Kirchhundem. Der Entwurf des Regionalplans löst in der Gemeinde Kirchhundem heftige Attacken in Richtung Bezirksregierung und Landesregierung aus.
Spätestens beim Applaus für die Rede von Alfred Bierhoff, stellv. Fraktionssprecher der CDU im Gemeinderat Kirchhundem, wurde am Mittwoch Abend deutlich, wohin der Wind weht: Die Mehrheit der Kirchhundemer, die den Weg zur Sondersitzung des Bauausschusses gefunden hatten, haben ähnliche Sympathien für den aktuellen Regionalplanentwurf wie die Mehrheit der Ratspolitiker: Keine.
Fazit nach über zweistündiger Diskussion und teils emotionalen Wortmeldungen: Der bereits in anderen Kommunen „unter Feuer“ geratene Plan wird in der Region immer mehr zum politischen Schreck-Gespenst. Die Gründe liegen auf der Hand: Die geplanten Beschränkungen für den Wohnungsbau und teils auch für neue Gewerbeflächen liegen den Kommunalpolitikern schwer im Magen. Wenn es jedoch um die vorgeschlagenen Windenergiebereiche (WEB) geht, kocht die Volksseele regelrecht über: „Es ist für jeden zu erahnen, was uns hier übergestülpt werden soll“, attackierte Bierhoff den Entwurf, „für mich muss ich feststellen, dass ich eigentlich alles ablehnen muss, was da drinsteht. Was wollen wir denn dann noch hier entwickeln.“ Als alter Stahlarbeiter bleibe ihm nur das Fazit „Schicht im Schacht“. „Dann können wir doch die Türen zumachen. Es wird kaum noch neue Baugebiete geben, während die in privatem Besitz nicht verkauft werden.“ Dabei dürfe der drängende Bedarf junger Familien nach Bauland doch nicht ignoriert werden.
Stamm: „Mit heißer Nadel gestrickt“
Ebenso deutlich wetterte der Brachthauser gegen die Windenergiebereiche: „So etwas dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen ganz scharf formulieren, was wir nicht wollen. Man versucht, uns übers Ohr zu hauen.“ Für seine Fraktion beantragte Bierhoff, von der Bezirksregierung zu fordern, die Windenergiebereiche komplett aus dem Planentwurf zu entfernen: „Wir wollen hier selbst planen.“ Dieser Antrag erhielt bei der Abstimmung auch ein einstimmiges Votum, bei drei Enthaltungen aus den Reihen der Grünen und der SPD. Die UK stimmte mit für den CDU-Antrag. Gerhard Stamm (UK) hatte zuvor seinen Verdacht zur Plan-Entstehung geäußert: „Das Ding ist mit heißer Nadel gestrickt. Die Windenergie muss mit den Menschen verträglich sein.“
Während Christoph Tröster (SPD) die CDU-Fraktion darauf aufmerksam machte, sie ziehe gegen die Zielvorstellungen der eigenen CDU-geführten Landesregierung zu Felde, machte Mike Warnecke (Grüne) deutlich, dass es gerade mit Blick auf die Nutzung der Windenergie einen Generationenkonflikt gebe: „Man sollte die Bürger der Gemeinde fragen, wie sie dazu stehen. Erst dann wissen wir, wie viel Windenergienutzung die Leute hier wirklich haben wollen.“ Und erst dann könne man sich Gedanken machen, wo man die Windräder haben wolle und wo nicht. Thema Wohnungsbau: „Ich bin 27 Jahre alt und würde auch mal gerne hier ein Haus bauen.“ Aber man dürfe die Augen nicht davor verschließen, dass die Gesellschaft altere und die Gemeinde einwohnermäßig schrumpfe: „Wir werden irgendwann weniger als 10.000 Einwohner haben.“ Da sei es nicht sinnvoll, weiterhin großflächig neue Baugebiete zu planen. Wichtiger sei es, Baulücken zu schließen.
Vielfältige Einschränkungen
Vor der engagiert geführten Politiker-Diskussion, die von etwa 30 bis 40 interessierten Bürgern in der Aula der Sekundarschule verfolgt wurde, hatte Ingenieur Alexander von Frantzius (Planungsbüro Baurechts-Service Aachen) den Regionalplan-Entwurf in seinen Auswirkungen anschaulich vorgestellt. Unter anderem bestätigte Frantzius wesentliche Beschränkungen im Wohnungs- und Gewerbebau, nicht zuletzt durch die großzügige Ausweisung für Naturschutz-Flächen. In Sachen Windenergienutzung sprach er von der Gefahr einer Umzingelung mancher Dörfer, wenn der jetzige Entwurf so durchgehe. Die Gemeinde Kirchhundem als Flächengemeinde sei unter den 33 Kommunen in drei Kreisen, für die der Plan gelten werde, von Windenergiebereichen (WEB) am stärksten betroffen. Dabei handele es sich um 19 WEB’s mit einer Gesamtfläche von rund 1280 Hektar. Wenn man die für Windenergie nicht tauglichen Flächen für Naturschutz und Wohnbebauung abziehe, würden rund 35 Prozent des restlichen Gemeindegebietes der Windenergie zur Verfügung stehen. Frantzius ließ nicht unerwähnt, was die landesplanerische Motivation dafür sein könne, denn der 6500 Seiten starke Plan stehe unter der Leitlinie „Klima und Klimawandel“.
Jarosz: „Sehr überrascht“
Bürgermeister Björn Jarosz kritisierte die Planungsbehörde in Arnsberg, weil die in mehreren Werkstattgesprächen seitens der Kirchhundemer Vertreter vorgebrachten Einwände offenbar gar nicht berücksichtigt worden seien. Es sei auch nicht absehbar gewesen, dass der Windenergie ein derartiger Stellenwert eingeräumt werde. Jarosz: „Das Thema war in den Gesprächen in drei Minuten erledigt. Deshalb waren wir sehr überrascht, was sich dann im Entwurf widerspiegelt.“ An der von vielen Kommunen als zu kurz kritisierten Einspruchsfrist bis 30. Juni, so Jarosz, sei offenbar nicht zu rütteln. Bürger, die dem Plan widersprechen wollten, müssten das zur Kenntnis nehmen. Jaroszs Fazit: „Es muss unser Anliegen sein, dass sich unsere 37-Dörfer-Gemeinde weiterhin entwickeln kann.“
Das dürfte mit diesem Regionalplan schwierig werden.