Kirchveischede. Jäger Peter Scholle aus Kirchveischede befreit einen havarierten Habicht aus einem Drahtzaun.

„Sowas erlebt man nur einmal“, ist Peter Scholle überzeugt. In den 36 Jahren, seit dem er den Jagdschein besitzt, hat sich zwar schon so manches Kuriosum ereignet, aber dass er einem Habicht die Freiheit schenken und vielleicht sogar das Leben retten würde, daran hätte er bis letzten Donnerstag keinen Gedanken verschwendet.

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Zur Mittagszeit klingelte bei ihm zuhause das Telefon. Ein Notfall. Aber der besonderen Art, also kein Wildunfall, zu dem der 70-Jährige oft gerufen wird. Am Hühnerpirk der Familie Dutkewitz in der Straße Am Knapp in Kirchveischede hatte sich ein größerer Vogel in einem Drahtzaun verfangen. Peter Scholle packte Handschuhe und ein scharfes Messer ein und machte sich auf dem Weg zum „Unfallort“.

Bruchlandung im Maschendrahtzaun

Die Sachlage war schnell geklärt: Das Hühnergehege hatte die Aufmerksamkeit eines Habichts erregt. Möglicherweise sah der Greifvogel schon einen leckeren, vorweihnachtlichen Hühnerbissen vor dem geistigen Auge, so dass er beim Anflug den Maschendrahtzaun übersah. Noch bevor er das Landemanöver abbrechen konnte, hatte der Vogel sich mit einer Kralle in dem Drahtgeflecht verheddert. „Da wäre er nie mehr alleine rausgekommen“, so Peter Scholle. Zunächst war nicht ganz klar, zu welcher Spezies von Greifvögeln der Vogel gehört: ein Turmfalke, die jedes Jahr im Turm der Servatius-Kirche überwintern, ein Habicht oder doch ein Bussard?

Falkner Alexander Fischer, der die Greifvogel-Pflegestation in Hünsborn betreut, löste anhand der Fotos das Rätsel. „Ich tippe ganz stark auf einen Rot-Habicht vom letzten Jahr“. Angesichts der Größe vermutet er einen Terzel, also ein männliches Tier. Wie lange der Vogel in seiner misslichen Situation am Hühnerpirk ausharren musste, ist nicht bekannt. Immer wieder flatterte er mit den Flügeln, um sich doch noch aus dem Zaun zu befreien. Doch dadurch verhedderte er sich immer mehr in dem Draht. Gut für das gackernde Federvieh am Boden, denn so konnte der Vogel unter den Bewohnern des Hühnerstalls kein vorweihnachtliches Gemetzel mehr anrichten.

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Peter Scholle ging langsam auf das Tier zu, wohlwissend, dass der panische Vogel ihn verletzen könnte. „Das Gefährliche ist noch nicht einmal der Schnabel, sondern man muss auf die scharfen Krallen aufpassen“, so der Jäger.

Plötzlich wird der Vogel ganz ruhig

Dann beruhigte sich das Tier mehr und mehr. Als ob der Vogel gespürt hatte, dass ihm seitens des Jägers keine Gefahr droht. Peter Scholle: „Der hat mich angeguckt und genau beobachtet, was ich mache.“

Der Jäger fasste den Vogel an der freien Kralle, bog mit dem Messer den Drahtzaun auf und befreite die zweite Kralle. Als er sicher war, dass sich der Vogel bei seiner Bruchlandung im Drahtgeflecht nicht verletzt hatte, warf er ihn in die Höhe und schon flatterte der Habicht - vermutlich ziemlich erleichtert - in die Freiheit davon. Fazit: Glückliches Ende für alle - für Habicht, Hühner, Hühnerhalter - und auch für Jäger Peter Scholle.