Lichtringhausen. Anna Heller hat sich in der Corona-Zeit mit ihrer Hebammen-Praxis in Lichtringhausen selbstständig gemacht.

Es soll ein Ort der Ruhe, Entspannung und des Kennenlernens sein. Gleichzeitig ist es ein Ort mit Geschichte. „Mein Opa hatte hier früher sein Architekturbüro”, erzählt Anna Heller. Mittlerweile wurden Zeichnungen, Tuschestifte und Blaupausen gegen Tragetücher, Babywaage und Yogamatten eingetauscht. Denn im März 2020 hat die 30-Jährige ihre kleine Hebammen-Praxis in ihrem Elternhaus in Lichtringhausen eingerichtet. Durch den Corona bedingten Lockdown und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen finden hier jedoch seit knapp einem Jahr keine Kurse mehr statt. Und auch, wenn es die derzeitige Situation nicht zulässt: „Die persönlichen Zusammenkünfte in den Kursen vermisse ich sehr”, sagt Anna Heller.

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Die heute 30-Jährige ist auf Umwegen zur Hebammenkunde gekommen. „Rückblickend kann ich aber sagen, dass es so genau richtig gelaufen ist. Denn ich habe eine Arbeit gefunden, in der ich zu 100 Prozent aufgehe und die ich liebe.” Anna Heller hat 2009 Abitur am St.-Ursula-Gymnasium in Attendorn gemacht und stand plötzlich vor der großen Frage: „Was jetzt?” „Mein Onkel, der zu dieser Zeit Opa geworden ist, meinte damals zu mir, was für einen großartigen Job die Hebamme gemacht habe. Und dass er dabei an mich denken musste”, erzählt Anna Heller. Sie wusste, dass sie in den medizinischen Bereich gehen wollte – aber auch hier gab es schließlich unendlich viele Möglichkeiten.

Auf Umwegen zum Traumberuf

Sie folgte der Empfehlung ihres Onkels und bewarb sich bei sämtlichen Hebammenschulen in ganz Deutschland. Ohne Erfolg. Es gab zu viele Bewerberinnen auf die Ausbildungsplätze. Aus der Torschlusspanik heraus schrieb sie sich schließlich an der Uni Dortmund für die Lehramtsfächer Mathematik und Physik ein. „Ich habe aber schon im ersten Semester gemerkt, dass das überhaupt nichts für mich war. Also bin ich die ganze Sache im zweiten Anlauf strukturierter und bedachter angegangen.” Sie absolvierte mehrmonatige Praktika, unter anderem in der Hebammenpraxis „Klapperstorch” in Olpe, und merkte, dass genau hier ihre Berufung lag. Als sie sich wieder bewarb, wurde sie 2011 schließlich an der Hebammenschule in Ahlen im Münsterland angenommen. Endlich.

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„Nach dem Abschluss 2014 habe ich fünf Jahre lang im St.-Marien-Hospital in Lünen gearbeitet und dort im Kreißsaal vielen Babys auf die Welt geholfen“, erzählt Anna Heller. Bei insgesamt 385 natürlichen Wundern sei sie dabei gewesen. „Es war eine großartige Zeit, in der ich wertvolle Erfahrungen sammeln konnte, wofür ich sehr dankbar bin. Es war aber auch sehr zeitintensiv, weil ich gleichzeitig meine Selbstständigkeit in der Heimat beibehalten wollte. Ich bin also dauernd gependelt.“ Bis sich Anna Heller entschieden hat, im Frühjahr 2020 schließlich ihre eigene Hebammen-Praxis in dem ehemaligen Architekturbüro ihres Großvaters zu eröffnen. Und parallel dazu ihr Studium der Hebammenkunde an der Hochschule für Gesundheit in Bochum zu beginnen.

„Da der Beruf der Hebamme durch eine Reform akademisiert wurde, wollte ich diese Gelegenheit nutzen und mich auch wissenschaftlich mehr mit meiner Arbeit auseinandersetzen“, erklärt Anna Heller. Durch ihre vorangegangene Ausbildung werden ihr drei von sieben Semestern (Regelstudienzeit) anerkannt. Auch hier hat die Pandemie Abläufe verändert. „Ich war bislang nicht einmal an der Hochschule, außer bei der Anmeldung. Alle Seminare finden ausschließlich über Video-Konferenzen statt. Schon komisch, wenn man seine Kommilitonen nur von der Brust aufwärts kennt“, sagt Anna Heller und lacht. Abgesehen davon sei der zeitliche Gewinn durch die Online-Seminare enorm: Statt drei Stunden pro Tag zwischen Lichtringhausen und Bochum zu pendeln, muss die 30-Jährige aktuell nur den Rechner hochfahren.

Auch wenn das Studium offiziell ein Vollzeit-Studium ist, ist Anna Heller weiterhin als selbstständige Hebamme tätig. Allerdings in geringerem Stundenumfang als vorher. „Ich begleite gerade vier, maximal fünf Familien pro Monat. Und ich biete momentan keine Geburtshilfe an. Das wäre mit dem Studium kaum zu verwirklichen.“ Sonst bietet Anna Heller jedoch alles rund um die Geburt an – von der Begleitung ab der Frühschwangerschaft, inklusive Massagen und Akupunktur, über Kurse wie die Geburtsvorbereitung, bis hin zur Wochenbettbegleitung, Rückbildungsgymnastik, Babymassage und Stillberatung.

„Weil ich meine Praxis mehr oder weniger pünktlich zum ersten Lockdown eröffnet habe, hatte ich noch keine festen Strukturen im neuen Arbeitsalltag. Dementsprechend war es für mich vielleicht einfacher, auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren“, meint Anna Heller. Trotz aller Einschränkungen: Regelmäßigen Kontakt zu den werdenden Eltern gibt es immer noch. Nur eben mit noch strengeren Hygienemaßnahmen und FFP2-Maske. „Mir ist es ganz wichtig, in dieser Zeit ein Stück weit Normalität zu vermitteln. Den Familien zu zeigen, dass ich immer für sie da bin“, betont Anna Heller.

Hemmschwelle bei Online-Kursen

Kurse finden momentan ausschließlich online statt. Mithilfe einer Puppe zeigt sie dann zum Beispiel in der Video-Konferenz mit den anderen Teilnehmern, wie das Baby am besten massiert wird. Eine derartige Kursgestaltung sei zwar unpersönlicher, aber letztendlich die beste Möglichkeit unter Pandemiebedingungen. „Man merkt, dass die Kommunikation unter den teilnehmenden Familien eine andere ist und die Hemmschwelle durch diese Distanz oft größer ist. Deswegen freue ich mich wahnsinnig, wenn ich in meiner Praxis wieder Kurse geben darf.“ Denn diese hat sie schließlich eröffnet, um sie mit Leben zu füllen.