Kreis Olpe. Franz-Josef Göddecke hatte von Anfang an Vorbehalte gegen das Projekt im Rothaargebirge und sieht diese nun vollumfänglich bestätigt.
Eigentlich sollte die Ansiedlung einer Wisentherde eine rein Siegen-Wittgensteiner Angelegenheit sein. Doch die riesigen Wildrinder ignorieren die Kreisgrenze, was einer der Hauptgründe für das Aus des als „Artenschutzprojekt“ bezeichneten Ansiedlungsversuchs war. Denn die auch als Europäischer Bison bezeichneten, bis zu 900 Kilogramm schweren Tiere taten sich gern und oft an Sauerländer Bäumen auch im Kreis Olpe gütlich, indem sie deren Rinde abschälten, um sie zu fressen. Arten- und Tierschutz - das ist an Bigge und Lenne ohne den Kreisverband des Naturschutzbundes (Nabu) nicht denkbar. Gemeinsam mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland (BUND) gehört der Verein zu den anerkannten Umweltverbänden. Nabu-Kreisvorsitzender Franz-Josef Göddecke hat uns im Interview seine Meinung zu Wisenten im Rothaargebirge wissen lassen.
Was halten Sie von dem Ursprungsplan, Wisente freilebend im Rothaargebirge anzusiedeln?
Franz-Josef Göddecke: Ich habe das sehr skeptisch verfolgt. Denn wir haben hier nicht mehr die Flächen, die man für so ein Projekt bräuchte. Anfangs war mir das Thema gar nicht so präsent, es war ja alles ein Stück weit von uns weg. Aber nach den ersten Sichtungen im Kreis Olpe habe ich mich intensiver damit befasst. Offiziell sind wir ja nie da einbezogen gewesen, ganz anders als bei Naturschutzprojekten im Kreis Olpe, wo wir stets mit am Tisch sitzen. Eigentlich hätte man aber von Anfang an wissen müssen, dass die Tiere sich nicht auf das Gebiet zurückziehen werden, das ihnen ursprünglich zugewiesen war.
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Aber mit dem Wolf ist ein anderes ehemals heimisches Tier dabei, in der Region zumindest durchziehend heimisch zu werden. Ist das anders zu beurteilen?
Ja, das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Der Wolf ist nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aus Mittel- und Osteuropa ganz von selbst zugewandert. Das ist alles dokumentiert und aufgearbeitet. Ein Wisent wäre von selbst niemals zurück ins Rothaargebirge gekommen. Der Wolf war immer hier, ist dann ausgerottet worden und fehlte 150 Jahre, jetzt ist er wieder da. Das Wisent wurde bewusst angesiedelt.
Und wie wird es nun mit den Tieren weitergehen, was vermuten Sie?
Ich gehe davon aus, dass das Land reagieren wird. Man kann die Tiere jetzt nicht einfach herrenlos durch die Wälder laufen lassen. Die Wisente werden Mittel und Wege finden, ihren Hunger zu stillen, und insbesondere in einem strengen Winter bleiben die nicht in ihrer Dickung, sondern kommen raus und suchen sich ihr Futter. Zu vorhandenen Wisenten in ein Schaugehege kann man sie nicht einfach treiben, weil es dann natürlich zu Rangkämpfen kommen wird. Man könnte die Tiere aber in einem neuen Gehege unterbringen. Aber da muss klar sein, wer das macht und es bezahlt. Je weiter sie aus dem Wald herauskommen, desto größer die möglichen Konflikte, denn natürlich haben so große Tiere ein erhebliches Störpotenzial. Ich will gar nicht dran denken, was es bei einem Verkehrsunfall für Folgen haben würde, so ein Wisent ist ja noch mal ein ganz anderes Kaliber als beispielsweise ein Wildschwein. Daher sehe ich das Land in der Pflicht, sich zu kümmern.
Was würde ein einfaches „Weiter so“ für die Tiere bedeuten?
Unter anderem hieße das Inzucht. Bisher hat ja der Trägerverein dafür gesorgt, dass Blutauffrischung stattgefunden hat. Wenn da niemand mehr zuständig ist und eingreift, dann fehlt jeder Gen-Austausch, es gibt ja keinen Kontakt zu anderen Wisentherden. Und dann ist die Folge, dass kranke und schwache Tiere geboren werden.
Also halten Sie den Plan für einen Fehler?
Es ist kein einfaches Thema, so interessant es auch ist. Aber nur, um als Touristenattraktion an den Autobahnabfahrten Schilder mit Wisenten aufzustellen, ist es falsch. In unserer Gegend ist der richtige Weg, um ein Wisent zu sehen, der Besuch in einem Freigehege. Für Wisente als freilebende Wildtiere sind unsere Wälder einfach nicht mehr geeignet. Man muss so offen sein, zuzugeben, dass der Versuch gescheitert ist. Wir haben mit dem Thema Artenschutz genug zu tun und sollten uns dabei auf die tatsächlich vorhandenen heimischen Arten beschränken, anstatt welche zurückzuholen, die von selbst niemals wiederkommen würden. Natürlich muss man sich um die verbliebenen Tiere nun kümmern, die kann man nicht einfach sich selbst überlassen. Ich bin sicher, damit wird sich noch einige Male ein Gericht befassen.