Hünsborn. Warum Fritz Stahl, obwohl geweihter Priester, sein Auskommen durch körperliche Arbeit in der Industrie bestritten hat.
Es war fast so, als ob es die Krise in der katholischen Kirche nicht gäbe, als Fritz Stahl am Sonntag in Hünsborn das Hochamt zelebrierte. Die Kirche voll, Orgel und Chor jubilierten, gleich drei Zelebranten am Altar - man konnte den Eindruck gewinnen, dass hier die katholische Welt noch in Ordnung ist. Es war allerdings auch kein gewöhnliches sonntägliches Hochamt: Im Mittelpunkt stand diesmal ganz der Zelebrant. Denn Fritz Stahl, Hünsborner durch und durch, feierte seine diamantene Primizfeier.
Vor 60 Jahren wurde er zum Priester geweiht und war zu diesem Anlass von seinem Altersruhesitz Mannheim zurück in seine alte Heimat gereist, hier, wo er immer noch verwurzelt ist, wo eine große Familie zu Hause ist und wo er den Weg zum Priesteramt fand. Einen ungewöhnlichen Weg, der zunächst recht normal begann. Wie seinerzeit viele Männer seines Jahrgangs entschied Stahl sich früh, Priester zu werden. Sein Elternhaus in Hünsborn, „Hessemanns Haus”, das diesem Zweig der Familie Stahl den Rufnamen gab, stand im Schatten der St.-Kunibertus-Kirche, und die „Hessemanns” ebneten ihrem Fritz den Weg.
Abitur in Attendorn
Zum Gymnasium musste er nach Attendorn, war doch nur dort das altsprachliche Abitur möglich, doch an den Wochenenden ging es heim nach Hünsborn, wo er in der Nebenerwerbslandwirtschaft mit anpackte - ebenso später im Studium, das mit der Priesterweihe am 26. Juli 1962 in Paderborn endete. Und auch der weitere Weg war zunächst nicht ungewöhnlich für einen Priester.
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Fritz Stahl war in mehreren Pfarrgemeinden tätig, auch als Studentenpfarrer in Paris. Doch dann, rund zehn Jahre nach seiner Weihe, vollzog er den “Ortswechsel” und ging vom Altar an die Werkbank. Arbeiterpriester war die Berufung, der Fritz Stahl bis heute treu geblieben ist: Als Geweihter lebte er vom Gehalt des Industriearbeiters und der körperlichen Arbeit, ein ganz anderes Verständnis vom Priesteramt als üblich. Mit 65 ging er in Rente, doch den Einsatz für Solidarität und Gerechtigkeit setzt Fritz Stahl weiter fort. Nach dem feierlichen Einzug zu „Lobe den Herren” begrüßte Vikar Christian Albert den Jubilar, die Gemeinde und den Festprediger, einen der wenigen heute noch tätigen Arbeiterpriester in Deutschland, Albert Koolen. Dieser arbeitet über die Woche in einem Logistikunternehmen und gehört auch dessen Betriebsrat an und ist parallel dazu in der Gemeinschaft der Arbeitergeschwister tätig, wie die ehemaligen Arbeiterpriester sich heute nennen, seit zu den früher ausschließlich katholischen Geistlichen auch evangelische Christen, Laien, Männer wie Frauen, dazugestoßen sind. Vikar Albert fasste zusammen, dass Fritz Stahl als Arbeiterpriester unter anderem in Mannheim bei einem großen Automobilkonzern „unter ganz normalen Umständen Zeugnis vom Evangelium” gegeben habe.
Stahl selbst freute sich sehr über die starke Resonanz auf seine Jubelfeier. „Eucharistie heißt Dank sagen. Mein Herz ist voller Dank, dass ich diesen Tag hier mit euch feiern darf.” Sein besonderer Dank galt seiner Familie, die ihn auch in schwierigen Zeiten getragen habe, und seinen Mitstreitern, vor allem seiner Mitstreiterin im „Kampf gewerkschaftlicher Art hier und in Brasilien”, Angela Hidding.
Spenden für Tamilen in Sri Lanka
Umrahmt von Vorträgen des Pfarrcäcilienchors Hünsborn, stand im Mittelpunkt der Festmesse die Predigt von Albert Koolen. Dieser drückte sein Bedauern aus, dass nicht mehr viele den vom inzwischen 87 Jahre alten Fritz Stahl vorgelebten Weg gingen. Um Arbeiterpriester zu sein, gebe es zwei Voraussetzungen: den Willen zur Auseinandersetzung mit Kirche und dem Glauben und den Wunsch, „von einfacher Arbeit schlicht in diesem reichen Land zu leben”. Fritz Stahl, der so etwas wie sein Ziehvater sei, habe ihm beigebracht, dass die Berufung zum Arbeiterpriester ein „Weg des Lebens ist, der nie aufhört, sondern immer weitergeht. Arbeiterpriester ist man immer. Du gehst ihn auch jetzt weiter.” Er zitierte Fritz Stahl, der einmal erklärt habe: „Das ist wie die Sauerländer Pferde, wenn die einmal auf der Spur sind, gehen sie weiter”. Das habe mit Tradition zu tun, aber auch mit Treue. Koolen zitierte den im KZ ermordeten evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, von dem die Frage stammt, man solle sich prüfen, ob man anders leben würde, wenn es Gott nicht gäbe. “Wer diese Frage ernst nimmt und sagen könnte, egal, ich würde trotzdem so leben, der ist ein tiefgläubiger Mensch.”
Im Anschluss an die Messe hatten die Gäste Gelegenheit, dem Jubilar vor der Kirche zu gratulieren. Viele überreichten Umschläge mit Spenden, die wie auch die Kollekte für ein Hilfswerk bestimmt sind, das von Albert Koolen mitgeleitet wird und das sich für die tamilische Minderheit im Norden und Osten Sri Lankas starkmacht. Mit einem Mittagessen im Gasthof „Zu den Dreikönigen” feierten die „Hessemanns” anschließend ihren Jubilar im Familienkreis.