Attendorn. Die Stadt Attendorn wurde von ihrer polnischen Partnerstadt für die „Gaszyn Challenge“ nominiert. Wojtek, der an SMA litt, wurde schon gerettet.
Es geht nicht ums Reden, sondern ums Machen. Das ist einer der Botschaften des Videos, das an markanten Punkten im Attendorner Stadtgebiet gedreht wurde. „Wojtek? Alicja? Ja, da helfen wir natürlich!“, sagt Attendorns Bürgermeister Christian Pospischil, der einen Anruf aus der polnischen Partnerstadt Rawicz erhalten haben dürfte. Sofort trommelt er seine Rathaus-Kollegen per Telefon zusammen. „Wir müssen Liegestütze machen für Wojtek und Alicja. Bitte alle in den Ratsaal kommen!“ Die Mitarbeiter reißen sich von ihren Schreibtischen los und stürmen in den Ratssaal. Zehn Liegestütze machen sie insgesamt. Damit schenken sie schwerstkranken Kindern Kraft. Doch die Hilfe hat mehr als nur symbolischen Charakter.
Feuerwehrmann startete Aktion
Die Stadt Attendorn wurde vor einigen Wochen von ihrer polnischen Partnerstadt Rawicz für die Charity-Aktion „#gaszynchallenge“ nominiert. Gaszyn ist ein kleines Dorf mit etwas mehr als 1000 Einwohnern, etwa 130 Kilometer östlich von Breslau gelegen. Hier startete der Feuerwehrmann Marcin Topór die Spendenaktion, indem er Liegestütze machte, sich dabei filmte und andere Freunde, Bekannte und Organisationen nominierte, es ihm gleich zu tun. Das Ziel dabei: Geld zu sammeln, um kranken Kindern eine teure und womöglich lebensrettende Behandlung finanzieren zu können. Jeder Teilnehmer sollte dabei mindestens 5 Zloty (etwa 1,10 Euro) spenden. Wer die zehn Liegestütze nicht schafft, sollte mindestens 10 Zloty überweisen.
„Die Aktion ist in Polen durch die Decke gegangen. Als wir nominiert wurden, haben wir gar nicht lange darüber nachgedacht, sondern sofort mitgemacht“, sagt Stadt-Pressesprecher Tom Kleine. Auslöser der Spenden-Challenge war das Schicksal des kleinen Wojtek Howis aus Gaszyn. Der eineinhalbjährige Junge leidet an SMA, einer spinalen Muskelatrophie. Dabei werden Nervenzellen, die Muskelbewegungen steuern, geschädigt, was zum fortschreitenden Verlust dieser Zellen führt. Dadurch leiden die Betroffenen unter zunehmender Muskelschwäche sowie unter Muskelschwund und Lähmungserscheinungen. Auch die Funktion anderer Organe wie Herz und Verdauungstrakt werden in Mitleidenschaft gezogen.
Zolgensma – das teuerste Medikament der Welt
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Es gibt eine Therapiemöglichkeit – aber die ist teuer. Die Betroffenen können durch das Medikament „Zolgensma“ eine Einmal-Gentherapie bekommen. Dabei soll das defekte Gen, das nicht mehr das Eiweiß für den Erhalt der Neuronen herstellen kann, durch eine funktionsfähige Kopie ersetzt werden. Doch weil es verhältnismäßig nur wenige SMA-Fälle gibt – laut Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke sind bis zu 10.000 Menschen in Deutschland davon betroffen – steht die Erkrankung und damit das Medikament nur sehr weit unten auf der Prioritätenliste der Pharmakonzerne. Die Entwicklungskosten sind hoch, die Nachfrage relativ gering. Dadurch kommt der hohe Preis zustande: Eine Injektion kostet umgerechnet knapp zwei Millionen Euro. Doch genau diese Therapie könnte Wojteks Leben retten.
Und tatsächlich: Es hat geklappt. „Das Geld für Wojteks Therapie ist mittlerweile zusammengekommen, das Ziel von neun Millionen Zloty ist erreicht“, freut sich Tom Kleine. Die Aktion sei damit allerdings nicht beendet, ganz im Gegenteil. Aus ihr ist mittlerweile eine Stiftung geworden, die die kostspieligen Behandlungen für kranke Kinder finanzieren soll. So wie für die neun Monate alte Hanna aus Wysoka, die ebenfalls an SMA leidet, oder die siebenjährige Alicja aus Rawicz, bei der ein Gehirntumor diagnostiziert wurde.
Bei Alicja wurde eine erste Chemotherapie-Sitzung bereits vorgenommen. „Von unseren Kontakten in Rawicz weiß ich, dass es Alicja den Umständen entsprechend geht. Jetzt heißt es abwarten und Daumen drücken“, so Kleine.