Neger/Olpe. Im Negertal rumort es. Viele Bürger sind mit der Arbeit im Olper Rathaus unzufrieden. Einer Unterschriftenliste soll eine Bürgerinitiative folgen.
Wenn es darum ginge, sauerländisches Idyll zu definieren, dürfte sich das Negertal besonders gut dazu eignen: Unweit der Bigge trifft der Wanderer auf Berg und Tal, saftiges Grün und Wälder aller Gattungen. Doch mitten im Idyll hat sich über die Jahre hinweg Ärger zusammengebraut, regelrechter Zorn, der sich jetzt in einer Protestwelle entlädt, die in dieser Form selten anzutreffen ist: „Es geht uns um ganz grundlegende Dinge, um die Art und Weise, wie eine Stadt mit ihren Dörfern umgeht, mit dem Ehrenamt, mit Werten, die unser Zusammenleben eigentlich tragen sollen“, sagt Ludger Huperz, Vorsitzender des örtlichen Wasserbeschaffungsverbandes (WBV) und ein Sprachrohr der Bewegung.
Wer sich in die umfangreiche Thematik einliest, die die „Bürgerinitiative Negertal in Gründung“ - Untertitel: Mehr Demokratie - Pro Ehrenamt - Werte verteidigen“ an Olpes Bürgermeister Peter Weber und alle sechs Fraktions-Chefs verschickt hat, erkennt: Der Protest ist keiner von nur einigen Grantlern, sondern hat breiten Rückhalt. Im Zuge ihrer Bürgerinitiative, so versichert Ortsvorsteher Manuel Ochibowski, seien mühelos 110 Unterschriften gesammelt worden, deren Unterzeichner sich mit dem Protest und den Zielen der Initiative identifizierten. Ochibowski: „Wir waren nur einige Tage unterwegs. Wenn wir weiter rumgegangen wären, hätten noch viel mehr unterschrieben.“
Vier Schwerpunkt-Themen
Worum geht es im Einzelnen? Es sind im Grund vier Schwerpunkte, die das Dorf zum Teil viele Jahre beschäftigt und bei denen sich die Negeraner von der Stadt Olpe an der Nase herumgeführt fühlen.
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Zwei Themen betreffen den Wasserbeschaffungsverband: Die Stadt Olpe habe ein kleines Grundstück verpachtet und zugelassen, dass der Pächter entgegen dem Pachtvertrag tief wurzelnde Bäume gepflanzt und damit die Wasserleitung habe beschädigen können. Statt konsequent gegen den Pächter und seine Wurzeln vorzugehen, habe die Stadt über mehrere Jahre eine Kehrtwende nach der anderen hingelegt. Jetzt sei eine Linde zwar gefällt, aber deren Wurzelwerk könne immer noch weiteren Schaden anrichten.
Weiterer Protestpunkt: Die Löschwasserversorgung. Die Bürgerinitiave wirft der Stadt vor, nicht alle WBV’s gleich zu behandeln. Während der WBV Neger für das Bereitstellen des Löschwassers leer ausgehe, werde zumindest einem anderen WBV Geld gezahlt. Dabei handelt es sich nach Recherchen dieser Redaktion offenbar um den benachbarten WBV aus Oberveischede.
Nächster Protestpunkt: Die Straße von Kessenhammer nach Neger. Ein jahrzehntelanges Ärgernis, mit dem sich, so Manuel Ochibowski, immerhin Ortsvorsteher seit 2013, schon sein Vorgänger herumgeschlagen habe. Die Protestgrundlage in Kurzform: Das Straßenstück sei im Rahmen einer Sanierung technisch so falsch renoviert worden, dass einige Stellen schon wieder ausgefahren seien und der lose Splitt Lackschäden an Autos hervorgerufen habe. Die viel zu grobe Körnung des Splitts - statt des üblichen 2 bis 5 Millimeter starken Materials sei 8 bis 11 Millimeter starker Splitt eingearbeitet worden - verursache zudem ein derart lautes Abrollgeräusch, dass es an den Nerven der Kessenhammer-Camper zerre.
Vorläufig letztes Thema im Protest-Katalog: Viel zu hohe Erschließungskosten für städtische Baugrundstücke. In Zahlen: Der Bodenrichtwert betrage 60 Euro pro Quadratmeter, die Stadt rufe rund 118 Euro pro Quadratmeter auf, 70 Euro für den Grund, 48 Euro für die Erschließung. Ursprünglich habe die Verwaltung eine Größenordnung von 20 bis 25 Euro für die Erschließung geschätzt. Zudem appellieren die Negeraner an die Adresse der Stadt, das Neubaugebiet zu erweitern.
Kritik an Bürgermeister Weber
Im Schriftsatz wird Bürgermeister Peter Weber direkt angegriffen. Wörtlich heißt es unter anderem: „Wie ist die Diskrepanz zwischen der erklärten Absicht des Bürgermeisters, das Ehrenamt tatkräftig zu unterstützen und der dargestellten Handlungsweise zu erklären?“ Der Spruch auf einer Glocke im Olper Ratssaal „Stadt und Land - Hand in Hand“, so Ludger Hupertz im Gespräch mit unserer Redaktion, sei offenbar nur ein frommer Wunsch geblieben.
Weber: „Klären das im Detail“
Olpes Bürgermeister Peter Weber versicherte im Gespräch mit unserer Redaktion, die Stadt habe zu den umfangreichen und vielfältigen Kritikpunkten der Bürgerinitiative in Gründung bereits Stellung genommen und werde das auch erneut tun: „Uns bleibt nur, die einzelnen Punkte im Detail zu klären.“ Offenbar habe sich im Negertal über einen längeren Zeitraum Unzufriedenheit angesammelt, die ihn in dieser geballten Form jetzt selbst überrascht habe. Dass die Menschen eine Benachteiligung des ländlichen Raumes zur Kernstadt verspürten, könne eine gefühlte, subjektiv empfundene Ungerechtigkeit sein, die mit dem Objektiven jedoch nicht übereinstimme.
Alle Verträge kommen auf Prüfstand
Zu den einzelnen Punkten versprach er, dass auch die Wurzeln auf dem Pachtgrundstück und damit das Ärgernis für den WBV Neger entfernt würden. Eine Gefährdung der Wasserleitung sei dann vom Tisch. Beim Thema Löschwasser werde die Verwaltung alle Verträge durchforsten und der angeführten Ungleichbehandlung auf den Grund gehen.
Die hohen Erschließungskosten hingen unter anderem mit den hohen Tiefbaupreisen zusammen, eine Ausweitung des Neubaugebietes sei momentan nicht geplant. Und die Straße von Kessenhammer werde weitgehend ausgebessert und in großen Teilen, beispielsweise am Rand des Campingplatzes, mit dem gewünschten feineren Splitt nachgearbeitet.
Vorgeschichte: Die Kritikpunkte der BI in Gründung hatte schon Olpes Baudezernentin Judith Feldner mit einem siebenseitigen Brief beantwortet. Was folgte, war eine 18-seitige Antwort aus Neger. Grund: „Leider sind für uns Themenbereiche nicht hinreichend und vollständig beantwortet worden.“ Deshalb werden wir nochmals auf die Sachverhalte eingehen… .“
Peter Weber erinnerte auf Anfrage daran, dass er seit seiner Wahl 2015 bei jeder offiziellen Dorfversammlung in Neger anwesend gewesen sei. Der sich jetzt entladende umfangreiche Protest habe sich für ihn dort nicht angedeutet.