Olpe/Lennestadt. Dr. Gereon Blum, neuer Geschäftsführer der Katholischen Hospitalgesellschaft, im Interview über die Zukunft der Standorte und weitere Pläne.

Mit Dr. Gereon Blum steht erstmals ein Arzt an der Spitze der Geschäftsführung der Katholischen Hospitalgesellschaft Südwestfalen (KHS), zu der die Krankenhäuser in Olpe und Altenhundem gehören. Jemand also, der beide Seiten des Tisches kennt, die medizinische und die kaufmännische. Fast zeitgleich mit der Willensbekundung der Gesellschaft der Franziskanerinnen (GFO), die Krankenhäuser und übrigen Einrichtungen der KHS unter ihre Fittiche zu nehmen, trat Blum die Nachfolge von Johannes Schmitz an.

Uns stand er im Interview Rede und Antwort.

Sie sind viele Jahre Geschäftsführer des Krankenhauses Düren gewesen. Was hat Sie ins Sauerland gelockt?

Dr. Gereon Blum: Eigentlich wollte ich wieder in meinen Beruf als Arzt zurück, doch dann kam die Bitte, hier mitzuhelfen und den Übergang hin zur GFO mitzugestalten.

Also hat da auf einmal das Telefon geklingelt in Düren?

Ja genau. Daraufhin habe ich mir das hier angeschaut und den Eindruck gewonnen, dass das ein sehr spannendes Projekt ist. Die Krankenhäuser sind gut aufgestellt. Die Krankenhausdichte ist im Vergleich zu Düren deutlich geringer, die medizinischen Möglichkeiten aber sehr umfangreich. Mit der Altenpflege, dem ambulanten Pflegedienst und den niedergelassenen Ärzten im Medizinischen Versorgungszentrum ist es hier möglich, dem Patienten ein attraktives Gesamtpaket anzubieten.

Wie lange bleiben Sie hier an Bord, oder sind Sie, um mal in die Fußballersprache zu greifen, nur ein Interims-Trainer?

Ich habe meine ärztlichen Pläne erst einmal aufgeschoben. Um mit Beckenbauer zu sprechen: Schau’ mer mal. Es macht einen Riesenspaß hier, und der Prozess hier wird ja nicht in wenigen Monaten abgeschlossen sein. Jetzt geht es erst einmal um das, was mit der Krankenhausplanung des Landes auf uns zukommt.

Enges Zeitfenster für Psychiatrie-Neubau

Es steht also nicht fest, dass sie nach sechs Monaten wieder die Koffer packen?

Ich bin für dieses Jahr bereit, und dann werden wir weitersehen.

Wann ist mit der vertraglichen Übernahme durch die GFO zu rechnen?

Ich gehe davon aus, dass wir das im Laufe der nächsten Wochen oder Monate finalisieren können und die geplante Mehrheitsbeteiligung der GFO in diesem Jahr umgesetzt wird.

Auf Sie kommt die Umsetzung gewaltiger Baupläne zu. Wird Ihnen da nicht flau in der Magengrube?

Nein. Aber es stimmt, der Zeitplan für die Baumaßnahme ist relativ eng. Die Bauanträge sind eingereicht. Ich habe mich lange mit dem Architekten unterhalten und halte das für ein hervorragendes Projekt, das auch ohne größere Störung des derzeitigen Krankenhausbetriebes modular umgesetzt werden kann. Ich halte es für richtig, auf einen Neubau zu setzen.

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Es wird sehr viel Geld für die Psychiatrie ausgegeben. Gerechtfertigt?

Speziell für die Psychiatrie ist das gerechtfertigt. Ich kenne das aus Düren von den LVR-Kliniken. Moderne Psychiatrie erfordert moderne Gebäude. Aber es geht nicht nur um Psychiatrie, wir reden auch von Patientenkomfort, beispielsweise durch Ein- und Zweibettzimmer. Die Psychiatrie wird im Neubau nur einen Teil in Anspruch nehmen.

Wird sich die Gesamt-Bettenzahl erhöhen, derzeit rund 385 allein in Olpe, rund 200 in Lennestadt?

