Attendorn. Den Jecken blutet das närrische Herz, sie müssen 2021 auf Karneval verzichten. Dennoch blickt Frank Selter aus Attendorn optimistisch nach vorn:

Das Corona-Virus macht allen närrischen Plänen einen dicken Strich durch die Rechnung. Den Jecken blutet das närrische Herz. Wir sprachen darüber mit dem Attendorner Frank Selter, der als Wagenbauer der „Mooskämper“, Karnevalsprinz von 2004, langjähriges Elferratsmitglied der KG „Die Kattfiller“, Verantwortlicher für Tanzturniere und Vizepräsident im Bund Westfälischer Karneval tief im karnevalistischen Brauchtum verwurzelt ist.

Wie geht es dem Karnevalisten Frank Selter in dieser traurigen Corona-Zeit?

Frank Selter: Persönlich eigentlich gut, viel Zeit halt eben. Aber wie bei allen, die den Karneval lieben, ist es nicht leicht, man muss das Beste daraus machen. Ich glaube aber, dass eine positive Einstellung vieles einfacher macht.

Im letzten Jahr feierten auch in der Karnevalshochburg Attendorn noch Tausende Narren in der Stadthalle, in den Lokalen und auf den Straßen. Haben Sie damals schon etwas von Corona gehört und gedacht, dass da noch etwas auf uns zukommen würde?

Ja sicher, aber das schien noch weit weg zu sein. Keiner wusste ja wirklich, was da auf uns zukommt.

Ab welchem Zeitpunkt haben Sie sich mit den Corona-Folgen für Karneval beschäftigt? Wann hatten die organisierten Karnevalisten das Thema auf dem Schirm?

Eigentlich direkt nach Karneval, denn es mussten die ersten Besprechungen, Versammlungen und überregional die ersten Tanzturniere und Trainerschulungen abgesagt werden.

Wann war die Entscheidung alternativlos, alle Karnevalsveranstaltungen abzusagen?

Zur Person

Alter: Noch 55 Jahre.

Beruf: Abteilungsleiter bei der Firma GEDIA (Gebrüder Dingerkus GmbH).

Karnevalist: Eigentlich von Geburt an. Erste Teilnahme am Karnevalszug im Jahr 1979, seit 1983 Mitglied der Mooskämper Wagenbauer und der KG Attendorn „Die Kattfiller“.

Funktionen im Karneval: Trainer der Biggesterne mit Ehefrau Simone und Ulrike Rommel bis 1999, 22 Jahre Elferrat, 15 Jahre Moderator von Veranstaltungen der KG Attendorn „Die Kattfiller“ bis 2019, 2014 bis 2019 Vizepräsident der KG Attendorn, seit 2016 Vizepräsident des Bund Westfälischer Karneval, Prinz Karneval 2004.

Hobbys außer Karneval: Haus und Garten, Attendorner Traditionen.

Zum Herbst hin mit der Erkenntnis, dass ein Impfstoff erst ab 2021 eingesetzt werden kann und es ohne diesen keine Alternative zu Maskenpflicht, Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen gibt. Auch eventuelle Hygienekonzepte und das unkalkulierbare Risiko für Veranstaltungen jeglicher Art ließen keine Wahl. Die Vorstände der Vereine haben sehr verantwortungsbewusst gehandelt, so schwer ihnen diese Entscheidungen auch gefallen sind.

Der Sessionsauftakt am 11.11. auf dem Alten Markt in Attendorn ist zu einem großen Erfolg geworden. Im letzten Jahr musste die Veranstaltung ausfallen. Was haben Sie an diesem Tag gemacht?

Wir haben uns in unsere Kellerbar begeben, gute Karnevalsmusik aufgelegt, Freunde haben sich per WhatsApp und Telefon dazugesellt. So konnten wir auf eine eigene Art einen schönen 11.11. feiern.

Sie sind seit vielen Jahren aktiver Wagenbauer der „Mooskämper“, eine der ältesten Gruppen im Attendorner Karneval. Fehlt Ihnen die Zeit in der Wagenbauhalle und der Kontakt mit den anderen Gruppen?

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Oh ja, normalerweise wären wir schon seit November mit dem Wagen beschäftigt. Diese Zeit vermisse ich schon sehr. Wer die große und tolle Familie der Wagenbauer kennt, weiß, wovon ich rede. Der Zusammenhalt und die Kreativität, die dort an den Tag gelegt wird, sind etwas Besonderes.

Die Mooskämper Wagenbauer bieten einen neuen Orden an, mit dem die Attendorner Altenheime unterstützt werden sollen. Was steckt dahinter?

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Hier galt es ein Zeichen zu setzen, dachte sich der Vorstand der Mooskämper, und kreierte unter der Leitung von Christiane Sangermann wie jedes Jahr einen eigenen Orden. Unter dem Motto „Ohne Karneval ist alles doof“ wollen die Wagenbauer natürlich ihre Trauer um den ausgefallenen Karneval zum Ausdruck bringen, zum anderen wollen sie damit die Attendorner Altenheime ein wenig unterstützen, die besonders unter der aktuellen Situation leiden. Der Orden ist bei den Vorstandsmitgliedern der Mooskämper, in der Löwen-Apotheke und in Königs Brotkorb zu erwerben.

