Attendorn/Kreis Olpe. Tiefbauer schlagen Alarm: In zwei Jahren sind die heimischen Erddeponien voll, und dann drohen hohe Mehrkosten für Bauherren wie Steuerzahler.
Es gab schon weniger spannende Filme im Attendorner Kino als das, was sich am Donnerstagabend im großen Saal abspielte: Kein Hollywoodstreifen, sondern eine Informationsveranstaltung, zu der die Bodenbörse Südsauerland eingeladen hatte und bei der ganz kräftig die Alarmglocke geläutet wurde. Oder, wie der Obermeister der Straßenbauer-Innung Südwestfalen, Eckhard Vetter, es ausdrückte: „Im Kreis Olpe brennt die Hütte.“ Auf den Kinosesseln hatten Vertreter von Tiefbau- und Bauunternehmen, der Städte und Gemeinden sowie Kreisdirektor Philipp Scharfenbaum Platz genommen und hörten sich, zum Großteil verblüfft bis erschüttert, die Schilderungen an.
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Den Auftakt hatte Landtagsabgeordneter Dr. Gregor Kaiser gegeben, der auf Bitten der Bodenbörse einen Überblick darüber gab, wie neue Vorschriften von EU, Bund und Land die Nachhaltigkeit in der Baubranche verbessern sollen. Dabei betonte Kaiser, dass schon jetzt im ganzen Land Probleme zu erwarten seien: zum einen beim Deponieren von Bodenaushub, zum anderen bei der Verwertung von Straßenaufbruch und Bauschutt. „Das Problem ist erkannt, aber keiner will eine neue Deponie“, fasste Kaiser zusammen.
Millionen-Mehrkosten drohen
Die Dramatik der Lage speziell im Kreis Olpe erklärte Frank Rottstock, Geschäftsführer der Bodenbörse Südsauerland, einem Zusammenschluss von elf Tiefbauunternehmen aus dem Kreis Olpe. Kurz zusammengefasst: „In zwei Jahren ist Schluss, wenn sich nicht schnell eine Lösung findet“, so Rottstock. Er nannte immense Summen an Mehrkosten, die dann entstünden, wenn der Aushub per Lastwagen bis ins Ruhrgebiet gebracht werden müsse. 200.000 Kubikmeter Erdaushub fallen pro Jahr im Kreis Olpe an, bislang durch die Bodenbörse in ihren Deponien untergebracht, doch stehen alle kurz vor der Verfüllung und damit Schließung. „Uns als Bodenbörse gibt es möglicherweise nicht mehr lange.“ Er rechnete vor: In den vergangenen fünf Jahren habe die Bodenbörse ein Wirtschaftsvolumen von 16 Millionen Euro geschaffen, indem Bodenaushub vor Ort habe deponiert werden können, Geld, das künftig ausgegeben werden müsse, um die Erdmassen nach außerhalb zu schaffen. Dies treffe jeden, ob als Bauherrn oder als Steuerzahler.
Andreas Behle, Kirchhundemer Tiefbauunternehmer (Straßen und Tiefbau GmbH), die Landtagsabgeordneten Dr. Gregor Kaiser (Grüne) und Jochen Ritter (CDU) sowie Innungsobermeister Eckhard Vetter (Firma Heinrich Weber, Siegen) wurden anschließend in einer Podiumsdiskussion von Moderatorin Lena Reuter befragt. Hier waren Politik und Wirtschaft einer Meinung: Großes Verständnis für das in Deutschland praktizierte gründliche Prüfen und Einhalten vieler Schutzziele, aber keines für die extrem langen Zeitabläufe für Genehmigungen. Ritter zeigte sich betroffen: „Mir war nicht klar, mit welcher Wucht das Problem uns trifft.“ Die Veranstaltung sei eine große Hilfe; das Gehörte gebe Kaiser und ihm Rückenwind, denn sie würden die Problematik im Landtag kommunizieren, um für Abhilfe zu sorgen. Auch Kaiser stimmte zu: „Diese Dramatik der Lage war mir nicht klar.“ Behle berichtete von förmlich widersinnigen Vorgaben bei Bauprojekten: Da werde vom Auftraggeber vorgeschrieben, eine alte Brücke komplett zu entsorgen, anstatt den alten Beton als Recyclingschotter vor Ort zu verarbeiten. Stattdessen müsse neuer Schotter aus Steinbrüchen gewonnen werden. „Das hat nichts mit Kreislaufwirtschaft zu tun.“ Ohnehin gebe es große Probleme dadurch, dass auch bei kommunalen Bauprojekten frischer Schotter vorgeschrieben werde, anstatt den auch bei der Firma Behle in Würdinghausen aus Bauschutt produzierten, inzwischen spürbar günstigeren Recycling-Schotter als Frostschutzschicht einzubauen.
Frischer Schotter aus Dänemark
Wie verfahren die Situation ist, zeigt ein Beispiel, das Matthias Behle nannte: „Wenn wir eine Straße neu bauen, dann kommt es vor, dass wir Schotter aus dem Unterbau einfach wieder aufnehmen können. Den dürfen wir aber nicht wieder verarbeiten: Er wird beprobt, und dann findet man Belastungen. Das sind aber Schwermetalle, die hier im Sauerland ganz normal sind und in jedem Gestein vorhanden sind. Der gebrauchte Schotter wird dann auf eine Deponie gefahren und durch frischen Schotter ersetzt, der nur nicht beprobt werden muss, der aber dieselben Belastungen hat.“
Es gibt im Kreis Olpe nur noch einen einzigen Steinbruch, in dem Schotter gewonnen wird. Drei andere Steinbrüche liegen brach, werden vermutlich nie wieder in Betrieb gehen dürfen, sodass schon jetzt Schotter von außerhalb in den Kreis Olpe hineingeholt wird. Zum Teil, berichtete Vetter, per Schiff aus Dänemark. „Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun.“