Die Zahl der Betten ist heutzutage eigentlich uninteressant.

Aber wird sie sich erhöhen?

Nein, ich denke nicht. Wir haben kurze Verweildauern. Das ist der Vorteil hier, mit vielen Möglichkeiten der ambulanten Vor- und Nachsorge, so dass man den eigentlichen Krankenhausaufenthalt kurz halten kann. Dadurch benötigt man weniger Betten.

Klinik in Lennestadt soll erhalten bleiben

Stimmt es, dass die Belegungsquote in Lennestadt zuletzt stark eingebrochen ist, bis auf 30 bis 40 Prozent?

Ich sammel im Moment noch Zahlen, aber so niedrig ist das nicht. Man muss natürlich Corona berücksichtigen. Alle Krankenhäuser sind zwischen 10 und 15 Prozent geringer belegt.

Weil die Menschen Angst haben, ins Krankenhaus zu gehen?

Die Angst ist eigentlich unbegründet aufgrund unserer hohen Sicherheitsmaßnahmen. Und darüber hinaus müssen wir auch Betten für den Notfall frei halten.

Auch in Lennestadt?

Ja, auch dort. Einer meiner Aufträge wird es sein, für Lennestadt ein medizinstrategisches Konzept zu erstellen, wie der Standort dauerhaft erhalten werden kann, weil er geografisch ganz wichtig ist. Und wir gehen davon aus, dass das Landesgesundheitsministerium da auch mitgehen wird.

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Wie ist die Stimmung in den beiden Krankenhäusern, haben Sie das schon aufsaugen können?

Die Stimmung in deutschen Krankenhäusern ist allgemein ziemlich angespannt. Das Thema Wertschätzung spielt eine tragende Rolle. Erst gab es einen kurzen Applaus, dann wurde schon wieder über die Corona-Prämie gestritten. Die Wertschätzung für die Arbeit im Krankenhaus lässt zu wünschen übrig. Eines meiner wichtigsten Ziele ist es: Ich möchte wissen, wie der Mitarbeiter auf der Station denkt.

Haben Sie es da leichter als Arzt, da ein Mitarbeiter nicht sagen kann: Da kommt der Kaufmann, der von unserer Arbeit nichts versteht?

Von mir wird deshalb aber auch viel Verständnis für die Pflege verlangt. Und die Pflege hat bei mir auch einen großen Stein im Brett. Bei mir steht das Thema Mitarbeiterkultur weit vorne. Man muss miteinander reden, um sich zu verstehen.

Ist die Stimmung in einem Krankenhaus wichtiger als in anderen Branchen, da die Patienten eine solche Stimmung hautnah spüren, schlimmstenfalls zu spüren bekommen?

Hier geht es um eine 24-stündige Betreuung. Was man bis zum Abend an Problemen nicht geklärt hat, kann sich über Nacht potenzieren. Man muss den Mitarbeitern auch klar machen, dass viele Entscheidungen, die eine Geschäftsführung vor Ort trifft, politisch von oben bestimmt sind.

Digitalisierung weit oben auf der To-Do-Liste

Die Bertelsmann-Studie hat 2019 aufgeschreckt. Von bundesweit 1400 Krankenhäusern müssten nur 600 übrig bleiben, stand dort. Muss einem vor dem Hintergrund um den Standort Lennestadt nicht Angst und Bange werden?

NRW ist von der Größe und Einwohnerzahl her mit den Niederlanden vergleichbar. NRW hat etwa 350 Krankenhäuser, die Niederlande hatten mal 250, sind auf 80 runter und wollen sogar auf 50 reduzieren.

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Das wäre in NRW ein politisch kaum durchsetzbarer Kahlschlag.

Die Niederländer haben auch ein ganz anderes System. Dort gibt es Facharztsysteme an den Krankenhäusern, nicht das getrennte System wie hier, sondern die Facharztbehandlung findet an den Kliniken statt. Die Häuser sind deshalb große Einheiten. In Dänemark ist es ähnlich. Aber dort ist erheblich investiert worden, es sind modernste neue Kliniken entstanden.

Bei solchen Zahlenspielen würde im Kreis Olpe höchstens ein Krankenhaus übrig bleiben.

