Kreis Olpe. Lena Reichel aus Neuenkleusheim ist freie Traurednerin. Sie ermöglicht Paaren eine Trauung außerhalb der Kirche. Eine Zeremonie fürs Herz.

Es ist der Wunsch von vielen Paaren. Irgendwann mal nebeneinander stehen. Mit klopfendem Herzen. Der Anzug sitzt, der Schleier bedeckt das Haar. Und dann ist er da. Dieser eine Moment. Diese eine Frage. Lena Reichel ist eine der Menschen, die diese Frage stellt. Allerdings nicht in der Kirche. Sie ist keine Pfarrerin, keine Standesbeamtin – sie ist freie Traurednerin. Die junge Frau aus Neuenkleusheim schenkt Menschen diesen besonderen Tag. Fern von Religion, fern von Zwängen, fern von Gesetzen. Trauungen, die „nur“ fürs Herz sind.

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Lena Reichel ist 34 Jahre alt und ist in Neuenkleusheim aufgewachsen. Eigentlich ist die junge Frau Lehrerin. Sie hat Kinder in Grundschulen in Menden, Dortmund und Köln unterrichtet. Doch irgendwann kam der Wunsch auf, etwas Neues auszuprobieren. Sich neu zu orientieren. 2018 war sie bei ihrer Cousine auf der Hochzeit eingeladen. Es war keine Zeremonie in der Kirche – sondern eine freie Trauung. „Das war ganz neu für mich“, erzählt sie. „Vorher war mir dieses Thema noch nicht begegnet.“

Die Zeit der Vorbereitung

Und so kam sie auf die Idee, sich selbstständig zu machen. Aber nicht von heute auf morgen. Sie besucht ein Hochzeitsredner-Seminar in Remscheid, lernt, was zu einer freien Trauung dazugehört. Oder besser gesagt, dazugehören kann. Denn jede Zeremonie ist individuell. Eben genauso individuell, wie die Paare. Wie ihre Geschichte. Wie ihre Liebe. Dementsprechend viel Zeit nimmt die Vorbereitung in Anspruch. Lena Reichel möchte die Paare kennenlernen. Ihre Eigenheiten. Die Art, wie sie miteinander umgehen. Die

Ein Paar hat sich auf dem Toelleturm in Wuppertal trauen lassen.
Ein Paar hat sich auf dem Toelleturm in Wuppertal trauen lassen. © Christin Schmitz

ganzen Kleinigkeiten, die ihre Beziehung ausmachen. Darauf stimmt sie ihre Rede ab. „Es geht darum, Zwischentöne zu erkennen“, erklärt sie. „Schließlich sollen sich die beiden auch wiedererkennen.“

Die Zeit der Vorbereitung ist intensiv. Nach dem ersten Kennenlernen bekommen die Paare Zeit, Fragebögen auszufüllen. Zuhause ganz in Ruhe. Fragen wie, was waren Meilensteine in der Beziehung? Was sind gemeinsame Träume? Gibt es vielleicht lustige Anekdoten? Quasi die Basis für die darauf folgenden Gespräche – die häufig auch sehr emotional sind. „Das liefert Anstöße für tiefgründige Gespräche“, sagt die Traurednerin. „Da kullert schon mal das ein oder andere Tränchen.“ Die Vorbereitungszeit liefert auch Ideen für Rituale. Für ein Paar hat Lena Reichel mal ein Tau gebastelt, an denen während der Zeremonie „Meilensteine der Beiziehung“ befestigt wurden. Dazu hat Lena Reichel kleine Anhänger mit dem 3D-Drucker hergestellt. Ein Pizza-Stück, das symbolisch für das erste Treffen in der Pizzeria stand. Oder ein Boot, weil er ihr einen Antrag auf dem Gardasee gemacht hatte. „Das macht wahnsinnig viel Spaß“, freut sich die 34-Jährige. „Es kostet zwar viel Zeit, aber das lohnt sich wirklich.“

„In guten wie in schlechten Zeiten“ – ein Satz, der bei der Eheschließung nicht fehlen darf. Ein Satz, der für den Zusammenhalt, für das Meistern von Herausforderungen steht – aber auch nicht sonderlich kreativ ist. Lena Reichel setzt bei der Trauung auf das individuelle Ja-Wort. „Willst du immer freitags mit mir zusammen Gin Tonic trinken und Pizza essen?“, hat sie ein Paar mal gefragt. In diesem einen Moment. Dieser Moment, wo es nur um sie geht. Sie beide. Ihr Liebe, ihre Geschichte – und eben ihre gemeinsamen Freitage mit Gin und Pizza.

Organisation der Zeremonie

Lena Reichel spricht nicht nur die Rede. Sie organisiert die komplette Trauzeremonie. Für verliebte (gleichgeschlechtliche) Paare aus dem Kreis Olpe oder weit darüber hinaus. Eine freie Trauung ist nicht rechtskräftig. Manche buchen Lena Reichel, um sich am Jahrestag noch mal ein Versprechen zu geben. Die meisten verbinden es aber mit dem Standesamt. Erst das Formelle, dann die Zeremonie. „Nur das Standesamt ist vielen zu trocken“, erzählt Lena Reichel. „Kirche hat aber nicht für jeden so eine große Bedeutung. Und daher fühlt es sich für einige nicht ganz richtig an, kirchlich zu heiraten.“

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Freie Trauungen bringen viele Freiheiten mit sich. Getraut werden kann überall. Auf der Wiese, im Wald, zuhause im Garten – oder auch ganz woanders. Vielleicht auch mal oben auf einem Turm? Ein Paar hat sich mal auf dem Toelleturm in Wuppertal die Treue geschworen. Ein Turm, der über den Sorgen des Alltags steht. Ein Turm, der genauso groß ist, wie ihre Liebe. Mindestens.