Olpe/Lennestadt. Kurioser Prozessauftakt im Amtsgericht. Weil der Angeklagte betrunken war, wurde die Verhandlung abgebrochen, aber nicht ohne einen Promilletest.

Dass der Angeklagte zum Gerichtstermin nicht erscheint, kommt öfter vor. Aber dass der Beschuldigte erst das falsche Amtsgericht anfährt und eine gute Stunde später völlig betrunken auf der Anklagebank Platz nimmt, das dürfte wohl in das Kuriositätenkabinett des Olper Amtsgerichts Einlass finden.

Angeklagter fährt nach Grevenbrück

Jedenfalls hieß es für Richter Richard Sondermann, die beiden Schöffen, Staatsanwältin Vanessa Prade, Pflichtverteidiger Martin Tillmann, Zeugen, Dolmetscher etc. am Freitagmorgen erst einmal warten. Der Angeklagte war zum Prozessbeginn nicht erschienen. Nach telefonischer Recherche stellte sich dann raus, dass der 33-Jährige polnische Staatsbürger statt nach Olpe zum Amtsgericht nach Grevenbrück gefahren war. Der gesamte Justiztross zeigte Verständnis. Immerhin hatte sich die zu verhandelnde Straftat im September letzten Jahres im HIT-Supermarkt in Altenhundem abgespielt. Dort soll der 33-jährige zwei Flaschen Wodka gestohlen haben. Nachdem er erwischt wurde, wehrte er sich handgreiflich und verletzte dabei einen Polizeibeamten im Rippenbereich. Die Anklage vor dem Schöffengericht in Olpe lautete deshalb auf Räuberischer Diebstahl und Widerstand.

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Sind Sie betrunken?

Doch zur Verhandlung der Strafsache kam es erst gar nicht. Als der Angeklagte in Shorts, buntem T-Shirt und mit Baseballkappe mit einer knappen Stunde Verspätung im Gerichtssaal erschien, stellte sich schnell heraus, dass der Mann nicht verhandlungsfähig ist. Kurz vor dem Angeklagten war bereits sein Kumpel regelrecht in den Gerichtssaal getaumelt, was dem Richter nicht entgangen war: „Sind sie betrunken“, fragte Sondermann, ohne eine Antwort zu bekommen. Bis endlich alle Prozessbeteiligten ihre Plätze eingenommen hatten, hatte sich die Luft im Gerichtssaal bereits in einen Alkoholdunst verwandelt.

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Verhandlung nicht möglich

Schon bei der Personalienaufnahme zeigte sich, dass der polizeibekannte Mann mehr als einen großen Schluck aus der Flasche genommen hatte. Selbst der Dolmetscherin gelang es nicht, Antworten auf die einfachsten Fragen zu bekommen. Auf die Frage des Richters „Sind sie betrunken?“, kam dann postwendend eine klare Reaktion. „Ich trinke jeden Tag drei Flaschen Wodka“, übersetzte die Dolmetscherin. Und eine Flasche habe der 33-jährige bereits am Morgen des Verhandlungstages getrunken.

Haftfähigkeit geprüft

Richter Sondermann unterbrach daraufhin im Einvernehmen mit Staatsanwältin und Verteidiger die Sitzung und verständigte den Rettungsdienst des Kreises, um Gesundheitszustand bzw. Haftfähigkeit des Angeklagten festzustellen. Ein Atemalkoholtest im Gerichtssaal ergab 1,7 Promille. Eine Entscheidung über die Haftfähigkeit des Mannes wollte die Notärztin vor Ort aber nicht treffen. Der Rettungsdienst beförderte den Mann zunächst ins Krankenhaus.

Der Prozess soll nun voraussichtlich im September neu angesetzt werden - dann hoffentlich mit einem nüchternen Angeklagten. Für den Kumpel des Beschuldigten, den Richter Sondermann mehrmals ermahnte, sich ruhig zu verhalten oder den Saal zu verlassen, ist der Fall schon jetzt klar: „Er ist unschuldig, das Problem ist der Alkohol“, rief der Mann aus der letzten Reihe in den Gerichtssaal.