Drolshagen. Provisorien statt fester Bauten, Autos und Bohrmaschinen zum Ausleihen: Am Buscheid sollen alte Dorf-Ideale neu interpretiert werden.
Der Anspruch ist nicht gerade bescheiden: In Drolshagen soll „das Dorf neu erfunden“ werden. Mit Unterstützung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) ist geplant, auf einem Hangrücken am Buscheid ein Wohnquartier zu entwickeln, das vollkommen anders ist als herkömmliche Neubaugebiete. Ressourcenschonend, umweltfreundlich, kostengünstig und nachhaltig sind die anspruchsvollen Ziele, die damit erreicht werden sollen. Auf einer vier Hektar großen Fläche, ursprünglich als normale Wohnbaufläche ausersehen, soll eine bereits gegründete Genossenschaft unter Einbeziehung der Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden völlig neue Wohnformen ausprobieren (wir berichteten). Am Anfang stand eine „Visionsphase“, die nun abgeschlossen ist. Ergebnis ist ein umfassender Prospekt, der bald auf der Homepage der Stadt hinterlegt wird und der die wichtigsten Ergebnisse zusammenfasst.
In drei Handlungsfeldern, „Arbeiten und Wohnen“, „nachhaltige Versorgung“ und „Orientierung am Gemeinwohl“, mit jeweils drei Leitgedanken gegliedert, wurden in dieser „Visionsphase“ Ideen und Wünsche gesammelt, die eine „Neuerfindung und gleichzeitig eine Wiederbelebung der einst lebendigen dörflichen Strukturen in Drolshagen bedeuten“ werde, verspricht die Stadt. Im Rahmen von „Zukunftstagen“ sprachen die Planer vom Büro „Nonconform“ und Prof. Andreas Knie vom WZB mit Bürgerinnen und Bürgern, die ihr Interesse an einer solchen alternativen Wohnform bekundet hatten. Nach einer Begehung des Grundstücks trafen sie sich im Musiksaal des Alten Klosters, wo ihnen eine Vision für das Zukunftsquartier präsentiert wurde. Das Treffen wurde im Internet live an weitere Interessenten übertragen, die vorher Fragen hatten einreichen können.
Flexibel und funktional
„Im neuen Dorf leben und arbeiten die Menschen generationsübergreifend, gleichsam provisorisch und nachhaltig in Gemeinschaft mit hoher Individualität und privaten Rückzugsräumen“, heißt es in dem im Anschluss erstellten Prospekt. „Sie wohnen in flexiblen Häusern mit einer funktionalen Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Vergnügen und passen die Einheiten ihren individuellen Bedürfnissen an; sie arbeiten vor Ort, in Co-Working-Einheiten des produzierenden Gewerbes und von Dienstleistungen.“ Autos oder selten genutztes Werkzeug, als Beispiel wird eine hochwertige Bohrmaschine genannt, sollen in Gemeinschaftseigentum vorgehalten werden, das Ganze soll mit 100 Prozent erneuerbarer Energie versorgt werden, „Angeboten wird eine Kombination von Gemeinschaft und privaten Rückzugsformen je nach Bedürfnissen und Verfügbarkeiten.“
Wege einsparen
Durch das Integrieren möglichst vieler Angebote, was Wohnen, Arbeiten und Versorgen angeht, sollen für die Bewohner viele Wege überflüssig werden. Im Gegenzug ist geplant, im neuen Wohnquartier beispielsweise kulturelle oder gastronomische Angebote vorzuhalten, die es zu einem Magneten für Menschen macht, die nicht dort leben. So soll verhindert werden, dass das Wohnquartier sich von der übrigen Stadt abkapselt.
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Den Planern ist bewusst, wie hoch ihr Anspruch ist. Daher soll das Projekt bewusst als „Experimentierfeld“ verstanden werden, in dem vieles ausprobiert und möglicherweise auch schnell wieder verworfen werden muss.
Ein großer Anteil der Wohnungen soll für Seniorinnen und Senioren vorgesehen sein. „Diese älteren Menschen leben häufig in zu großen Häusern, finden aber keine angemessene Alternative beziehungsweise suchen erst gar nicht, weil sie weder neuen angemessenen Wohnraum finden noch den notwendigen Verkaufspreis für ihr Haus erzielen“, heißt es in dem Prospekt. Gleichzeitig sorge dies für freiwerdende Häuser, in die junge Familien einziehen können, ressourcenschonender als neu zu bauen.
Nun steht das WBZ Gewehr bei Fuß, einen Masterplan zu entwickeln, der die vor Ort gesammelten Ideen in Formen gießt. Die dazu nötige Förderung ist bei der Landesregierung beantragt. Durch Umstrukturierungen nach der Wahl liegt dieser Antrag jedoch zurzeit noch auf Eis. Bürgermeister Uli Berghof (CDU) ist aber zuversichtlich, dass das Verfahren bald ins Rollen kommt. Er rechnet fest mit einer Förderzusage. Diese wäre die Voraussetzung für den Masterplan, der dann die Vorlage für die Drolshagener Kommunalpolitik wäre, um die entsprechenden Satzungen zu verabschieden, damit ein Bebauungsplan die ungewöhnliche Siedlungsform möglich macht.