Attendorn. Im Collegium Bernardinum in Attendorn fanden 25 Flüchtlinge mehr als ein neues Zuhause.

Als der frühere Pfarrer von Attendorn, Bernard Pielsticker, im Jahr 1885 den Bau eines Knabenkonvikts anregte, hatte er den akuten Priestermangel im Kopf. Seine Intention war, das Konvikt für Jungen, die Priester werden wollten, zu gründen. Die Anregung wurde in die Tat umgesetzt und es entstand das „Collegium Bernardinum“. Dass hier einmal minderjährige asylsuchende Flüchtlinge aus Syrien, Mali, Guinea, Afghanistan und Tadschikistan für mehrere Jahre wohnen und auf das spätere Leben vorbereitet werden, daran hätte er sicherlich im Traum nicht gedacht.

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Als 2015 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den berühmten Satz „Wir schaffen das!“ anlässlich der Flüchtlingswelle sprach, sollte sich darauffolgend auch im „Collegium Bernardinum“ einiges ändern. Im letzten, einmal im Jahr erscheinenden St.-Bernhard-Brief, sagte die stellvertretende Internatsleiterin Annette Hermes hierzu: „Damals haben wir unter dem Motto ,Wenn nicht wir, wer dann?’ unbegleitete jugendliche Flüchtlinge hier im Internat aufgenommen. Wir hatten Platz, wir hatten die Unterstützung des Trägers (Erzbistum Paderborn, Anm. der Red.), und wir hatten die Motivation, genau diesen Satz umzusetzen: ,Wir schaffen das!’ So fanden im September 2015 im ,Bernardinum’ zunächst 18 unbegleitete minderjährige asylsuchende Flüchtlinge ein neues Zuhause.

Einmal im Jahr fuhren die Flüchtlinge für fünf Tage in Urlaub. Unser Bild entstand in den Sauerländer Bergen. Hier waren sie in der SGV-Hütte in Meggen untergebracht. 
Einmal im Jahr fuhren die Flüchtlinge für fünf Tage in Urlaub. Unser Bild entstand in den Sauerländer Bergen. Hier waren sie in der SGV-Hütte in Meggen untergebracht.  © Meinolf Lüttecke | Meinolf Lüttecke

Es kamen dann später noch einige dazu, so dass 25 Flüchtlinge nicht nur ein Dach über dem Kopf hatten, sondern sich auch an einen für sie ganz neuen Alltag in einem christlichen Haus gewöhnen mussten. Hier gibt es Regeln und der Fokus ist auf das Lernen gelegt. Resümierend sagt Annette Hermes im Gespräch mit unserer Redaktion: „Die schlimmen Fluchtgeschichten, die wir in der Zeitung gelesen haben, fanden sich bei uns wieder.“ Die Wünsche, die einige hatten, mussten aufgegeben und in neue Träume verwandelt werden. Dazu kamen die Botschaften aus ihrer alten Heimat. Die Sorgen, die sie sich um ihre Familien machten, die weiterhin in den Krisengebieten lebten.

Ehrenamtliche unterstützen

Im Konvikt wurden vorab die Internatsschüler über die Aufnahme der Flüchtlinge informiert. Ihnen wurde versprochen, dass jeder Schüler sein eigenes Zimmer behält. Aber ansonsten wurde doch einiges anders. Das Haus, das an den Wochenenden im Rhythmus von 14 Tagen geschlossen war, blieb jetzt geöffnet. Auch in den Ferien. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten sich teilweise an neue Dienstzeiten gewöhnen. Gute Unterstützung fand das Konvikt durch Ehrenamtliche. Die Flüchtlinge merkten sehr schnell, dass man im „Collegium“ die besten Chancen hatte, ein gutes Rüstzeug fürs Leben zu bekommen.

Die „Neuen“ integrierte man in die vier Internatsgruppen, dadurch wurde das Zusammenleben mit den angestammten Internatsschülern erleichtert. Aber das Schulische in einem fremden Land zu bewältigen, die deutsche Sprache zu erlernen, all das waren große Herausforderung für die aus den Krisengebieten gekommenen jungen Menschen. Auch beim Essen mussten sich die jungen Menschen erst einmal umgewöhnen, denn sie waren keine deutsche Küche gewohnt.

Es wurde an alles gedacht: Im Jahre 2017 besuchten die Flüchtlinge einen Tanzkursus.
Es wurde an alles gedacht: Im Jahre 2017 besuchten die Flüchtlinge einen Tanzkursus. © Meinolf Lüttecke | Meinolf Lüttecke

Einmal im Jahr hieß es „Urlaub“. Das war sicherlich kein schwieriges Unterfangen. Eine fünftägige Urlaubstour innerhalb von Deutschland stand an. Der Center Parcs an der Nordsee, Hamburg, Berlin oder auch die SGV-Hütte in Meggen, all das waren Ziele, die den Flüchtlingen sicherlich dauerhaft in Erinnerung bleiben werden.

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Die Jahre gingen ins Land und so hieß es auf einmal, schon wieder Abschied nehmen, denn eine Ausbildung oder ein Studium waren die nächste Etappe. Nach der Mittleren Reife entschied sich ein junger Mann beispielsweise für den Beruf des Maschinen- und Anlagenführers, ein anderer für den des Industriemechanikers. Ein Flüchtling ist jetzt Beikoch im Hotel Platte. Er wohnt außerdem eigenständig in einer kleinen Wohnung. Drei junge Männer gingen zum Studium: In Aachen studiert einer Informatik, ein anderer Wirtschaftsingenieurwesen, und in Bonn ein weiterer Zahnmedizin. Ein 18-Jähriger aus Guinea, der 2019 nach Deutschland gekommen war, wohnt noch im „Collegium Bernardinum“. Er macht derzeit eine Einstiegs-Qualifizierungsmaßnahme bei der Firma Viega.

Fazit: Die Verantwortlichen haben das Ziel erreicht. Sie sagen: „Wir haben es geschafft!“, denn die meisten konnten ihren Platz in der Gesellschaft finden.