Für Ballungszentren vielleicht. Gesundheitsminister Laumann ist der erste, der das angeht. Wenn wir Lennestadt ansprechen, müssen wir aber sehen, dass die Entfernungen eine wichtige Rolle spielen. Das spricht bei solchen Zukunftsplanungen für Lennestadt. Wenn man in Köln alle zwei, drei Kilometer über ein Krankenhaus stolpert, stellt sich die Frage nach der Standortberechtigung eher. Auch im Raum Siegen ist die Krankenhausdichte deutlich höher als hier.

Corona bestimmt vieles, war die Situation in Düren ähnlich?

Heinsberg grenzt an den Kreis Düren, und deshalb hatten wir relativ früh auch die ersten Covid-Patienten. Der Kreis Düren hatte zeitweise eine Inzidenz weit über 200, heute sind wir unter 70 in Düren.

Welche drei Themen schreiben Sie sich jetzt als erstes auf Ihre To-Do-Liste?

Auf jeden Fall die Kommunikation mit den Mitarbeitern. Das Thema Digitalisierung spielt eine große Rolle, auch mit Zeitdruck, da erhebliche Fördermittel zu vergeben sind, wenn wir bis Mai einen Antrag stellen. Natürlich auch die Krankenhausplanung des Landes NRW. Ich gehöre zu einer der Arbeitsgruppen, und es hat keine Unterbrechung durch Corona gegeben. Karl-Josef Laumann hat im ersten Halbjahr 2020 tatsächlich etwa 40 Sitzungstermine veranlasst. Die sind alle durchgeführt worden. Der gesamte Zeitplan ist eingehalten worden.

Als Impfarzt in Düren unterwegs

Wie viele Krankenhäuser fallen demnach weg?

Das können wir noch nicht sagen. Die Krankenhäuser werden erst einmal informiert, welche Leistungen an jedem Standort noch erbracht werden sollen. Dafür möchte ich hier bei uns eine interne Strukturprüfung vornehmen, um dann zu sagen: Wo müssen wir uns besser aufstellen, um die eine oder andere Leistung erbringen zu dürfen? Das möchte ich auch den Mitarbeitern erklären. Es ist schließlich keine Idee der Hospitalgesellschaft oder der GFO, sondern es kommt aus dem Ministerium in Düsseldorf.

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Wie viele Mitarbeiter hat die KHS im Moment?

Rund 1.700. Ich glaube, dass das weiter ein sehr krisenfester Beruf sein wird. Wir haben viele erfahrene Mitarbeiter, die in den nächsten fünf, sechs Jahren in den Ruhestand treten. Wir können froh sein, dass wir hier eine große Krankenpflegeschule haben und unseren eigenen Nachwuchs ausbilden. Das ist sehr positiv. Daran scheitert es bei sehr vielen Kliniken.

Sind Sie schon geimpft worden?

Ja. Ich war im ganzen Januar als Impfarzt unterwegs. In Düren haben wir sehr viele Senioren geimpft.

Wie schätzen Sie die Impfbereitschaft beim Pflegepersonal ein?

Wir müssen versuchen, die zu motivieren, die sich noch nicht haben impfen lassen. Vor allem die, die in den Altenheimen unterwegs sind.

Wie viel Prozent haben sich bei der KHS impfen lassen?

Beim ersten Impfgang waren es vor zwei Wochen rund 70 Prozent. Die anderen wollen wir auf jeden Fall auch noch erreichen. Und es rücken jeden Tag immer noch welche nach. Die Abläufe hier im Krankenhaus sind sehr gut. Die Spitze lag bei 240 Impfungen am Tag. Manche der impfenden Ärzte hatten danach regelrecht Muskelkater.

Zur Person

Dr. Gereon Blum (58) ist in Köln geboren und in der Nordeifel (Kreuzau) aufgewachsen. Blum ist verwitwet und Vater dreier erwachsener Kinder.

Er ist Anästhesist, praktizierte zunächst am Krankenhaus Düren, wechselte 2002 in die Verwaltung, zunächst als stellv. dann als verantwortlicher Geschäftsführer.

Hobbys: Garten und Kanufahren