Olpe. Horst Müller, mehr als 18 Jahre Bürgermeister Olpes, wird am 7. August 80 Jahre alt. Im Interview erzählt er auch von unangenehmen Erlebnissen.
Mitunter wurde er als „ewiger Bürgermeister“ bezeichnet: Horst Müller, der die Geschicke der Stadt Olpe über 18 Jahre lang lenkte, wird am Sonntag, 7. August, 80 Jahre alt. Das Olper Urgestein war nicht nur Bürgermeister, sondern viele Jahre auch Major der St. Sebastianus-Schützen. Uns stand er im Interview Rede und Antwort.
Herr Müller, Sie waren Schützenmajor und Bürgermeister, viel mehr kann ein Olper nicht erreichen. Wann kommt der Schützenkönig noch obendrauf?
Horst Müller: In diesem Leben nicht mehr. Obwohl es die preiswerteste Art wäre, den Vogel zu schießen. Denn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bräuchte ich das 25-jährige Jubiläum nicht zu feiern.
Und der Hofstaat wäre vielleicht auch kleiner.
Das würde zu einer Werbeveranstaltung für Rollatoren. Vor allem bei der Polonaise wäre das ein originelles Fotomotiv.
In Olpe spielt die Herkunft eine große Rolle. Es gibt die Ölper, Olper und Büterlinge, was sind Sie?
Ich bin Büterling. Ich bin ziemlich exakt vor 80 Jahren in Bergneustadt geboren, und mein Vater bekam zufällig eine Stelle bei Apparatebau Rothemühle. Dort bezogen wir zunächst eine Firmenwohnung, mein Vater kaufte später ein Grundstück am Vahlberg. Wären wir dorthin gezogen, wäre ich Ortsvorsteher von Vahlberg geworden und nicht Bürgermeister von Olpe.
Und wie landete die Familie dann doch in Olpe?
Vahlberg wurde vom Bergamt in Siegen vereitelt, da das Grundstück als Bergsenkungsgebiet eingestuft wurde. Dann gab es ein Angebot aus Olpe für ein Grundstück hinterm Oberlyzeum. Und das wurde dann mein Elternhaus.
Was hat Sie ins Rathaus verschlagen?
Das ist eine längere Geschichte. Nach einer ausgedehnten Schulzeit, ich hatte, die Ehrenrunden eingeschlossen, elf Jahre Latein, studierte ich zunächst Jura. Erst in Bonn, danach in München und später in Freiburg. Fazit: Ich habe zwar kein Examen gemacht, aber drei der schönsten Städte Deutschlands kennengelernt. In Freiburg sank mein Gewicht dann plötzlich auf unter 70 Kilogramm und bei einem Heimatbesuch stellte der Arzt eine Tuberkulose fest.
Das war es dann mit Jura?
Ja, ich sollte mindestens drei Monate in Kur, es wurden eineinhalb Jahre draus. Und da hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich bewarb mich bei der Deutschen Bank und der Dresdner Bank in Frankfurt und bei der Kaufhof AG Köln. Und alle hätten mich genommen. Dann lernte ich meine Frau kennen, die mir riet, mit meiner Vorerkrankung solle ich lieber auf eine Beamtenkarriere setzen. Also hörte ich auf sie und wurde mit 26 Jahren der älteste Azubi der Kreisverwaltung Olpe. 1972 stellte ich dann die wichtigsten Weichen in meinem Leben.
Was passierte 1972?
Ich machte die Prüfung zum Verwaltungsinspektor, ich heiratete meine Frau, trat in die CDU ein und in den Schützenverein Iseringhausen.
Was von den vier Dingen haben Sie schon mal bereut?
Bis jetzt nichts.
In der Stadtverwaltung Olpe waren Sie aber immer noch nicht.
1975 hörte ich, dass bei der Stadt Olpe eine Stelle in der Kämmerei frei wurde und das war mein Ding. Ich bin sofort ins Rathaus marschiert und das war der Anfang meiner Olper Verwaltungskarriere.
