Kreis Olpe. Viele Autozulieferer auch aus Südwestfalen kritisieren die neuen EU-Klimaziele: Zum falschen Zeitpunkt und ohne Perspektive für die Infrastruktur.
Automobilzulieferer im Kreis Olpe gehen nach den neu formulierten EU-Klimazielen auf die Barrikaden. Hauptgrund für den Zorn: Mitten in der Coronakrise, die der Wirtschaft ohnehin die Luft nehme, setze die EU die Automobilindustrie zusätzlich mit gewagten Klimazielen unter Druck. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder spreche gar von einem Zulassungsverbot für Diesel- und Benziner ab dem Jahr 2035.
Arndt G. Kirchhoff, Chef von Kirchhoff Automotive (Attendorn), lobt zwar den grundsätzlichen Kurs der EU, erster klimaneutraler Kontinent zu werden, warnt aber vor gravierenden Folgen, wenn die Rahmenbedingungen nicht parallel geschaffen würden: „Wenn die Politik das will, muss sie auch für die Infrastruktur sorgen.“ Kirchhoff macht es an einem Beispiel deutlich: „Wenn wir alle nur noch Batterie-Autos mit Grünem Strom fahren wollen, muss unser Stromnetz dazu in der Lage sein.“ Und nur ein stabiles, digitales Netz könne ein Stromnetz so regeln, dass es diese Aufgabe bewältige. Kirchhoff nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wenn wir das nicht können, kann die Politik Ziele setzen, wie sie will. Die Politik muss die Infrastruktur synchron herstellen. Das haben offenbar viele noch nicht verstanden.“
Bürgerinitiativen überall
Er sehe hingegen nichts, was bei den internationalen Stromnetzen vorwärtsgehe, bei der Digitalisierung sei Deutschland weit zurück. Bürgerproteste seien an der Tagesordnung: „An jedem 5 G-Masten klebt etwas von einer Bürger-Initiative, an jedem Strommasten auch. Das muss Politik lösen.“
„Diskutiere auf jedem Marktplatz“
Könne die Politik das nicht, malt Kirchhoff ein düsteres Bild: „Die Folgen wären Arbeitsplatzverluste und soziale Probleme.“ Deshalb sei ihm das Thema extrem wichtig: „Darüber diskutiere ich notfalls auf jedem Marktplatz und möchte gerne sehen, dass die Politik dann Antworten gibt.“
Auch Corona spiele eine gravierende Rolle: „Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, die auch die Zulieferer in Südwestfalen belasten, werden in den aktuellen EU-Plänen nicht berücksichtigt.“
Kirchhoff ist u. a. Gründungsmitglied des Verbundes Innovativer Automobilzulieferer in Südwestfalen (VIA), die sich durch ihren Geschäftsführer Werner Schmidt ebenfalls kritisch zu Wort meldet.
Flottenverbrauch: Zwei Liter
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Schmidt klärt auf: „Die EU-Kommission will die CO2-Emissionen bis 2030, statt wie bisher geplant um 40 Prozent, nun um mindestens 55 Prozent senken. Zugleich sollen die erst vor zwei Jahren verabschiedeten CO2-Flottengrenzwerte für Pkw bis 2030 von minus 37,5 Prozent auf minus 50 Prozent verschärft werden.“ Das bedeute, eine Neuwagenflotte dürfe nur noch einen Durchschnittsverbrauch von etwas mehr als zwei Litern Kraftstoff haben. Schmidt: „Erreichbar ist dieses Ziel nur, wenn der Anteil der Elektrofahrzeuge in zehn Jahren auf mindestens 60 Prozent der Neuwagen ansteigt.“ Demgegenüber fehlten klare Aussagen zum verstärkten Ausbau der Ladeinfrastruktur. Das ,Eine-Million-Ladesäulen-Programm‘ der Kommission sei bei weitem nicht ausreichend.
Sorgen macht sich auch Theo Hermann, Seniorchef der Krah-Gruppe Drolshagen, die ebenfalls zu VIA gehört. Hermann: „Nach dem Abstieg Ende 2019 dachten wir, es gehe 2020 wieder aufwärts, doch dann kam Corona dazwischen. Die Pläne der EU kommen jetzt zur Unzeit.“ Viele Firmen hätten bereits enorme Probleme, würden dem stärkeren Druck, der mit einer Erhöhung der Klimaziele einhergehen, nicht standhalten.