Wie läuft die Arbeit derzeit im Bund Westfälischer Karneval, dessen Vizepräsident Sie seit 2016 sind? Liegt alles auf Eis?

Ja, so kann man es sagen. Wir treffen uns zwar ab und zu per Video-Konferenz, aber von einer normalen Verbandsarbeit kann wohl kaum die Rede sein. Besonders schwer ist es, für die Zukunft zu planen, zumal keiner weiß, wie und wann es wieder normal losgehen kann. Normalerweise wäre am 15. Januar die WDR-Aufzeichnung für die Sendung „Westfalen haut auf die Pauke“ gewesen, so wird es dieses Jahr am Veilchendienstagabend „nur“ eine Zusammenfassung der letzten 50 Jahre geben, auf die ich mich aber trotzdem sehr freue.

Welche Auswirkungen könnte der Ausfall der Session 2020/21 haben, speziell für die Karnevalshochburg Attendorn?

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Viele reden davon, dass es zu Problemen nach der Pandemie kommen kann, wie zum Beispiel Mitgliederschwund in Vereinen oder, dass Zuschauer in Zukunft fehlen werden. Ich glaube jedoch, dass die Menschen in Attendorn und darüber hinaus sehnlich auf eine Möglichkeit warten, wieder mit Freunden und Gleichgesinnten zu feiern und Spaß zu haben.

Im Jahr 1991 sind die Rosenmontags- und Veilchendienstagszüge wegen des Golfkrieges zum letzten Mal komplett abgesagt worden. In Attendorn hat es einen spontanen „Geisterzug“ gegeben. Erinnern Sie sich noch daran und was haben Sie damals gemacht?

Ja, ich war damals dabei. Es spielte eine schnell zusammengestellte Truppe etwas Karnevalsmusik und ich schlug das Trömmelchen. Erstaunlicherweise ist mir dieser Tag als ein Tag in Erinnerung geblieben, an dem wir auf eine besondere und tolle Weise Karneval gefeiert haben. Damals wurde der Sinn des Karnevals sehr gut verkörpert. Die Narren haben auf lustige und einzigartige Weise der Obrigkeit gesagt: „So nicht.“

Der Karneval hat in den letzten Jahren einen Kulturwandel erlebt - auch in Klein Köln, wie sich Attendorn liebevoll und selbstbewusst nennt. Weg von leisen Tönen und Büttenreden, bei denen man zuhören muss – hin zu Partystimmung und lauter Musik. Sie waren selbst jahrelang Moderator bei den Herren- und Prunksitzungen der KG Attendorn. Teilen Sie diese Kritik?

Ich denke, dass wir zum einen das Alte auf kreativer Art erhalten müssen, aber Neues nicht pauschal verteufeln dürfen. Ich möchte hier zwei Weisheiten nennen: „Stillstand ist Rückschritt“ und „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Die große und schwierige Aufgabe ist es, beides unter einen Hut zu bekommen. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass es machbar ist. Ich möchte hier besonders die Attendorner Herrensitzung nennen, hier sind Jung und Alt zusammen und feiern einen tollen Karneval.

Sie sind als traditionsbewusster Attendorner auch Poskebruder der Waterpoote und Schützenbruder. Befürchten Sie einen erneuten Ausfall dieses jahrhundertealten Brauchtums?

Objektiv gesehen ja. Ich glaube, dass es dieses Jahr noch keine normalen Osterfeuer geben wird. Jedoch wurde schon im letzten Jahr gezeigt, dass die Tradition auch im Kleinen, mit vielen und wunderschönen Gesten und Aktivitäten am Leben gehalten werden kann. Was mit Schützenfest ist, kann man sicher jetzt noch nicht abschätzen, es wird aber nicht unter normalen Bedingungen laufen können.

Der Narr hält anderen ja einen Spiegel vor. Was sind Ihre Lehren aus der Corona-Pandemie und wird im nächsten Jahr alles wieder normal sein?

Ich gehe davon aus, dass 2022 wieder mehr möglich ist. Ob noch Einschränkungen unser Handeln bestimmen oder ob wir unser Vereinsleben wieder normal gestalten können, sollte uns aktuell motivieren, dieses als Chance zu sehen. Denn vieles kann jetzt angegangen und auf feste Fundamente gesetzt werden.

Haben Sie sich schon Gedanken über ein alternatives närrisches Programm für Januar und Februar gemacht?

Gedanken gemacht schon, aber es kommt auf die Regeln an. Und wie man weiß, sind diese leider nicht abzuschätzen. Ein bisschen wird aber gehen. So werden wir uns im Rahmen der Familie an alten Zeiten erfreuen und mit Freunden per Videotelefonie mit Sicherheit etwas Spaß haben. In diesem Sinne bleiben Sie gesund, ich wünsche immer eine Handbreit Konfetti unterm Kiel und auf uns alle ein dreifach Kattfiller.