Rehringhausen. Der Olper rekonstruiert ohne Baupläne oder Anleitungen Instrumente aus der Barockzeit. Wie ihm das originalgetreu gelingt.

Orgelklänge sind schon von weitem aus der St.-Nikolaus-Kirche in Rehringhausen zu hören - ein Musikstück, das aber übergeht in langanhaltende Einzeltöne, dann Klopfen, Scharren, wieder Töne. Rasch wird deutlich: Hier wird nicht musiziert, auch nicht geprobt - hier wird an der Orgel gearbeitet.

Die Orgelbühne gleicht einer Werkstatt. Marcus Stahl hat sein Werkzeug ausgebreitet, archaisch anmutende Gerätschaften, aber auch digitale Stimmgeräte mit Leuchtdioden kommen zum Einsatz. Stahl ist Orgelbauer, inzwischen nach vielen Stationen angekommen in Dresden, aber großgeworden und immer noch verwurzelt in Olpe. Zur Rehringhauser Orgel hat er ein ganz besonderes Verhältnis: Er war damals für einige Jahre in Mittelengland bei der Firma Goetze and Gwynn tätig, die den Zuschlag für den Neubau der Rehringhauser Orgel erhalten hatte, und hat das Instrument vor genau 25 Jahren in führender Rolle mitgebaut. Seitdem hat er sich stets um die Wartung der Orgel gekümmert, und so wurde er auch diesmal wieder beauftragt, das rare Instrument für das bevorstehende Konzert in der Reihe „Orgelsommer in Südwestfalen“ vorzubereiten, es zu prüfen und zu stimmen.

Nach historischem Vorbild

Jubiläum einer Orgel - 25 Jahre ist für ein solches Instrument eigentlich so gut wie nichts. Stahl, der sich im Lauf seines Berufslebens sehr häufig mit der Restaurierung von Orgeln befasst hat, kennt auch Instrumente, die mehrere hundert Jahre alt sind. Trotz ihrer „Jugend“ ist die Rehringhauser Orgel jedoch eigentlich ein altes Instrument: Sie wurde nach dem Vorbild einer englischen Barockorgel gebaut, die in einem Londoner Stadtteil steht und als „Haendel-Orgel“ bekannt ist, weil der berühmte Komponist selbst auf ihr spielte.

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Doch auch wenn Marcus Stahl diese besondere Bindung zur Rehringhauser Orgel wohl nie aufgeben wird, hat sich sein Alltag deutlich verändert. Die Orgeln, mit denen er heute sein Geld verdient, sind nicht mehr die „Königinnen der Instrumente“ in Domen und Basiliken, sondern solche, die man zusammenklappen und mitnehmen kann. Stahl hat sich einen Namen gemacht als Erbauer von Portativen und Regalen, transportablen Kleinorgeln, die dennoch mit großer Klangfülle aufwarten. Insbesondere die Regale sind ihm zur Leidenschaft geworden. Im 16. und besonders im 17. Jahrhundert waren diese Orgel-Varianten allgegenwärtig, Stahl lernte sie als Restaurierungsobjekte kennen und lieben. Ihre Kompaktheit rührt daher, dass sie keine Labial- oder Lippenpfeifen besitzen, die bekannten Röhren, die nach dem Prinzip der Blockflöte funktionieren, sondern mit Zungenpfeifen ausgestattet sind, bei denen der Ton durch ein in Schwingung versetztes Metallblättchen entsteht.

Eindrucksvolle Beispiele

Stahl hat es sich zur Passion gemacht, neue Regale nach historischem Vorbild zu bauen und dringt dabei immer weiter in die vergessenen Geheimnisse längst verstorbener Orgelbauer früherer Zeiten vor. Seine Instrumente werden von Liebhabern geordert, die die Musik des 17. Jahrhunderts auf Instrumenten spielen möchten, deren Klang dem Original nahekommt. Aber auch für Kirchen hat er schon gebaut, eindrucksvolle Beispiele sind auf seiner Homepage http://www.marcus-stahl-orgelbauer.com/ und seinem Youtube-Kanal https://www.youtube.com/user/orgstamar hinterlegt. Dabei wird auch deutlich, wie eng Stahl mit Musikern zusammenarbeitet, die sich von ihm ihr Traum-Instrument bauen lassen. „Um ein Instrument kennenzulernen, muss man es ,persönlich’ treffen und spielen können“, so Stahl. Trotzdem könnten die kleinen Filme sehr anschaulich beschreiben, wie das Musikinstrument als „Brücke zwischen Musik und Musiker“ funktioniere. Einige seiner besten Kundenkontakte seien auf diesem Weg entstanden.

Das Jubiläum der Rehringhauser Orgel will Stahl nicht unbeachtet lassen. Er plant ein besonderes Konzert – wie er schon mehrfach ungewöhnliche Vorträge auf diesem Instrument organisiert hat, so eine einzigartige Improvisation anlässlich des 100. Jahrestags des Ersten Weltkriegs, bei dem er aus der Rehringhauser Schulchronik vortrug und ein enger Freund, der polnische Organist Dr. Filip Presseisen, die Kirchenorgel nutzte, um sich wie zu Zeiten des Stummfilms vom Gehörten zu Improvisationen inspirieren zu lassen.