Olpe/Attendorn. Alexander Spreemann aus Olpe ist kleinwüchsig und geistig beeinträchtigt. Im Job und im Alltag geht er selbstbewusst mit seinem Handicap um.

„Wir arbeiten von links nach rechts“, sagt Alex. Aus Schrauben, Muttern, Plastik- und Metallteilen soll ein Verbindungsstück für ein Befestigungselement werden. „Wenn alles zusammengelegt ist, schieben wir das hier ‘rein und unter Druckluft wird es zusammengepresst. Wir kontrollieren dann zum Abschluss noch mal, ob auch nichts abbrechen kann“, erklärt der 24-Jährige. Wenn er von seinem Job erzählt, schwingt Stolz in seiner Stimme mit. Stolz, dass er trotz seiner Schwierigkeiten einer geregelten Arbeit nachgehen kann.

Erfolgserlebnis: Hubwagen fahren

Alexander Spreemann, den sie hier nur „Alex“ nennen, arbeitet seit mittlerweile sechs Jahren in den Werthmann-Werkstätten in Attendorn. Genauer: in der mechanischen Montage. In der Arbeitsgruppe sind noch 26 weitere Beschäftigte. Alex stellt Verbindungsstücke her, verpackt Hahnverlängerungen oder versieht Einschlagwerkzeug mit Aufklebern. „Mir macht dieser Bereich am meisten Spaß. Ich hab’ zwar auch mal in der Schreinerei gearbeitet, aber hier hat es mir besser gefallen“, sagt der 24-Jährige. Besonderes Erfolgserlebnis: Seit vergangener Woche darf er nun auch den Hubwagen bedienen. Das war bislang sonst nur den Gruppenleitern vorbehalten.

Seit Kurzem hat Alexander Spreemann auch einen Hubwagenführerschein.
Seit Kurzem hat Alexander Spreemann auch einen Hubwagenführerschein. © Britta Prasse

„Alex hat eine gute Auffassungsgabe, lernt schnell und ist vielseitig einsetzbar“, sagt Fachkraft Christoph Kleinke. Er traut ihm zu, dass er auch in der freien Wirtschaft Anschluss finden würde.

Bis zu seinem 18. Lebensjahr besuchte Alex die Max-von-der-Grün-Schule in Olpe. Eine Förderschule mit den Förderschwerpunkten körperliche und motorische Entwicklung. Schon zu der Zeit habe er mal ein dreiwöchiges Praktikum in den Attendorner Werthmann-Werkstätten gemacht, praktische Erfahrungen in der Schreinerei und im Lager gesammelt. Auch ein paar seiner Mitschüler schnupperten schon mal in die Arbeitswelt der Werthmann-Werkstätten hinein; einige sind wie Alex bis heute geblieben.

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Alex ist einer der wenigen, der mit Bus und Bahn zur Arbeit fährt. Selbstständig, ohne Begleitung. „Ich stehe morgens gegen 5.20 Uhr auf und gehe kurz nach 6 Uhr aus dem Haus. Ich brauche etwas länger als eine Stunde bis zur Arbeit“, sagt der 24-Jährige. Von seiner Wohnung in Olpe, in der er mit zwei anderen, unterstützungsbedürftigen Männern wohnt, läuft er zunächst zum Olper Bahnhof und fährt von dort mit dem Zug nach Attendorn. Anschließend nimmt er die L 521 Richtung Ennest. „Im Sommer bin ich auch schon mal mit dem Fahrrad hergefahren“, erzählt Alex. Mit einem klassischen Fahrrad, kein E-Bike.

Diskriminierung? „Menschen wie Alex gehören ganz normal zum Stadtbild“

Alex ist grade mal 1,50 Meter groß. Er fällt unweigerlich auf. Wurde er deswegen schon mal diskriminiert? „Es kommt immer mal wieder vor, dass jemand auf der Straße sagt: ‘Wie sieht der denn aus?!’ Aber darauf reagiere ich gar nicht. Die wollen nur stänkern.“ Alex wirkt ernsthaft desinteressiert an solchen Aussagen. Achselzucken und ein leichtes Lächeln. „Ich denke, dass Menschen wie Alex ganz normal zum Stadtbild von Attendorn oder Olpe gehören. Man sieht immer wieder Menschen aus den Werthmann-Werkstätten im Supermarkt oder auf der Straße. Die Leute sind zum Glück daran gewöhnt“, meint Christoph Kleinke. In größeren, anonymeren Städten könne das schon anders aussehen.

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Alex kommt gerne in die Werkstatt. Nicht nur, weil ihm die Arbeit Spaß macht, sondern weil er hier auch mit einigen seiner besten Freunde zusammensein kann. Mit Jan, zum Beispiel. Doch auch nach Feierabend machen die beiden jungen Männer gerne etwas zusammen, fahren zum Beispiel mit dem Zug nach Siegen, um dort in Elektro-Geschäften zu stöbern oder sich in ein Café zu setzen. Unternehmungen, die Alex sehr während des Lockdowns vermisst hat. In der ersten Welle – von Mitte März bis etwa Ende Mai 2020 – waren die Werthmann-Werkstätten für den Großteil der Beschäftigten geschlossen. Zu unsicher, zu gefährlich. Plötzlich fehlte die Routine, das Gefühl, einer sinnhaften Tätigkeit nachzugehen. „Ich war viel zuhause. Man konnte ja nicht viel machen! Ich habe viel an der Konsole gespielt“, erinnert sich Alex. Immerhin war er nicht allein, sondern mit seinen Mitbewohnern zusammen.

Wenn Alex über die Zukunft nachdenkt, dann könnte er sich zwei Dinge ganz gut vorstellen: mit seinem Freund Jan in eine neue WG zu ziehen und vielleicht irgendwann mal eine Arbeit außerhalb der Werthmann-Werkstätten zu haben. Die bei den Werkstätten angesiedelte Abteilung „extern“ vermittelt Menschen mit Behinderungen nämlich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Aktuell arbeiten fast 40 von insgesamt 650 Beschäftigten auf einem Außenarbeitsplatz. Vielleicht könnte Alex schon bald dazu gehören. „Das Zeug hat er auf jeden Fall dazu“, so Christoph Kleinke.