Kreis Olpe/Melbecke. Die Bauern im Kreis Olpe stehen unter einem immer größeren Druck. Einige haben sich aus der klassischen Landwirtschaft bereits verabschiedet.
Wie viele seiner Kollegen wünscht sich Stefan Becker-Borggräfe von der neuen Bundesregierung vor allem eines: Planungssicherheit und eine Perspektive für die Landwirtschaft. Der 32-Jährige aus Grevenbrück, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Ortsverbandes Lennestadt, bewirtschaftet nach dem plötzlichen Tod des Vaters zusammen mit Mutter und Bruder einen Betrieb mit 60 Milchkühen. „Wo will die Gesellschaft mit der Landwirtschaft hin?“, fragt sich nicht nur der junge Bauer.
Diese Frage konnte auch Michael Richard auf der jährlichen Erntedank-Pressekonferenz des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes nicht beantworten. Aber der Vorsitzende aus Petmecke (Lennestadt) nutzte den Pressetermin auf dem Quinkenhof in Melbecke, um über die Situation und Erwartungen der heimischen Landwirtschaft zu informieren.
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„China rettet gerade die Waldbauern und lässt die Schweinezüchter vor die Wand fahren“, brachte Richard die Stimmung auf den Punkt. Wegen des enormen Bedarfs an Bauholz in Asien sei der Holzpreis wieder akzeptabel. Auf der anderen Seite importiert China wegen der Afrikanischen Schweinepest kaum noch Schweinefleisch aus Deutschland. „Wir versinken im Schweinefleisch“, malte Michael Richard ein düsteres Szenario von der Branche.
Erst die Corona-bedingte Schließung der großen Schlachthöfe, jetzt der Importstopp: Das auf Eis gelegte China-Geschäft unterbricht und verstopft die Lieferketten. Dazu kommt laut Richard noch „die enorme Unsicherheit“ infolge der Tierwohl-Diskussion bei den Züchtern. Viele Landwirte könnten sich die enormen Investitionen für neue Ställe nicht leisten. Deshalb fordert der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) eine staatliche Umstrukturierungsprämie: sprich Hilfen für Betriebe, die die Schweinezucht aufgeben müssen.
„Urlaub auf dem Bauernhof“ wird wichtiger
Von der klassischen Landwirtschaft haben sich Tina und Guido Quinke, die 2002 auf dem Quinkenhof, bis 1992 ein Milchviehbetrieb, mit „Urlaub auf dem Bauernhof“ eingestiegen sind, längst verabschiedet. Das Ehepaar setzt wie fast alle Nachbarn im Melbecketal auf Pferde und Ferienwohnungen. Schon die Eltern von „Quereinsteiger“ Guido Quinke begannen in der Zeit, als Winnetou-Kultstar Pierre Brice bei den Karl-May-Festspielen im nahen Elspe für Rekordbesuche sorgte, mit der Vermietung von Gästewohnungen.
Rund 50 Islandpferde stehen heute auf der Weide und im Stall des Quinkenhofs. Neben der Reitschule besitzt das Ehepaar Quinke noch eine kleine Schafherde und etwas Forstwirtschaft. „Wir haben eine kleinen Gemischtwarenhandel mit dem Schwerpunkt Tourismus“, beschrieb Guido Quinke beim Pressetermin in der gemütlichen Tenne seinen immer noch landwirtschaftlich geprägten Betrieb. Auch für die Quinkes hatte die Corona-Pandemie mit dem monatelangen Lockdown erhebliche finanzielle Folgen.
Ihre vier Kinder sind alle schon außer Haus. Ob ein(e) Nachfolger(in) auf dem Quinkenhof in Sicht ist? Die älteste Tochter könnte sich das vorstellen. „Die Schulen sind voll mit Leuten, die Landwirte werden wollen“, konnte Michael Richard Erstaunliches melden. Und das trotz der zunehmenden Bürokratie und immer mehr behördlichen Auflagen, der Entfremdung zwischen Kunden und Erzeugern, den steigenden Energiepreisen oder einer drohenden Knappheit von Düngemitteln. Und vom Wolf haben wir noch gar nicht gesprochen.