Oberveischede. Wenn andere noch schlafen, backen Georg Sangermann und sein Team in Oberveischede schon kiloweise Süßgebäck. Zu Besuch in der Weihnachtsbäckerei.

Es ist noch dunkel und kalt draußen. 0 Grad. Stille. Das Dorf schläft noch. Die Tür geht auf – und mit ihr eine andere Welt. Hell, warm, der Geruch von Zimt und geschmolzener Butter liegt in der Luft. Hier schläft niemand. Eine junge Frau in der Mitte des Raums taucht einen Christstollen ins Butterbad, der Mann links neben ihr knetet einen großen Teig-Klumpen auf der Arbeitsfläche. „Guten Morgen", sagt Bäckermeister Georg Sangermann und lächelt. Um 6 Uhr ist für viele aus dem Team schon fast Feierabend. Nur die Plätzchen-Bäcker bleiben noch länger.

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„Am meisten verkaufen wir immer noch Spekulatius. So viel wie von allen anderen Plätzchensorten zusammen“, erzählt Sangermann. Wie viele Plätzchen pro Schicht gebacken werden, kann er schwer beziffern. Er rechnet in Kilos. „Pro Charge haben wir 50 Kilo.“ Der Teig wird schon eine Nacht vorher vorbereitet und im Kühlhaus gelagert. Das Ruhen soll verhindern, dass der Spekulatius später zu weich wird. „Zeit ist das beste und günstigste Backmittel“, verrät Sangermann.

Spekulatius

Die charakteristische Halbmond-Form der Vanillekipferl gelingt mit einer Ausstechmatte.
Die charakteristische Halbmond-Form der Vanillekipferl gelingt mit einer Ausstechmatte. © Britta Prasse

Und was gehört in den Spekulatius-Teig rein? Sangermann zögert. „Ganz genau möchte ich das nicht verraten“, sagt er und lacht. Nur so viel: „Ich mische die Gewürze selbst. Mit einer fertigen Gewürzmischung kann ich nicht so viel Einfluss auf den Geschmack nehmen.“ Klassischerweise gehören Zimt, Nelke, Kardamom, Muskatnuss, Vanille und Zitrone in den Spekulatius-Teig, aber auch Tonkabohne und Macisblüte mischt Sangermann bei. In welchem Verhältnis: Das bleibt geheim.

Und noch etwas ist in dem Teig enthalten. Etwas, was so gar nicht weihnachtlich-lecker riecht: Hirschhornsalz. „Unsere Lehrlinge ärgern wir gerne damit. Vorher haben sie all die angenehmen Sachen wie Zimt und Vanille gerochen – und dann nehmen sie eine tiefe Nase hiervon“, erzählt Sangermann grinsend. Jeder musste da mal durch, auch er selbst. Aber warum wird ein Mittel mit derartig beißendem Geruch dem Teig beigemischt? „Da kommt nicht viel rein, gerade mal 50 Gramm pro 50 Kilo Teig. Es ist ein Lockerungsmittel, damit flache Gebäckstücke überhaupt gekaut werden können.“ Das Hirschhornsalz, auch ABC-Trieb genannt, löst eine chemische Reaktion aus. Es enthält Ammoniumcarbonat – daher auch der beißende Geruch. „Das verwenden wir aber nur bei Spekulatius. Bei höheren Gebäcksorten ist der Einsatz verboten. Es darf keine Restfeuchte im Gebäck mehr enthalten sein“, erklärt Sangermann.

Orangen-Kokos-Bissen

Bäckermeister Georg Sangermann präsentiert die fertig gebackenen Orangen-Kokos-Bissen in seiner Backstube in Oberveischede.
Bäckermeister Georg Sangermann präsentiert die fertig gebackenen Orangen-Kokos-Bissen in seiner Backstube in Oberveischede. © Britta Prasse

Abgesehen von dem klassischen Weihnachtsgebäck, wozu auch Vanillekipferl gehören, werden in der Backstube heute auch Orangen-Kokos-Bissen gemacht. Die sind noch relativ neu im Sortiment von Georg Sangermann. „Es ist quasi eine Kreuzung aus Spritzgebäck und Kokosmakronen“, verrät Sangermann, während Bäckergeselle Arkadius Symonowicz mit einem Spritzbeutel den Teig zu einzelnen Türmchen formt. Auch dieser Teig ruhte einen Tag lang, die Kokosflocken wurden vorher in Orangensaft eingelegt. Nach dem Backen schrumpfen die Türmchen zu Talern zusammen. Wegen des hohen Butteranteils.

Florentiner

Trocken wirkt auf den ersten Blick die Mischung für die Florentiner-Plätzchen. Eine Art Granulat, das in die Backförmchen gegeben wird. „Darin ist kein Mehl enthalten, sondern nur gesplitterte Mandeln, Haselnuss, Walnuss, Lebkuchengewürz, Butter und Honig“, zählt Sangermann auf. Die vermengten Zutaten werden im Kupferkessel geröstet und anschließend zum Trocknen aufs Blech gelegt. Erst danach wird gebacken. „Der im Honig erhaltene Zucker karamellisiert dabei, sodass ein zusammenhängender Taler entsteht. Und überhaupt nicht mehr trocken ist.“

Die Leidenschaft

Seit dem 1. November ist bei Sangermanns die Plätzchenback-Saison eingeläutet. „Von da an gibt’s für uns alle bis Weihnachten Urlaubssperre. Sonst würden wir das neben dem Brot-, Brötchen- und Kuchengeschäft gar nicht schaffen.“ Das Wichtigste sei, dass man Spaß an der Backkunst und eine gute Truppe habe. Dann werde die Arbeit, wenn andere noch schlafen, automatisch zur Leidenschaft.