Kreis Olpe. Im Wahlkampf stehen die Zeichen auf Klimaschutz. Das beunruhigt die Windkraftgegner im Kreis Olpe, Windbauern hoffen auf Rückenwind.
Wer sich die politische Großwetterlage derzeit anschaut, dem entgeht nicht, dass sich fast alle Parteien darin überbieten, den Klimaschutz auf ihr Schild zu heben. Selbst CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der in der Windenergiebranche in NRW bisher als Bremser wahrgenommen wird, legt ein 15-Punkteprogramm für die erneuerbaren Energien vor, will beispielsweise die Genehmigungszeit für Windkraftanlagen deutlich reduziert wissen. Aber wie sehen die Akteure vor Ort diesen Sinneswandel und die sich abzeichnende Mehrheit in der Gesellschaft für Klimaschutz und Windenergie?
Zwei Prozent eine riesige Fläche
Matthias Reißner, Vorsitzender der Bürgerinitiative Gegenwind Olpe/Drolshagen/Wenden: „Was da passiert, ist Wahnsinn. Ich bin sehr gespannt, wohin die Reise geht. Ich würde mir wünschen, dass man über dieses Thema so offen diskutieren könnte wie über die Corona-Pandemie.“ Viele Menschen, auch Politiker, seien nicht im Bilde, was die Fakten angehe. Die politische Stimmungslage bei den etablierten Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP zeige derzeit, wo die Reise hingehen solle.
Reißner: „Ich habe bisher geglaubt, dass die Politik am Ende des Tages das Richtige machen wird. Dazu habe ich meine Meinung geändert.“ Nicht zuletzt der Regionalplan mache die Dimensionen deutlich, wenn zu befürchten sei, dass allein in der Gemeinde Kirchhundem 80 bis 90 Windräder möglich seien. Die Ankündigung, dass zwei Prozent aller Flächen für die Windenergie zur Verfügung gestellt werden sollten, wecke große Befürchtungen.
Niemand wolle ein Atomkraftwerk vor der Haustüre haben, wenn er sich aber 80 oder 90 Windräder oder vielleicht nur 50 um einen Ort herum vorstelle, stelle sich die Frage, was denn schlimmer sei. Reißner: „Nimmt man alle Autobahnen sowie Bundes- und Landstraßen zusammen, kommen wir in Deutschland auf eine Fläche von rund 0,8 Prozent der Gesamtfläche, das macht die Dimension deutlich, wenn man von zwei Prozent spricht.“
Grundsätzlich bezweifelt Reißner, dass der Strom aus erneuerbaren Energien zum größeren Teil überhaupt verwertet werden könne: „Deutschland wird auf Strom aus Nachbarländern wie Frankreich, Polen oder Tschechien angewiesen sein, wenn wir alle konventionellen Kraftwerke abschalten.“ Was geschehe denn, wenn es irgendwann einmal politische Konflikte mit diesen Ländern gebe.
Politischer Druck nimmt zu
Georg Schmidt von der Interessengemeinschaft (IG) Gegenwind Frettertal teilt viele Bedenken seines Kollegen aus dem Südkreis: „Der politische Druck nimmt auf Landes- und Bundesebene immer mehr zu. Grundsätzlich ist es auch richtig, erneuerbare Energien zu nutzen. Aber ich stelle jedem Politiker, den ich zu diesem Thema zu fassen bekomme, die Frage: Gibt es Stromspeicher?“ Entweder fehle dann die Kompetenz oder die Antwort sei: ,Nein, es gibt keine Speicher.’ Deshalb erschließt sich mir der Nutzen von Windrädern nicht.“ Zudem hätten Windräder im Wald nichts zu suchen, da der Flächenverbrauch der Anlagen, inklusive der Zufahrten und Netztrassen zu groß sei. Schmidt: „Aber die Lobby der Branche hat es geschafft, dass in Deutschland Klimaschutz immer direkt mit Windrädern in Verbindung gebracht wird.“
Auf die Frage, ob er nach der Bundestagswahl mit einem spürbaren Aufschwung der Windenergiebranche rechne, verwies er auf den Regionalplanentwurf: „Dort sind schon Flächen drin, die eigentlich niemand mehr für die Windkraftanlagen auf dem Schirm hatte.“ Wenn Windenergiefirmen das sähen, witterten sie Morgenluft und klopften bei den Besitzern, meist Waldbauern, an und lockten mit saftigen Pachtversprechen. Schmidt appelliert aber an jeden Waldbauern, sich die Angebote ganz genau anzusehen: „Warum kaufen die Firmen die Flächen nicht, warum pachten sie. Da scheint es auch Haken zu geben.“
Laschet bisher der Bremser
Mit einigem Erstaunen nimmt Windbauer Günter Pulte (Rahrbach) die Klimaschutz-Vorstöße von CDU und SPD im aktuellen Wahlkampf zur Kenntnis. Pulte betreibt mehrere Windkraftanlagen in den Kreisen Olpe und Siegen und hat einen Bauantrag für den größten Bürger-Windpark in der Region Hilchenbach/Kirchhundem gestellt - für 17 Räder.Pulte: „Armin Laschet hat in Sachen Windenergienutzung bisher mit beiden Füßen auf der Bremse gestanden und nicht erkennen lassen, dass er es mit dem Klimaschutz ernst meint. Das gilt auch für seinen Koalitionspartner FDP mit Dr. Pinkwart an der Spitze.“
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Wenn Laschet jetzt plötzlich davon spreche, dass Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen viel schneller gehen müssten, statt sechs Jahre sechs Monate, zeige das die Inkompetenz des NRW-Ministerpräsidenten: „Wir planen inklusive des laufenden Bauantrags bis jetzt bereits zehn Jahre für unseren Windpark. Und das kommt nicht von ungefähr.“
Gabriel gegen EEG
Auch Olaf Scholz und die SPD, so Pulte, seien ihm nicht als Windenergieförderer aufgefallen. Sigmar Gabriel habe als Umweltminister das EEG ausgehöhlt, und Teile daraus seien existenziell wichtig für die Windenergie. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage sei eine Genehmigung im günstigsten Fall nicht vor Ablauf von drei Jahren denkbar. Allein der Artenschutz sei eine immense Hürde. Während Windkraftanlagen Strom erzeugen könnten zu einem wettbewerbsfähigen Preis, das EEG dazu also kaum noch brauchten, sei im EEG der Netzvorrang festgeschrieben. Pulte: Die großen Netzbetreiber müssen unsere Anlagen anschließen, obwohl es ihre Konkurrenz ist. Das muss bleiben.“
Zudem fordert Pulte ein Klimaschutzministerium: „Das fordere ich bereits mehrere Jahre. Dass die Zuständigkeit für das EEG beim Wirtschaftsministerium liegt, ist kontraproduktiv, da sich die Lobbyisten der konventionellen Stromerzeuger die Klinke im diesem Ministerium in die Hand drücken.“