Lenhausen. Das Ehepaar Schulte aus Lehnhausen musste nach der Flut vorübergehend aus ihrem Haus ausziehen. Für sie war 2021 trotzdem kein schlechtes Jahr.

Für Mechthild und Hermann Schulte aus Lenhausen war es ein turbulentes Jahr. Wenn sie jetzt auf ihrem schwarzen Ledersofa im warmen Wohnzimmer sitzen, können sie darüber lachen. „Man muss ja das Positive sehen und sich darauf konzentrieren“, sagt Mechthild Schulte. Sie streicht über die Sitzfläche der Couch, die vor einigen Monaten noch nicht hier stand. Sie war ein Geschenk des Nachbarn ihrer Schwester aus Attendorn. „Darüber haben wir uns sehr gefreut. Es ist schön zu sehen, wie sich Menschen in der Not unterstützen“, sagt sie.

Erinnerungen an das Juli-Hochwasser: „Das Wasser drückte sich von unten durch“

Am 14. Juli dieses Jahres ging alles plötzlich ganz schnell. Mittags hatte das Ehepaar die Flut-Bilder aus Hagen im Fernsehen gesehen. „Da haben wir uns noch glücklich geschätzt, dass wir nicht vom Hochwasser betroffen waren“, erzählt die 65-Jährige. Ein paar Stunden später lief der angrenzende Fretterbach über. Der komplette Hof vor ihrem Haus verwandelte sich innerhalb kürzester Zeit in einen schmutzigen Teich. Gegen 18 Uhr kroch das Wasser schließlich in das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in der Alten Schloßstraße 4. „Das Wasser drückte sich von unten durch“, erinnert sich Hermann Schulte. Das Haus ist nicht unterkellert. Alles lief direkt ins Erdgeschoss, in dem die Schultes wohnen. Flur, Bad, Küche, Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer – überall braunes Wasser.

„Wir haben den Strom abgestellt und haben so schnell wie möglich Möbel und persönliche Gegenstände ins Obergeschoss getragen“, erzählt Mechthild Schulte. Das, was sie nicht in die erste Etage tragen konnten, haben sie auf Pflastersteinen gestapelt. Den Holzbettrahmen im Schlafzimmer zum Beispiel. Am nächsten Morgen waren die Wassermassen verschwunden. Die Arbeit damit aber noch lange nicht. Der Teppich hatte sich mit Wasser vollgesogen, sodass er bei jedem Schritt schmatzte. Schlammschlieren zogen sich über die Fliesen im Bad und Flur. Der Holzboden im Arbeitszimmer hatte sich um mehrere Zentimeter hochgebogen. Die Tapete an den Wänden: verdreckt und gewellt. Erst im April 2020 war das Ehepaar in das Fachwerkhaus zur Miete eingezogen. „Bei unserem Einzug hatte ich alles neu gemacht. Neue Fliesen, neuer Teppichboden, alles komplett neu tapeziert“, erzählt der 67-jährige Rentner. Durch das Hochwasser wurde das renovierte Haus plötzlich unbewohnbar.

Land zahlt ihnen 1500 Euro Soforthilfe aus

Das Ehepaar kam kurzfristig beim Sohn unter, der ebenfalls im Dorf wohnt und vom Hochwasser weitestgehend verschont blieb. Kurz darauf zogen die Schultes übergangsweise nach Plettenberg, wo ein Neffe von Mechthild Schulte ein leerstehendes Haus hat. „Dort haben wir etwa drei Wochen gewohnt. Aber ich wollte schnell wieder zurück nach Lenhausen“, sagt sie und lacht. Hier ist sie geboren und aufgewachsen, hier arbeitet sie, hier fühlt sich das Ehepaar wohl. „Wir haben nie darüber nachgedacht aus dem Haus auszuziehen oder von hier wegzuziehen.“ Also fingen die Schultes wieder von vorne an.

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Da ihr Vermieter über keine Elementarversicherung verfügte, konnten die durch das Hochwasser entstandenen Schäden nicht abgedeckt werden. „Unser Vermieter ist uns aber großzügig mit der Miete entgegengekommen, sodass wir die Zeit gut überbrücken konnten“, so Hermann Schulte. Auch die vom Land NRW bereitgestellte Soforthilfe funktionierte so unbürokratisch wie sie versprochen wurde. „Am Montag hatten wir die Hilfe beantragt, am Mittwoch war das Geld schon auf dem Konto.“ 1500 Euro wurde den Schultes bewilligt.

Das Haus der Schultes in der Alten Schloßstraße in Lenhausen war nach dem Hochwasser unbewohnbar.
Das Haus der Schultes in der Alten Schloßstraße in Lenhausen war nach dem Hochwasser unbewohnbar. © Britta Prasse

Am Anfang ihres Wiedereinzugs stand nicht mehr als das Bett, der Fernseher und das Gartenmobiliar mit zwei Plastikstühlen im Erdgeschoss. Leben auf einer Baustelle. „Wir haben von morgens bis abends gelüftet. Türen und Fenster standen die ganze Zeit offen, damit sich kein Schimmel bildet“, sagt Mechthild Schulte. Für die Nacht platzierten sie einen Bautrockner zwischen Arbeits- und Wohnzimmer, um die Feuchtigkeit aus Boden und Wänden zu ziehen, während sie nebenan im Schlafzimmer schliefen. „Wir haben nur ein Gerät bekommen, weil die Maschinen zu dieser Zeit natürlich sehr gefragt und nicht genügend vorhanden waren.“

Aufräum- und Renovierungsarbeiten ziehen sich bis in den Oktober hinein

Als Wände und Böden getrocknet waren, fingen für Herrmann Schulte all jene Renovierungsarbeiten wieder an, die er erst ein Jahr vorher erledigt hatte. Tapezieren, streichen, Teppich verlegen. Die Arbeiten zogen sich bis in den Oktober hinein. „Und wochenlang haben wir irgendetwas gesucht. Damals musste ja alles ganz schnell gehen. Wir hatten keinen Überblick mehr, wo was ist“, erzählt Mechthild Schulte und lacht über die Erinnerung an das Chaos. Etwa die Hälfte ihrer Möbel konnten sie vor dem Hochwasser retten. Den Rest mussten sie sich nach und nach dazu kaufen. Oder bekamen einiges geschenkt. Wie das schwarze Ledersofa.

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Mittlerweile haben es sich die Schultes wieder gemütlich gemacht in ihrem Fachwerkhaus. Für die Weihnachtszeit haben sie eine Holzkrippe im Flur aufgebaut. An den Fenstern hängen Lichterketten. „Weihnachten wieder hier zu verbringen, das tat der Seele gut“, meint Mechthild Schulte. Sie und ihr Mann wünschen sich für das nächste Jahr vor allem Ruhe. Keine Katastrophen mehr. „Wobei auch dieses Jahr schöne Dinge für uns bereithielt. Im Februar ist zum Beispiel unser erstes Enkelchen geboren.“ Im nächsten Jahr vielleicht noch mal Oma und Opa zu werden, das könnten sich die Schultes gut vorstellen.