Oberveischede. . 5 Uhr: Moritz Maiworm steht vor der Gesellenprüfung zum Bäcker. Wir haben dem Auszubildenden in der Backstube eine Stunde lang zugeschaut.

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    Es ist hell, es ist warm, laut und hektisch. Irgendwie passt die Atmosphäre in der Backstube der Bäckerei Sangermann so gar nicht zu den liebevoll gefertigten Lebensmitteln, die uns morgens auf dem Frühstückstisch erfreuen. Wenn frischer Brot- und Brötchenduft in der Nase kitzelt, kommt eher das Gefühl auf, dass in den Backstuben Künstler statt Handwerker am Werk sein müssen. Zumindest der frische Duft in der hell erleuchteten Backstube hält die Annahme am Leben, dass hier ein besonderer Ort sein muss.

    5.00

    Uhr. Ziemlich früh für jemanden wie mich, der sich in der Regel nicht vor 9 Uhr an seinen Arbeitsplatz begibt. Ziemlich spät für die Männer mit den weißen Schürzen und den weißen T-Shirts, von denen die ersten schon um 22 Uhr ihren Job begonnen haben und den Feierabend - oder besser Feiermorgen - herbei sehnen. Einer von ihnen ist Moritz Maiworm aus Saßmicke, 19 Jahre jung und Auszubildender im dritten Lehrjahr.

    Aus dem Backstuben-Radio dröhnen die WDR2-Nachrichten. Moritz Maiworm hat keine Zeit, sich darauf zu konzentrieren. Er hat Besseres, Wichtigeres zu tun. Mit seinen Händen fischt er Hefeteig aus der Teigmaschine, knallt die weiche Masse auf den Holztisch vor sich, um ihn erst abzuwiegen und dann rundzumachen, also in runde Ballen zu formen.

    Dann ist kräftiges Zupacken angesagt, der Teig wird mit den Händen zunächst platt geklopft und dann abgepresst, das heißt in viele kleine Stücke aufgeteilt. Zwischendurch streut der 19-Jährige immer wieder Mehl auf den Teig, wie automatisch.

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    Automatismus ist wichtig in der Backstube. Die Abläufe sind getimet und fast jeden Tag gleich, außer vor Feiertagen, dann gibt´s ein Sonderprogramm. Die ersten Bäcker am Arbeitsplatz beginnen um 22 Uhr damit, den Brotteig zu kneten, immerhin für rund 15 verschiedene Brotsorten, die die Bäckerei im Portfolio hat.

    Acht Leute arbeiten gleichzeitig in der Backstube, ein Meister, fünf Gesellen und zwei Auszubildende. Da muss jeder wissen, was er wann und an welchem Arbeitstisch zu tun hat.

    Moritz Maiworm, früherer Schüler der Hakemicke-Schule in Olpe, machte in einem Schulpraktikum bei Sangermann erste Bekanntschaft mit dem Bäckerberuf – und kam auf den Geschmack. Später hängte er ein dreiwöchiges Blockpraktikum dran. „Das hat mir hier gut gefallen“. So gut, dass er sich entschied, Bäcker zu werden. „Ich komme mit den Leuten hier gut klar, die Gemeinschaft unter den Kollegen gefällt mir und ich kann nach Feierabend sehen, was ich den ganzen Tag gemacht habe.“

    Nicht nur sehen, sondern auch schmecken, riechen und fühlen. Es gibt nicht viele, die das von ihrem Beruf behaupten können.

    5.10

    Uhr. Nun werden aus den kleineren Teigstücken Rundlinge gemacht. Zu dritt stehen die Bäcker und die, die es werden wollen, an dem Holztisch und rollen mit den Händen den Teig zu kleinen Röllchen, aus denen später süße Brötchen mit Schokolade oder Rosinen entstehen. Bis dahin werden die Rundlinge im Gär-Unterbrecher gekühlt und geparkt. Anders ließen sich nicht für jeden Tag 10 verschiedene Brötchensorten, Käsebrötchen, Leichter-leben-Brötchen, Dinkel-, Roggen- und so weiter, rund 2500 Stück, für die sieben Filialen des Unternehmen herstellen. Ja, Backen ist Handwerk geblieben, aber keine Backstube will und kann heute auf moderne Technik, die die Arbeit erleichtert, verzichten.

    „Vor allem durch die Kühltechnik können wir heute besser planen als früher“, erklärt Sven Hoffmann, der 2007 als Azubi bei Sangermann anheuerte und heute als Bäckermeister an der Spitze des Teams steht.

    „Unsere Arbeitszeiten sind für uns das Normalste der Welt“, sagt Hoffmann. Selbst Moritz Maiworm hat dies bereits verinnerlicht. Am Freitag Abend mit den Kumpels um die Häuser ziehen, das geht nicht. „Kein Problem“, sagt er, „das hole ich samstags nach“ - wenn er nicht Sonntagsdienst hat, also auch am Samstag Abend zum „Backdienst“ muss. Die insgesamt fünf Azubis bei Sangermann wechseln sich ab, so muss jeder nur alle vier bis fünf Wochen ran.

    In dieser Schicht hat er um 23 Uhr angefangen, weil einige Kollegen Urlaub haben, normalerweise arbeitet der Lehrling von 1 Uhr bis 8.30 Uhr. Dann geht’s nach Hause ins Bett.

    5.35

    Uhr. Der Arbeitstisch liegt wieder voller Teigballen, jetzt kommen die Spitzbrötchen dran, die sogenannten Backeskrustis. Zur Neueröffnung des Café-Bistros „Backes“ am Stammsitz des Unternehmens in Oberveischede vor ein paar Jahren hat Chef Georg Sangermann diese Spitzbrötchen ins Programm genommen, schnell sind sie zu einer Spezialität der mehrfach ausgezeichneten Landbäckerei geworden. 2016 wurde Sangermann von der Handwerkskammer Südwestfalen als Ausbildungsbetrieb des Jahres geehrt, wirbt seitdem um neue Azubis mit dem Slogan: „Back dir deine Zukunft.“

    5.45

    Uhr. Jetzt sind auch die Mehrkornbrötchen durch. Zeit für Moritz Maiworm, etwas für die Gesellenprüfung zu tun, die in sechs Wochen ansteht. Dort muss er beweisen, dass er selbstständig Roggenmischbrot, Brötchen, einen mit Käse überbackenen Snack und Blätterteig-Teilchen herstellen kann. Thomas Körber, mit 56 der Älteste im Team, ist sicher, dass Moritz die Prüfung schaffen wird: „Er wird immer besser. Wenn er nicht gut wäre, würde er hier auch nicht übernommen.“

    5.50

    Uhr. Der angehende Geselle hat sich die Zutaten für den Blätterteig aus dem Materiallager geholt. Wie geht Blätterteig? „Zunächst wiege ich die Blätterteig-Stücke ab, jedes 3,2 Kilo, dann werden sie in die Fettplatten eingeschlagen und dann ist der Blätterteig eigentlich schon fertig.“ Klingt einfach, ist es aber nicht.

    6.00

    Uhr: Aus dem Backstubenradio tönen wieder WDR 2-Nachrichten, eine Stunde ist vergangen wie im Nu. Die Produktion in der Backstube lief wie am Schnürchen, Zeit für Pausen? Fehlanzeige. Alles hat geklappt. Das ist nicht immer so. „Du musst an so viele Sachen denken, vergisst du was, dann bleiben Pannen nicht aus“, sagt Meister Sven Hoffmann.

    Und das macht die Bäckerei noch sympathischer. Denn hier arbeiten nicht nur Maschinen, sondern vor allem Menschen.