Kreis Olpe/Attendorn. Der 11.11. im Kreis Olpe fällt wegen Corona flach, auch Komödianten wie Hettwich vom Himmelsberg haben Pause. Aber was dann?

Exakt um 11.11 Uhr am Mittwoch, 11. 11., sollte eigentlich der Startschuss für die närrische Session 2020/2021 fallen. Eigentlich.

Doch nachdem die Karnevalisten im Frühjahr 2020 noch so gerade am Corona-Gau vorbeigeschrammt waren, erwischt es sie jetzt mit virologischer Humorlosigkeit: Die Session fällt aus – komplett, und die närrischen Tränen fließen in Strömen. Oder? Wir sprachen mit Anja Geuecke aus Attendorn, die als Hettwich vom Himmelsberg nebst Gatte ,Siechfried’ sozusagen hauptberuflich für Witz, Humor und Auftritte in närrischer Bütt steht. Aber eben jetzt auch zu Hause bleiben muss und einen Einblick ins närrische Seelenleben erlaubt.

Frau Geuecke, Sie treten mit Ihren Programmen nicht nur im Kreis Olpe auf. Welches waren bisher Ihre weitesten Anreisen?

Anja Geuecke Mit meinem Kirchenkabarett war ich bis Paderborn und Bielefeld unterwegs, das Bistum ist ja groß, aber einmal sogar bis zum Tegernsee.

Aber nicht bei Uli Hoeneß?

Nee, nee, aber ich war auch schon in Dortmund im Westfalen-Stadion in einer Lounge, da bin ich bei einer Weihnachtsfeier für den BVB-Ordnungsdienst aufgetreten.

Seit wann treten Sie im Karneval auf?

Von Anfang an, das ist jetzt bestimmt zehn Jahre her.

Komödiantin seit 25 Jahren im Kreis Olpe

Anja Geuecke ist 48 Jahre alt. Sie stammt aus Ostwestfalen, ist bei Bad Driburg geboren und aufgewachsen.

Nach dem Abitur studierte sie in Paderborn die Fächer Sozialpädagogik, Religionspädagogik und Theaterpädagogik und schloss alle drei Fächer mit einem Diplom ab.

Die Diplom-Pädagogin und selbstständige Kabarettistin lebt seit über 25 Jahren im Kreis Olpe.

Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern, die 11, 14 und 15 Jahre alt sind.

Als Kabarettistin und Comedian tritt sie als „Hettwich vom Himmelsberg“ auf.

Sind Sie mehr Kabarettistin oder mehr Frau in der Bütt?

Das ist schwierig zu beantworten. Ich habe mich schon mal um den Paderborner Kabarettpreis bemüht, und da durfte ich nicht antreten, weil in meinem Programm der Comedyanteil zu groß wäre. Da hab’ ich nur den Preis für die beste Bewerbung bekommen. Die Jury war gespalten. Die einen sagten, das ist ‘ne Kabarettistin, die anderen, es ist eine Comedian.

Und wer steht in der Bütt?

Da muss man Comedian sein, weil das Problem an Karneval ist ja, dass das erste Drittel vorne zuhört, das zweite Drittel würde auch gerne zuhören, hört aber nichts, weil das letzte Drittel zu laut ist.

Wann war Ihnen dieses Jahr klar, dass Corona derart in ihre Branche einschlagen würde?

Ab dem Wochenende Mitte März, 16., 17., 18., ich hatte einen total vollen Terminkalender, und dann war das plötzlich auf Null, und alle Leute haben erstmal alles verschoben. Aber es war klar, dass auch das nicht geht. Man kann ja nicht alles nachholen. Es herrschte eine diffuse Stimmung: ,Wer weiß, wann das noch mal was wird?’ Und letztlich habe ich mittlerweile Auftritte schon zum dritten Mal verschoben und immer wieder ein neues Angebot rausgeschickt.

Und 2021?

Da sind die Leute sehr vorsichtig. Es gibt bereits Buchungen, da soll ich mehrfach auftreten, und dann für kleinere Gruppen.

Was sagt Ihre Familie, nerven Sie die schon, weil Sie nur noch zu Hause sind?

Die finden es gut, dass ich denen jetzt den Hintern hinterher trage.

Sie haben drei Kinder?

Ja, elf, 14 und 15.

Steigen Sie zu Hause schon mal in die Bütt und nerven mit Familienprogrammen im Wohnzimmer?

Das nicht. Die Familie inspiriert mich eher für meine Programme.

Beispiel?

Wenn ich die Jungs kritisiere, bekomme ich zu hören: ,Ich weiß gar nicht, warum Du Dich beschwerst. ich hab’ mich doch nicht selbst erzogen.’ Oder einen Spontanvers meines Mannes, als der Paketbote abends spät noch klingelte: ,Wer reitet so spät durch Nacht und Wind, es ist der Hermes-Bote, er bringt’s geschwind.’

