Olpe. Ulrike von Rohr hat dem Stadtarchiv Olpe einen besonderen Silberbecher übergeben. Den Wert des Bechers macht aber nicht sein Silbergehalt aus.

Dieser Silberbecher aus jüdischem Besitz gehört nun zur Museumssammlung der Stadt Olpe.
Dieser Silberbecher aus jüdischem Besitz gehört nun zur Museumssammlung der Stadt Olpe. © Jörg Winkel

Es fällt Ulrike von Rohr ein wenig schwer, den letzten Wunsch ihrer Tante zu erfüllen. Der silberne Becher, den sie zu Josef Wermert ins Olper Stadtarchiv im Dachgeschoss des Alten Lyzeums mitgebracht hat, ist für sie ein wertvolles Andenken an Marga Hammann, geborene Dahlenkamp. Sie muss sich regelrecht losreißen von der Pretiose, die für die Stadt Olpe einen besonderen geschichtlichen Wert hat. Denn er stammt aus dem Besitz der Familie Lenneberg, einer der drei jüdischen Familien, die einst in Olpe lebten und die vor den Gräueln der Nazis flohen.

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Ulrike von Rohrs Geburtsname ist Hammann. Ihr Vater war ein Bruder von Fritz Hammann, und dieser wiederum hatte in die alte Olper Armaturenfabrik Dahlenkamp eingeheiratet. Ein kleines, feines Unternehmen, das Spezial-Armaturen für die Brauindustrie fertigte. Marga und Fritz Hammann waren der Stadt Olpe sehr verbunden und äußerst heimatbewusst. So übergab Fritz Hammann, als er das Unternehmen 1993 auflöste, das Firmenarchiv und wertvolle Zeugnisse der Firmengeschichte an das Stadtarchiv. Auch sorgte er dafür, dass eine große Sammlung historisch äußerst bedeutsamer Bergbauunterlagen aus dem Raum Olpe/Wenden ins Stadtarchiv kamen. Seine Frau Marga „war Olperin durch und durch“, erinnert sich ihre Nichte Ulrike von Rohr.

Nach den Pogromen geflohen

Die Stempelung zeigt, dass der Becher aus 800er Silber und in Deutschland gefertigt wurde.
Die Stempelung zeigt, dass der Becher aus 800er Silber und in Deutschland gefertigt wurde. © Jörg Winkel

Ihre Tante sei eine äußerst intelligente, interessierte und gebildete Frau gewesen, zu der sie schon immer guten Kontakt gehabt habe, zunächst allerdings überwiegend per Brief und Telefon. Doch in den letzten Jahren vor dem Tod ihrer Tante sei sie in die Nähe von Olpe gezogen und habe sie dann häufig auch besucht. Der kleine, schmucke Silberbecher habe ihrer Tante als Stifthalter auf dem Schreibtisch gedient und sei immer von ihr mit großer Sorgfalt behandelt worden, „und als sie ins Pflegeheim kam, stand der Becher auf ihrem Nachttisch“. Denn Marga Hammann hatte ein Versprechen gegeben. Den Becher hatte ihr, so die Recherchen von Ulrike von Rohr, Hannah Lenneberg übergeben, die Tochter des Olper Händlers, dessen Kaufhaus von den Nazis „arisiert“ wurde und der nach den November-Pogromen mit seiner Familie Olpe verließ und die Flucht in die USA schaffte. Hannah Lenneberg, später verheiratete Altbush, habe ihre Freundin Marga Dahlenkamp gebeten, für sie auf den Becher aufzupassen. „Das hat sie auch immer getan“, so Ulrike von Rohr, und als ihre Tante das Ende ihres Lebens kommen sah, habe sie ihr aufgetragen, den Becher nach ihrem Tod an das Stadtarchiv zu geben, denn er solle einmal ins geplante Stadtmuseum.

Aus 800er Silber gefertigt

Stadtarchivar Josef Wermert kann die Geschichte exakt so nachvollziehen. Die in die USA fliehenden jüdischen Bürgerinnen und Bürger hätten damals nur kleines Gepäck mitnehmen können, und solche Wertsachen wie der Silberbecher waren nur unter hohem Risiko mitzunehmen: „So etwas wäre ihnen mit Sicherheit unterwegs abgenommen worden.“

Ulrike von Rohr übergab den Silberbecher an  Stadtarchivar Josef Wermert.
Ulrike von Rohr übergab den Silberbecher an  Stadtarchivar Josef Wermert. © Jörg Winkel

Er schätzt den Becher auf etwa 100 Jahre alt. Da aus 800er Silber, habe er auch einen gewissen materiellen Wert, aber als Gegenstand aus dem Bestand der jüdischen Olper stammend, sei sei historischer Wert für die Stadt bei weitem höher zu bemessen. Er sagte Ulrike von Rohr zu, den Becher umgehend in einer Vitrine im Stadtarchiv auszustellen. Er werde mit Sicherheit zu den Sammlungsbeständen gehören, die nach dem Bau eines Stadtmuseums Teil der Dauerausstellung würden.