Attendorn/Siegen. Ein 35-Jähriger soll einen 31-Jährigen in der Flüchtlingsunterkunft in Attendorn erstochen haben. Im Prozess wurden nun die Plädoyers gehalten.

Ein Mann verlor am 9. September 2019 nach einem Messerstich in den Bauch sein Leben. Der 31-jährige Syrer soll von einem 35-jährigen Landsmann in der Attendorner Flüchtlingsunterkunft in der Donnerwenge erstochen worden sein. War es eine vorsätzliche Tat? Kam es zu einem Gerangel um das Messer? Seit neun Verhandlungstagen muss sich der Angeklagte nun vor dem Siegener Schwurgericht verantworten (unsere Zeitung berichtete). Am jüngsten Prozesstag am Mittwoch hielten die Staatsanwaltschaft, die Vertretung der Nebenklage und die Verteidigung ihre Plädoyers.

Zur Erinnerung: Am frühen Morgen des 9. Septembers trafen der 35-Jährige und der 31-Jährige in der Flüchtlingsunterkunft aufeinander. Der Angeklagte schildert die Ereignisse so, dass der 31-Jährige plötzlich mit einem Messer in der Flüchtlingsunterkunft vor ihm gestanden habe. Er habe ihn weggeschubst und durch die Sturz müsse er sich die Verletzung zugezogen haben. Ein Rekonstruktionsgutachten hatte aber ergeben, dass es sich um einen aktiven Messerstich gehandelt haben muss, der zum Tode führte.

Im Zimmer eingeschlossen

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Staatsanwalt Rainer Hoppmann sprach in seinem Plädoyer mit Blick auf die Darstellung des Angeklagten von einer Schutzbehauptung. Er machte deutlich, dass sich der Geschädigte nach dem Vorfall, bei dem er sich eine elf Zentimeter tiefe Wunde im oberen Bauch zuzog, in seinem Zimmer eingeschlossen hatte. Das könne nur so gedeutet werden, dass sich der Mann vor weiteren Attacken des Angeklagten schützen wollte. Hoppmann sieht es als erwiesen an, dass sich der 35-Jährige des vollendeten Totschlages schuldig gemacht hat. Dabei habe er zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Erschwerend käme seine Verteidigungshaltung hinzu, bei dem er den Geschädigten als Täter darstelle. Hoppmann fordert eine Haftstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten.

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Rechtsanwältin Katharina Batz vertritt den Bruder des Geschädigten als Nebenkläger. Sie ging in ihrem Plädoyer auf die Vorgeschichte des Angeklagten und des Geschädigten ein. Immer wieder sei es in der Vergangenheit zu Streitigkeiten gekommen. In der Folge hätten sie sich aber versöhnt. Es hätte für den Geschädigten keinen Grund gegeben, den 35-Jährigen anzugreifen. Gegenüber den Rettungssanitätern hätte der Mann, der später an den Folgen seiner Verletzung starb, deutlich gemacht, dass es keinen Kampf gegeben hätte. Batz sieht in der Handlung des Angeklagten eine vorsätzliche Tat. „Er hat so gehandelt, um den Feind aus der Vergangenheit zu eliminieren“, sagte sie. Die Vertreterin der Nebenklage sieht einen Totschlag als unzweifelhaft erwiesen an. Zudem gebe es Anhaltspunkte, die „in die Nähe eines Mordes“ gehen könnten. Katharina Batz fordert das Höchstmaß des Strafrahmens: 15 Jahre Haft.

Zweifel am Vorsatz

Stefan Rückle, der den Angeklagten vor Gericht vertritt, ging erneut auf die Darstellung des Angeklagten ein. Der Geschädigte habe ihn mit einem Messer angegriffen, der Angeklagte habe sich gewehrt und ihn weggeschubst. Das habe er auch in einem Telefonat mit einer Vertrauensperson nach dem Vorfall so geschildert. „Es bleiben Zweifel an einem vorsätzlichen Handelns des Angeklagten“, sagte er und forderte – wie bereits an den vergangenen Prozesstagen – ein ergänzendes Rekonstruktionsgutachten, das zeigen soll, dass die Verletzung auch durch den Sturz entstanden sein könnte. Stefan Rückle fordert Freispruch für seine Mandanten und schließt sein Plädoyer mit folgendem Hinweis: „Ich unterstelle, dass dem Laien nicht klar ist, dass ein Stich mit einer sieben Zentimeter langen Klinge in den Bauch tödlich sein kann. Es ist kein Stich in Hals oder Brust, der einen Tötungsvorsatz nahe legt.“

Die Anträge der Verteidigung wegen des Vorwurfes der Befangenheit der Kammer, das weitere Rekonstruktionsgutachten und die Vernehmung der Mutter des Angeklagten wurden zu Beginn der Verhandlung zurückgewiesen. Das Urteil soll am Freitag, 10. Juli, fallen.