Sie unterhalten als Komödiantin ein Ein-Frau-Unternehmen. Haben Sie in diesen Coronazeiten schon mal so etwas wie Existenzsorgen geplagt?

Ich bin ja gut verheiratet, das hab’ ich schlau gemacht. Von daher geht das noch. Sonst wäre es existenzbedrohlich, ganz klar, furchtbar. Die Soforthilfe bringt auch nicht viel. Das gilt nur für Betriebskosten. Und mein Betrieb ist ja nur mein Kopf, und der läuft auch so, mal mehr, mal weniger.

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Wie und wann sind Sie eigentlich auf ihre Kunstfigur Hettwich vom Himmelsberg gekommen?

Die hieß erst Gertrud, nach meiner Oma. Und dann war schnell klar, dass es ,Hettwich’ sein würde, da Hettwich übersetzt für ,Die Kämpferin’ steht. Dazu kam dann Hettwichs Ehemann ,Siechfried’, weil man so schön die Oberlippe hochziehen kann, wenn man ,Siechfried’ sagt. Man kann richtig scheiße aussehen beim Siechfried sagen, das habe ich dann genutzt.

Und wo kommt der Himmelsberg her?

Als ich zum ersten Mal in Attendorn bei einer Herrensitzung auftreten durfte, hatte ich nur zwölf Minuten inklusive Ein- und Ausmarsch, weil die Veranstalter sehr skeptisch waren. Eine Woche vorher stand der Alfons Stumpf vor mir und sagte: Du bist das Mädchen, das da auftreten will? Das gibt nix.’ Da hatte ich richtig Schiss. Na ja, jedenfalls bin ich zu Fuß zum Auftritt vom Himmelsberg zur Stadthalle gegangen und hab mir gedacht: ,Du heißt jetzt Hettwich vom Himmelsberg, und du sagst, du wohnst da, wo die meisten Männer beim Rückweg von der Halle merken, dass sie besser in der Halle noch aufs Klo gegangen wären.’ Das hab’ ich dann direkt ins Programm eingebaut.

Wie oft stehen Sie in einer normalen Session in der Bütt?

Manchmal kommen an einem Wochenende schon fünf, sechs Auftritte zusammen. Zuletzt habe ich weniger Karneval gemacht, weil die Leute immer weniger zuhören und lieber Party machen wollen. Dann muss ich mich ja nicht da hinstellen und mir anhören: ,Du warst aber nicht gut.’ Frage ich dann zurück: ,Haste mich denn verstanden?’, kommt die Antwort: ,Nä, kein Wort.’ Zudem wurden die Auftritte außerhalb des Karnevals in der Woche immer mehr, und ich mach’ ja noch die Comedian-Stadtführungen ,Attendorn durch Hettwich ihre Brille – von scheintoten Männern, verbotener Liebe und schönen Geschäften’.

War es richtig, den kompletten Karneval schon jetzt abzusagen?

Ja. Das kann man jetzt nicht machen. Es weiß niemand, wann wieder alles normal sein wird. Es ist beim Karneval nun mal so, dass getrunken wird, und je mehr man trinkt, desto eher sind Abstandsregeln vergessen. Wer will da den Kontrolleur machen? Ich find’ auch gut, dass sie in Attendorn richtig abgesagt haben und es nicht in den Sommer verschieben.

Und was machen Sie jetzt an Karneval?

Ich betrink mich mit’m Siechfried und nutze die Zeit für seine karnevalistische Erziehung. Ich übe mit ihm Karnevalssprüche. Er soll wie die Kinder rufen: ,Kamele statt Kamelle’.

Wie viele Auftritte hatten Sie denn in diesem Corona-Jahr?

Januar und Februar waren noch ausgebucht, danach blieb es bei drei Stadtführungen und einer Handvoll anderer Sachen.

Wie viel Prozent vom normalen Auftritts-Volumen pro Jahr sind das?

Höchstens zehn Prozent.

Was soll der bedauernswerte Karnevalist im Kreis Olpe, in Attendorn, in Lennestadt, Olpe, Schönau und Draulzen denn jetzt am 11. 11. anstellen?

Nicht Fernsehen. Das ist Schritt 1, weil Corona kann keiner mehr hören. Wir, der Siechfried und ich, haben für die Coronazeit ein Plexiglas zwischen die Paradekissen gestellt. Das würde ich dann aber für den 11. 11. mal entfernen. Ansonsten muss man es nehmen, wie es kommt. Reicht Dir das Leben eine Zitrone, mach’ Limonade draus. Da würde ich aber jetzt noch’n ordentlichen Schuss Alkohol reintun…. .