Was war in der langen Bürgermeisterzeit ihr schönstes Erlebnis?
Als ich gewählt wurde (lacht). Nein, im Ernst, die Wahl als Gegenkandidat von Wilma Ohly war ja ausgesprochen spannend. Der damalige Olper CDU-Stadtverbandsvorsitzende Dr. Franz Demmer, als Oberkreisdirektor hinlänglich bekannt, hatte ganz eigene Pläne. Da waren jedoch einige Christdemokraten dagegen. Ich wurde zunächst vom Stadtrat zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt und zwei Jahre später von den Olpern bestätigt.
Bis 2015 wurden Sie immer wieder mit starken Ergebnissen bestätigt.
Das Bürgermeisteramt war mir irgendwie auf den Leib geschneidert. Ich kann mit Leuten umgehen, bin nicht unbedingt der Prototyp des deutschen Berufsbeamten. Das kam bei den Menschen an. Dass meine Bürgermeisterkarriere so erfolgreich war, daran hatte auch Baudezernent Bernd Knaebel wesentlichen Anteil: Er hatte die Ideen, und ich vermittelte sie der Politik. Das funktionierte.
Und die Politik hat überwiegend auf Sie gehört.
Ja, kann man sagen, Wir hatten ein gutes Einvernehmen.
Was war das unangenehmste Erlebnis?
Die Begleitmusik beim Zustandekommen der Neuen Mitte war extrem belastend, so dass ich in der Zeit zum ersten Mal in meinem Leben ein, zwei Nächte nicht geschlafen habe.
Woran lag das?
Die Neue Mitte war nicht unumstritten. Es gab einen Kampf um das Ring-Kaufhaus, weil es von einigen Olpern als erhaltenswertes Patriziergebäude eingestuft wurde, mit Stuckfassade und so weiter. Wir waren dieses Mal aber pfiffiger als beim Hallenbad, als es noch einen Bürgerentscheid gab und standen auf dem Standpunkt, dass ein Bürgerentscheid nicht besser sei als die Strategie der gewählten Amtsträger. Deshalb haben wir alles daran gesetzt, den Olpern zu vermitteln, dass hinter der schäbigen Fassade nur noch ein heruntergekommener Schuppen stand. Dann gab es in der Westfalenpost einen Bericht mit dem ungeheuerlichen Vorwurf: ,Was die Nazis und der Krieg nicht schafften, die Vernichtung jüdischen Eigentums, das schaffen der Bürgermeister und die CDU’. Dazu muss man wissen, dass das Kaufhausgebäude vor dem Krieg im Besitz einer jüdischen Kaufmannsfamilie war, daher der Bezug. Ich las das samstagmorgens und war völlig schockiert.
Eine offenbar spannende politische Zeit?
Ja, spannend. Aber in diesem Fall auch sehr belastend. Heute bezweifelt kaum jemand, dass die Neue Mitte mit Kino, Telekom, Tchibo und dem Bekleidungseinzelhandel für Olpe ein durchschlagender Erfolg geworden ist.
War das das wichtigste Projekt für Olpe?
Ich habe damals mit einem Ausspruch wohl Recht behalten: ,Nichts zu riskieren, wäre mir hier zu riskant gewesen.’ Wir hatten ja viel Geld ausgegeben, um die Immobilien zu kaufen. Aber es hat sich durch Steuereinnahmen rentiert.
Können Sie noch ein weiteres wichtiges Projekt hervorheben?
Ja, die Entscheidung für den Gewerbepark Hüppcherhammer. Auch das hat sich als richtige Strategie erwiesen.
Bereuen Sie eine gravierende Fehlentscheidung?
Eigentlich nicht. Ich hatte mal die Idee eines eigenen Jugendamtes. Das klappte nicht. Es wäre vielleicht auch falsch gewesen.
Jenseits der Bigge wächst ein neuer Stadtteil heran, der mit dem Bau des neuen Rathauses gewaltige Investitionen verlangt. Besteht die Gefahr, dass die Stadt sich angesichts der Baukostensteigerung und explodierender Bauzinsen übernimmt und die alte Innenstadt ausblutet?
