverwaltung Olpe. Mit der „Nacht der Unternehmen“ soll jungen Menschen, die wie Mats Köper bei der Berufswahl noch unschlüssig sind, eine zusätzliche Orientierung mit Einblicken in die Abläufe der Betriebe geboten werden. Denn dort hat sich in den letzten Jahren viel geändert. „In den Köpfen vieler herrscht noch ein Bild von einigen Ausbildungsberufen, das heute so nicht mehr stimmt“, weiß Beate Hasenau.
Riko Lennemann und Laura Pecalj haben schon einen Ausbildungsplatz gefunden. Der 20-jährige Finnentroper und die 19-Jährige aus Plettenberg arbeiten bei der Stadtverwaltung Attendorn. Riko hat dort ein duales Studium begonnen, Laura lässt sich zur Verwaltungsfachangestellten ausbilden. Sie gehören zu den 13 Auszubildenden von Verwaltung und Baubetriebshof. Mit einer von Riko Lennemann erstellten Powerpoint-Präsentation versucht das junge Duo, den ins Rathaus gekommenen Jugendlichen und ihren Eltern eine Ausbildung bei der Hansestadt schmackhaft zu machen. „Wir sind als Stadtverwaltung ein Ort der vielfältigen Möglichkeiten“, wirbt auch Stadtkämmerer Klaus Hesener bei seiner Begrüßung um potenzielle Auszubildende.
Das Rathaus der Hansestadt Attendorn ist wie die Verwaltungszentralen der anderen sechs Kommunen im Kreis Olpe an diesem Nachmittag der Startpunkt für die 1. „Nacht der Unternehmen“. Von hier werden die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern mit dem Bus auf insgesamt zwölf verschiedene Routen geschickt und kostenlos nacheinander zu drei verschiedenen Unternehmen gefahren. Unsere Zeitung hat eine Gruppe nach dem Auftakt im Attendorner Rathaus beim rund einstündigen Besuch der LEWA begleitet.
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Das Unternehmen mit 210 Beschäftigten und 48 eigenen Auszubildenden ist längst mehr als nur eine Lehrwerkstatt für Betriebe aus der Region. Neben der Ausbildung gehören die Zerspanung und die Automation zu den Kernbereichen des 1928 gegründeten Unternehmens. Ausbildungsreferentin Anna Tregub begrüßt die Gruppe und wird dabei unterstützt von vier Auszubildenden der LEWA. Dazu gehört auch Lucas Kremer (18), der Industriemechaniker lernt und im Februar 2023 mit der Ausbildung fertig wird. Schon als Realschüler hat der damals 16-Jährige ein Praktikum bei der LEWA Attendorn gemacht. Gut gefallen haben ihm die Kennenlern-Tage zu Beginn der Ausbildung. Wie es nach der Lehre bei ihm weitergeht? „Das ist noch offen“, sagt der junge Mann aus Ennest.
Yves ist mit seinen Eltern gekommen. Der 15-jährige St.-Ursula-Realschüler ist froh über Möglichkeit, verschiedenen Unternehmen kennenzulernen. Bei der LEWA hat er schon an einem der Technikcamps teilgenommen, die in den Ferien für verschiedene Altersklassen angeboten werden. Auch der junge Attendorner hat noch keine klare Vorstellung, was er einmal werden will. „Nicht wirklich“, räumt Yves ein. Jochen Bender weiß aus Erfahrung, dass sich die Situation am Ausbildungsmarkt „total verändert“ hat. „Die jungen Leute haben die Wahl“, berichtet der Ausbilder der LEWA Attendorn. Die sogenannte Work-Life-Balance, also ein ausgewogenes Verhältnis von Berufs- und Privatleben mit geregelten Arbeitszeiten und planbarer Freizeit, werde immer wichtiger. Viele wollten gar nicht mehr in Drei-Schicht-Betrieb arbeiten. Aber viele der modernen, teuren Maschinen müssten dreischichtig laufen. Die Unternehmen müssen sich schon einiges einfallen lassen, um Auszubildende zu finden. Die LEWA hat zum Beispiel mit dreitägigen Kennenlern-Wochenenden in der Akademie Biggesee gute Erfahrungen gemacht.
Der Besuch in der LEWA, wo sein Vater Martin vor vielen Jahren Lehrling war, hat Mats Köper offenbar gefallen. Bei Schweißlehrer Erwin Schönauer macht der 14-Jährige seine ersten Gehversuche mit der modernen Schweißtechnik. Dann geht es für die Köpers und ihre Gruppe weiter, zum nächsten Unternehmen. Hinein in den Abend. Schluss ist gegen 22 Uhr.