Olpe. Der Deutsche Kinderhospizverein aus Olpe setzt sich dafür ein, dass Angehörige schwer kranker Kinder, bei der Impfstrategie priorisiert werden.

„Die verbleibende gemeinsame Zeit möchten wir bestmöglich miteinander verbringen“, so lautet das wichtige Anliegen einer Familie, die durch den Deutschen Kinderhospizverein (DKHV e. V.) aus Olpe begleitet und unterstützt wird. Ihr Alltag ist seit knapp einem Jahr von der Angst vor einer Infektion mit Covid-19 bestimmt. Denn Sohn Jan- Erik (23) hat eine lebensverkürzende Erkrankung, weshalb eine Ansteckung für ihn potenziell lebensbedrohlich ist. Eine Situation, die das Leben und das Miteinander innerhalb der Familie stark belasten. Dem dringenden Aufruf, bei der Impfstrategie des Bundesgesundheitsministeriums Berücksichtigung zu finden, folgt der Verein als bundesweite Fachorganisation mit einer entsprechenden Stellungnahme.

Leben auf dem Kopf gestellt

„Wir haben schon viele Krisen gemeistert und sind Einschränkungen gewohnt. Aber so wie jetzt kann es nicht weiter gehen“, betont Andrea, Mutter von Jan-Erik. Mit Ausbruch der Pandemie wurde unser Leben nochmals auf den Kopf gestellt und wir mussten schnell neue Strategien für unseren Alltag entwickeln. Dazu gehören das Aufstellen eines hausinternen Hygieneplans und der Kauf von FFP2- Masken in Eigenregie, die der Pflegedienst und auch alle anderen Familienmitglieder im Haus tragen. Denn neben Jan-Erik und Mutter Andrea leben dort noch die jüngere Schwester (17) und der Bruder (14) sowie Vater Joachim.

Wie wichtig das Tragen der FFP2- Masken ist, wird deutlich, als eine Pflegekraft von Jan-Erik sich als infiziert meldet. Es folgen Tage des Bangens, bis die Testergebnisse aller Familienmitglieder als negativ bestätigt werden.

Doch die Familie bleibt alarmiert, denn der Umgang mit einer Grippepandemie ist für sie nicht neu. „Wir wissen, was es heißt, sich mit einem lebensbedrohlichen Virus zu infizieren“, erklärt Vater Joachim. Denn als sich Jan-Erik 2009 mit dem sogenannten Schweinegrippe- Virus infiziert, überschlagen sich die Ereignisse. Schon nach zwei Tagen muss er auf der Intensivstation beatmet werden. Die Ärzte legen ihm ein Tracheostoma, was nicht nur seinen gesundheitlichen Zustand, sondern auch die gesamte Pflegesituation für die Familie nachhaltig verändert hat.

Nicht in der Impfstrategie vorgesehen

Seitdem kommt regelmäßig ein Pflegedienst zur Unterstützung ins Haus, der inzwischen genau wie Jan-Erik die Schutzimpfung gegen COVID-19 erhalten hat. Allerdings bleibt die Sorge um eine Ansteckung, denn alle anderen Familienmitglieder sind noch ohne Impfschutz und in der priorisierten Impfstrategie nicht vorgesehen. „Die häusliche Isolation ist schon schlimm genug. Der Gedanke sein eigenes Kind zu gefährden und deshalb auf Abstand bleiben zu müssen bringt uns alle an Grenzen“, beschreibt die Familie.

Solche und ähnliche Berichte von Familien erreichen den Deutschen Kinderhospizverein seit Ausbruch der Corona- Pandemie immer wieder.

Die jungen Menschen sind in den allermeisten Fällen auf Pflege durch Zugehörige, Pflegepersonal oder Assistenzkräfte angewiesen. Seit Monaten schränken sie daher ihre Kontakte auf ein absolutes Mindestmaß ein. Einzelne Elternteile oder Geschwister müssen teilweise seit letztem Jahr von ihren Familien getrennt leben, um weiterhin arbeiten oder zur Schule gehen zu können und das erkrankte Familienmitglied trotzdem zu schützen.

Es zeigt, wie dringend notwendig eine Impfung aller regelmäßigen Kontaktpersonen der jungen Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung ist. „Alleine können wir uns als Familie kein Gehör verschaffen“, ist eine häufige Aussage der Betroffenen. Daher stellt sich der Deutsche Kinderhospizverein weiterhin an die Seite der Familien und hat gemeinsam mit ihnen eine Stellungnahme an die Bundesregierung verfasst. „Der Wert des Lebens bemisst sich weder am Alter noch an einer – ohnehin kaum zu prognostizierbaren – Lebensdauer. Junge Menschen, die lebensverkürzend erkrankt sind, verdienen daher wie andere gefährdete Personen unseren bestmöglichen Schutz“, betont Marcel Globisch, Leitung für Inhalte und Entwicklung im DKHV.

Die Forderungen

1 Die schnellstmögliche Impfung aller Pflegepersonen von jungen Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung, da Minderjährige bisher nicht selbst geimpft werden können.

2 Auch andere enge Kontaktpersonen, die im selben Haushalt wie ein Kind/Jugendliche*r mit Vorerkrankungen leben oder sich regelmäßig in diesem Haushalt als Unterstützer*innen aufhalten, in der Impfreihenfolge priorisieren.

3 Den schnellstmöglichen Impfschutz für junge Erwachsene mit lebensbedrohenden oder lebensverkürzenden Erkrankungen.

4 Der Prozess der Impfpriorisierung muss transparent und möglichst unbürokratisch gestaltet werden, um weitere (ggf. lebensbedrohliche) Verzögerungen zu verhindern.