Kreis Olpe/Attendorn. Auf Facebook schreibt die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Attendorn: „Jetzt reicht es endgültig“. Was hinter ihren emotionalen Worten steckt.

Nezahat Baradari hat es satt. Seit Monaten wird die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Attendorn auf Facebook und Instagram auf übelste Art und Weise beleidigt, bedrängt, verleumdet und gebrandmarkt. Das schreibt die Kinderärztin mit türkischen Wurzeln, die seit Januar 2019 im Bundestag sitzt, auf ihrer Facebook-Seite. Sie veröffentlicht am Montag einen kurzen Beitrag – überschrieben mit den Worten „Jetzt reicht es endgültig“ sowie „Schämt euch eurer Taten“.

Sie werde nicht nur als Politikerin, sondern vor allem auch als Frau mit Migrationshintergrund angegriffen. Baradari schreibt: „Eine richtige Kampagne mit Hetzjagd wurde gegen mich vorgenommen. Meine Familie und ich wurden bedroht. Selbst angegrapscht hat man mich. Ihr habt die SPD und dieses Land nicht verdient.“

Dazu veröffentlicht sie einen dieser sexistischen Kommentare, mit dem sie von einem Nutzer über Facebook per Privatnachricht angegangen wurde. Nun ist der Attendornerin die Hutschnur geplatzt, wie sie es im Gespräch mit dieser Redaktion formuliert. „Hier geht es um Rufmord. Die Kommentare werden immer heftiger und haben jetzt eine ganz neue Qualität bekommen. Das muss öffentlich gemacht werden.“

Attendornerin fürchtet um Rufmord

Vor einigen Monaten hatte die Sozialdemokratin nach einer Online-Diskussion mit Jesidinnen, die über den Völkermord durch den Islamischen Staat berichteten, einen umstrittenen Facebook-Kommentar veröffentlich – versehen mit den Hashtags „Ehrenmord“ und „Zwangsheirat“. Daraufhin wurde sie mit massiven Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. „In der Nachschau hätte ich mir sicherlich viel Ärger erspart, wenn ich diesen Kommentar nicht geschrieben hätte“, erklärt sie rückblickend. Dennoch: Sie habe damals nur auf die Situation der Jesidinnen, von denen sie selbst eingeladen worden sei, aufmerksam machen wollen.

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Und es sei nur ein Beispiel. Immer wieder, berichtet die Mutter zweier Töchter, werde ihr eine politische Nähe zu Präsident Erdogan und der AKP angedichtet. „Das ist völliger Quatsch und absolut hanebüchen“, erklärt die in Ankara geborene Sozialdemokratin. Angefangen habe diese Hetze vor einigen Monaten noch vergleichsweise human – und zwar mit kritischen Beurteilungen ihrer Arztpraxis in Attendorn. Mit der Zeit wurde es aber immer schlimmer.

Kein Einzelfall

Baradari ist keineswegs ein Einzelfall. Frauen, vor allem wenn sie noch dazu einen Migrationshintergrund haben, werden immer häufiger zur Zielscheibe von Hass und Hetze im Netz. „Vor allem bei Kommunalpolitikerinnen erleben wir das immer massiver“, erklärt Isabel Janssen, Pressesprecherin von „HateAid“, einer Beratungsstelle für Betroffene digitaler Gewalt. Die Gründe dafür kenne die Beratungsstelle auch nicht, sie könne nur Vermutungen anstellen und den Betroffenen helfen. „HateAid“ unterstütze beispielsweise bei der Löschung von Inhalten oder bei der Rechtsdurchsetzung.

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Denn öffentlichen Behörden, das sagen Baradari und Janssen unisono, wären in der Regel die Hände gebunden. In den meisten Fällen handelt es sich nämlich um Social-Media-Nutzer, die über Fake-Accounts verfügen, die kaum zurückzuverfolgen sind. Die Zusammenarbeit mit dem BKA habe bislang zu keinem Ergebnis geführt, berichtet die Bundestagsabgeordnete für den Kreis Olpe und den südlichen Märkischen Kreis.

Was Baradari nun antreibt, ist die Flucht nach vorne. Denn wenn sie die hasserfüllten Kommentare gegen ihre Person einer breiten Öffentlichkeit präsentiere, „dann hoffe ich, dass diese Menschen noch einen Funken Anstand haben und das in Zukunft sein lassen.“ Ignorieren würde sie diese Kommentare nicht mehr.