Es darf keine Trennung entstehen zwischen neuem und altem Olpe. Es muss eine Sichtverbindung zwischen diesen Bereichen geschaffen werden. Ich glaube nicht, dass das neue gastronomische Angebot dem alten das Wasser abgräbt. Dafür ist die Kundschaft zu unterschiedlich. Das Publikum des Löwen und des Klumpen oder des Bootshauses ist ein anderes als das, was das künftige Brauhaus und das Extrablatt ansteuert. Das sieht man schon an den Kfz-Kennzeichen. Die Gäste vom Extrablatt kommen aus MK, SI, AK und HSK. Verschiebungen werden sich ergeben, aber der Marktplatz wird nicht austrocknen.
Und die Finanzierung des neuen Rathauses?
Die strategische Entscheidung, das alte Rathaus abzureißen, war richtig. Hätten wir das alte saniert, hätten wir immer eine alte Bude gehabt und die Umstrukturierung des Rathauses zum Bürgerhaus nie hinbekommen. Natürlich ist der Einwand berechtigt, dass Baukosten und Zinsen steigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Olpe finanziell daran scheitern wird, da man Finanzierungsmodelle langfristig gestalten kann. Die größere Gefahr, die ich sehe, Bauunternehmen zu bekommen. Was ist, wenn es bei Ausschreibungsergebnissen plötzlich nur horrend hohe Angebote gibt? Das wird möglicherweise das größere Problem sein.
Themenwechsel: Sie sind für 80 Jahre topfit, haben keine Gewichtsprobleme. Welche Rezepte haben Sie fürs gesunde Altwerden?
Ich hatte im Beruf mal ein Kampfgewicht von 94 Kilogramm, jetzt sind es noch 83. Ich bin immer gerne gewandert und gejoggt. Ich wandere oft zwischen 15 und 18 Kilometern.
Machen ihre Knochen das mit?
Da habe ich großes Glück, gehe allerdings auch regelmäßig ins Fitnesstudio, habe deshalb auch keine Rückenbeschwerden mehr. Das darf man im Alter nicht schleifen lassen. Zudem esse ich abends nur noch wenig, das Mittagessen ist meine Hauptmahlzeit.
Wird es am Sonntag eine große Feier geben?
Nein. Wir werden am Samstag mit 40 bis 50 Freunden in den Geburtstag reinfeiern. So groß wird die Gästeschar nicht sein, ich habe in meinem Leben genug Leute besoffen gemacht.
Ihr verbaler Schlagabtausch mit Attendorns Altbürgermeister Alfons Stumpf hatte Kultcharakter. Sie hoben stets hervor, dass Olpe die wahre Perle in der Region sei. Wird Olpe noch die schönste Stadt im Kreis sein, wenn Sie 100 werden?
Die paar Jährchen hält das noch. Aber vorab: Attendorn ist eine sehr schöne Stadt. Eine Altstadt, die im Krieg nicht so zerstört wurde, wie Olpe. Und sie geben sich viel Mühe, das aufzuwerten. Einige sagen, es werde zu viel betoniert, andere finden es schön. Es gab nie einen Streit zwischen Olpe und Attendorn, sondern Frotzeleien wie zwischen Köln und Düsseldorf. Aber ich bin schon stolz darauf, dass Olpe es geschafft hat, diese Innenstadt trotz deutlich geringerer Steuereinnahmen so attraktiv zu erhalten.“
Zur Person:
Horst Müller, am 7. August 1942 in Bergneustadt geboren, begann seine Verwaltungslaufbahn 1969 bei der Kreisverwaltung Olpe und wechselte 1975 zur Stadt Olpe.
Von 1997 bis 2015 war er Bürgermeister der Stadt Olpe.
Müller ist seit 1972 mit seiner Frau Marianne verheiratet.
Ein großes Hobby Müllers ist das Schützenwesen. Von 1991 bis 1997 war er Major des Olper Schützenvereins, die höchste Position in der Vereinsstruktur.