Lennestadt/Kreis Olpe. Ratsherr Jürgen Dolle aus Lennestadt ist Corona-Risikopatient. Nun reichte er eine Petition ein, um per Video an Sitzungen teilnehmen zu dürfen.
Mitmachen können, nicht außen vor bleiben, überall, jederzeit und für jeden: Das ist das Ziel, für das sich der Lennestädter SPD-Ratsvertreter Jürgen Dolle (52) aus Grevenbrück einsetzt: „Es geht nicht nur um mich als Ratsvertreter, und es geht nicht nur um die Coronazeit, sondern um alle zu jeder Zeit.“ Deshalb überreichte er am Montag Abend eine Petition an die Attendorner SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari und virtuell auch an Serdar Yüksel (SPD), den Vorsitzenden des Petitionsausschusses in Nordrhein Westfalen, der während der Pressekonferenz zur Petition virtuell zugeschaltet war und der Petition seine volle Unterstützung zusagte.
Genau um die Möglichkeit, von seinem Wohnort in Grevenbrück aus über einen Computer und eine Kamera direkt mit anderen in Kontakt treten zu können, vor allem mit dem gesamten Stadtrat und den Ausschüssen, das ist das Ziel Dolles, dem der mit seiner Petition näherkommen möchte.
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Rückblende: Jürgen Dolle ist seit vielen Jahren aufgrund einer Multiple-Sklerose-Erkrankung auf den Rollstuhl angewiesen. Zudem gilt er in Coronazeiten als Hoch-Risiko-Patient. Die allgegenwärtige Ansteckungsgefahr hielt ihn davon ab, sein im September 2020 erhaltenes Amt als Ratsvertreter wahrzunehmen, nachdem die Ansteckungszahlen in die Höhe schnellten, viele Menschen ihr Leben verloren oder schwer krank auf der Intensivstation behandelt werden mussten.
Gesetz sieht bislang keine digitale Beteiligung vor
Dolle kämpft jetzt dafür, dass er digital an allen Sitzungen teilnehmen kann und wirbt darum, das auch anderen Menschen mit Handicaps zu ermöglichen, für die es schwierig bis unmöglich sei, die jeweiligen Sitzungen verfolgen zu können. Heinz Vollmer wies in dem Zusammenhang daraufhin, dass es beispielsweise fast unmöglich sei, aus dem fernen Ost- und Nordkreis mit dem Bus eine Kreistagssitzung in Olpe besuchen zu können.
Doch die aktuelle Rechtslage stehe dem im Wege: „Laut Paragraf 48 der Gemeindeordnung für NRW müssen Ratssitzungen öffentlich sein, und diese Öffentlichkeit müsse in Form einer sogenannten Saalöffentlichkeit hergestellt sein“, hob Dolle am Montag hervor und wurde auch von Serdar Yüksel und Nezahat Baradari bestätigt. Deshalb die wesentliche Forderung in der Petition: „Vor diesem Hintergrund (...) fordern wir die Landesregierung von Nordrhein Westfalen auf, schnellstmöglich eindeutige, rechtssichere Rahmenbedingungen für die Durchführung digitaler Formate auch in der Kommunalpolitik zu schaffen. Demokratie lebt vom Mitmachen aller gesellschaftlicher Gruppierungen.“ Digitale Beteiligungsformate müssten den bisherigen Präsenzformaten für Rats- und Ausschusssitzungen gleichgestellt werden.
Dolle hält eine digitale Öffnung der politischen Sitzungen auch mit Blick auf die jüngere Generation für wichtig, wenn man deren Interesse an Kommunalpolitik stärken wolle: „Es ist praktisch, es gibt keine langen Wege, ich mache das beruflich seit vielen Jahren.“
Manche Ratsvertreter fürchten Live-Druck
Heinz Vollmer bestätigte, dass Versuche, Interessierte in die Rathäuser zu locken und für die politischen Sitzungen zu interessieren, wenig erfolgreich seien. Dolle: „Nur so können wir junge Menschen gewinnen, indem wir sie in ihrer Lebenswirklichkeit abholen.“
Der Gemeinde- und Städtebund macht in einer Stellungnahme zum Thema „Digitale Rats- und Ausschusssitzungen“ darauf aufmerksam, dass es auch datenschutzrechtliche Gründe geben könne.
Randnotiz: In der jüngeren Vergangenheit hatte es in mehreren Städten und Gemeinden den Vorschlag gegeben, Ratssitzungen live zu übertragen und übers Internet für jeden zugänglich zu machen. Kritik wurde daran unter anderem laut, da Ratsvertreter sich dem Live-Druck nicht aussetzen wollten, da beispielsweise jeder rhetorische Aussetzer oder Stolperer dann im Netz auftauche.